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Nicht-orale Antikoagulation

Letzte Aktualisierung: 2.11.2023

Abstracttoggle arrow icon

Die Hemmung der plasmatischen Blutgerinnung kann sowohl prophylaktisch als auch therapeutisch, z.B. zur Vermeidung und Behandlung von Thrombosen, erfolgen. Heparine spielen dabei im Rahmen der nicht-oralen Antikoagulantien die größte Rolle, andere Medikamente kommen i.d.R. erst bei Unverträglichkeiten zum Einsatz. Neben vermehrten Blutungskomplikationen ist die gefürchtetste Nebenwirkung die seltene Heparin-induzierte Thrombozytopenie Typ II (HIT II), bei der es Autoantikörper-vermittelt zur Aggregation von Thrombozyten mit bedrohlichen Thromboembolien kommt. Da diese Komplikation an einem starken Abfall der Thrombozyten erkannt werden kann, muss bei der sehr häufigen Verwendung von Heparin im klinischen Alltag eine Überwachung des Blutbildes erfolgen.

Du möchtest diesen Artikel lieber hören als lesen? Wir haben ihn für dich im Rahmen unserer studentischen AMBOSS-Audio-Reihe vertont. Den Link findest du am Kapitelende in der Sektion “Tipps & Links".

Wirkstoffe und Dosierungshinweisetoggle arrow icon

Unfraktioniertes Heparin

Wirkstoff Unfraktioniertes Heparin (UFH)
Applikation
  • s.c.
  • i.v.
Standarddosierung
Indikationen
Zu beachten

Kontraindikationen

DANI
  • Schwere Niereninsuffizienz: Nur unter strenger Indikationsstellung und vorsichtiger Anwendung unter regelmäßigen PTT-Kontrollen
DALI
Gravidität/Stillzeit

Niedermolekulare Heparine

Wirkstoffe

Certoparin (z.B. Mono-Embolex®) I Dalteparin (z.B. Fragmin®) I Enoxaparin (z.B. Clexane®) I Nadroparin (z.B. Fraxiparin®) I Reviparin (z.B. Clivarodi®) I Tinzaparin (z.B. Innohep®)

Applikation
  • s.c.
Standarddosierung
Indikationen
Zu beachten

Kontraindikationen

DANI
DALI
Gravidität/Stillzeit

Fondaparinux

Wirkstoffe

Fondaparinux (z.B. Arixtra®)

Applikation
  • s.c.
Standarddosierung
Indikationen
Zu beachten

Kontraindikationen

DANI
DALI
Gravidität/Stillzeit

Keine Gewähr für Vollständigkeit, Richtigkeit und Aktualität der bereitgestellten Inhalte. Die Angaben erfolgen nach sorgfältigster redaktioneller Recherche. Insbesondere aktuelle Warnhinweise und veränderte Empfehlungen müssen beachtet werden. Soweit nicht anders genannt, beziehen sich die genannten Empfehlungen auf Erwachsene.

Übersichttoggle arrow icon

Siehe auch: Therapeutische Antikoagulation - klinische Anwendung

Ausgewählte Wirkstoffe Applikation

Monitoring bei Therapie

Antidot

aPTT

Anti-FXa-Aktivität
Unfraktioniertes Heparin (UFH)

Protamin (Heparin-Neutralisator)

Fraktioniertes Heparin bzw.

Niedermolekulares Heparin (NMH)

partiell 1
Heparinoide
  • Fondaparinux
-1
  • Danaparoid
-1

Rekombinantes Hirudin

  • Bivalirudin
  • Desirudin
  • Lepirudin
  • Nur intravenös

-
Synthetisches L-Arginin-Derivat
  • Argatroban
  • Nur intravenös
-
1Antagonisierung bei lebensbedrohlicher Blutung versuchsweise mit rekombinantem FVIIa möglich; keine sichere Wirkung

Wirkungtoggle arrow icon

Wirkung
UFH

NMH

Fondaparinux und Danaparoid

Argatroban
  • Direkte Thrombinhemmung (Wirkung unabhängig von Antithrombin)
Hirudin

Die Wirkung der meisten nicht-oralen Antikoagulantien ist abhängig von Antithrombin. Demnach ist bei Antithrombin-III-Mangel (z.B. aufgrund eines nephrotischen Syndroms) mit einem Wirkverlust zu rechnen!

Nebenwirkungtoggle arrow icon

Die deutliche Zunahme des Blutungsrisikos ist die zentrale gemeinsame Nebenwirkung aller Antikoagulantien!

Heparin-induzierte Thrombozytopenie (HIT)

  • Definition: Potenziell gefährliche Komplikation unter Heparingabe mit Thrombozytenabfall und ggf. thromboembolischen Ereignissen
  • Unterscheidung in zwei Typen
    • HIT I: Harmloses, nicht-immunologisches Begleitphänomen einer Heparintherapie durch Interaktion zwischen Thrombozyten und Heparin
    • HIT II: Schwerwiegende Komplikation einer Heparintherapie (insb. UFH) durch Antikörperbildung mit Thrombozytenaggregation

Bei einer Therapie mit Heparinen sollte die Thrombozytenzahl regelmäßig sowie einmalig vor Therapiebeginn (Ausgangswert) bestimmt werden!

HIT I HIT II

Beginn der Thrombopenie

In den ersten 5 Tagen nach Therapiebeginn Ab 5. Tag nach Therapiebeginn (5.–14. Tag)
Ausmaß der Thrombopenie Eher moderat: >100.000/μL Massiver Abfall: <100.000/μL (bzw. unter 50% des Ausgangswertes)
Pathophysiologie Direkte Interaktion, keine Antikörper! Auto-Antikörper gegen einen Komplex aus Heparin und Plättchenfaktor 4
Häufigkeit Ca. 10–20% 1–5% bei UFH; 0,1–1% bei NMH
Komplikationen I.d.R. keine Thromboembolische Ereignisse

HIT-Diagnostik

  1. Ausschluss einer Pseudothrombozytopenie [1]
  2. Abschätzen der Wahrscheinlichkeit einer HIT II mit dem 4T-Score [1]
    • 4T-Score 0–3: Sehr unwahrscheinlich → Keine weitere HIT-Labordiagnostik
    • 4T-Score 4–5: HIT II möglich, spezifische Labordiagnostik sinnvoll
    • 4T-Score ≥6: HIT II möglich, spezifische Labordiagnostik sinnvoll
  3. HIT-Labordiagnostik: Nachweis von IgG gegen Plättchenfaktor-4/Heparin-Komplex
    • Schnelltest: Plättchenfaktor-4-Heparin-ELISA
    • Bestätigungstest (Funktionstest) : Heparin-induzierter Plättchenaggregationsassay (HIPA)
Konsequenzen
  • Therapie weiterführen, Normalisierung der Thrombozyten zu erwarten

Bei einer HIT II muss die Heparintherapie sofort abgesetzt und durch eine Antikoagulation mit Danaparoid oder Argatroban ersetzt werden. Alternativ werden auch Fondaparinux oder DOAK eingesetzt (Off-Label Use)! [1]

Bei Personen, die schon zuvor Heparin erhalten haben, kann die HIT II auch direkt nach erneuter Applikation (aufgrund vorbestehender Antikörper) auftreten!

Es werden die wichtigsten Nebenwirkungen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.

Indikationtoggle arrow icon

Unterschiedliche Dosierungen nach Indikation

Prophylaxe (Low-Dose)

Therapie (High-Dose, „Vollheparinisierung“)

Therapieempfehlungentoggle arrow icon

Übersicht Vor- & Nachteile

Unfraktioniertes Heparin (UFH) Niedermolekulares Heparin (NMH)
Vor- & Nachteile Applikation
  • Bei therapeutischem Einsatz Perfusor notwendig
Pharmakokinetik und -dynamik
  • Schnellerer Wirkungseintritt durch Wirkung auf Thrombin
Antagonismus
  • Protamin antagonisiert Effekt
  • Beendigung bei therapeutischem Einsatz zügig möglich
  • Kein vollständiger Antagonist verfügbar
Monitoring
  • Bei therapeutischem Einsatz regelmäßige PTT-Bestimmung notwendig
    • Zielwert: 1,5–2,5fache Verlängerung
  • Thrombozytenzahl
Nebenwirkungen
  • Im Vergleich zu NMH
    • HIT II ca. 10× häufiger
    • Häufiger schwere Blutungsereignisse
Bevorzugter Einsatz
  • Thromboseprophylaxe, ambulantes Setting
  • Wird zur Heparinisierung generell dem UFH vorgezogen (weniger Nebenwirkungen, einfachere Handhabung), sofern keine Kontraindikationen bestehen

Besondere Patientengruppentoggle arrow icon

Schwangerschaft

Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion

  • Bei schwerer Niereninsuffizienz: Akkumulation von NMH → Erhöhtes Blutungsrisiko → Dosisanpassung oder Umstellung auf UFH

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Heparin

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Quellentoggle arrow icon

  1. Greinacher, Selleng:Greinacher: Heparininduzierte ThrombozytopenieIn: Gefässchirurgie. Band: 23, Nummer: 3, 2018, doi: 10.1007/s00772-018-0374-z . | Open in Read by QxMD p. 193-207.
  2. Allgemeine und Spezielle Pharmakologie und Toxikologie 2012.
  3. Pötzsch et al.: Hämostaseologie Grundlagen, Diagnostik, Therapie. 2. Auflage Springer 2010, ISBN: 978-3-642-01543-4.
  4. Greinacher:Heparininduzierte ThrombozytopenieIn: Deutsches Ärzteblatt. Band: 100, Nummer: 34-35, 2003, .
  5. Striebel: Operative Intensivmedizin. 2. Auflage Schattauer 2014, ISBN: 978-3-794-52895-0.

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