Zusammenfassung
Bei Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen (NMOSD) handelt es sich um eine Gruppe seltener chronisch-entzündlicher Erkrankungen des zentralen Nervensystems. Im Gegensatz zur Neuromyelitis optica (NMO, Dévic-Syndrom), die als Entität schon lange beschrieben war und als charakteristische Merkmale die namensgebenden akuten Optikusneuritiden und transversen Myelitiden aufweist, umfasst der Formenkreis der NMOSD auch andere klinische Manifestationen wie Hirnstammsymptome. Entsprechend ist die NMO in den NMOSD aufgegangen und wird nicht mehr als eigenständige Entität gesehen.
Der Verlauf der NMOSD ist i.d.R. schubförmig. Antikörper gegen das Wasser-Kanalprotein Aquaporin 4 (Anti-AQP4-AK) können in 70% der Fälle im Serum nachgewiesen werden. Im MRT zeigen sich häufig langstreckige entzündliche Veränderungen des N. opticus und des Rückenmarks sowie Veränderungen in betroffenen Hirnarealen. Um eine residuelle Behinderung möglichst abzuwenden, müssen die Schübe mit hochdosierten Glucocorticoiden oder Apheresetherapie behandelt werden. Eine immunsuppressive Langzeittherapie sollte schnellstmöglich nach Diagnosesicherung begonnen werden, wobei für die Anti-AQP4-AK-positive NMOSD primär Eculizumab, Inebilizumab, Ravulizumab, Rituximab (Off-Label Use) und Satralizumab geeignet sind. Die wichtigste Differenzialdiagnose der NMOSD ist die Multiple Sklerose.
Entstehung und Definition des Krankheitsspektrums
- Beschreibung der Neuromyelitis optica (NMO, Dévic-Syndrom) (spätes 19. Jahrhundert) als chronisch-entzündliche ZNS-Erkrankung mit
- Rückenmarkssymptomen (bis zum Querschnittsyndrom)
- Progredienter ein- oder beidseitiger Sehstörung (bis zur Erblindung)
- Entdeckung von Anti-Aquaporin-4-Antikörpern als pathophysiologischer Mechanismus hinter der NMO (Beginn des 21. Jahrhunderts) [1]
- Zusammenfassung der NMO und weiterer durch Anti-AQP4-AK verursachter chronisch-entzündlicher Krankheitsbilder: Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen (NMOSD)
- Festlegung von Diagnosekriterien für NMOSD
- Anhand des Antikörperbefundes und
- Auswahl klinischer Kardinalsymptome bei NMOSD
Epidemiologie
Bei den NMOSD handelt es sich insgesamt um seltene Erkrankungen.
- Inzidenz: 0,053 bis 0,4 Fälle/100.000 Einwohner:innen pro Jahr [2]
- Prävalenz: 0,3 bis 4,4 Fälle/100.000 Einwohner:innen [2]
- Manifestationsalter: Altersgipfel im 4. Lebensjahrzehnt
- 4% im Kindesalter
- Geschlecht: ♀ >> ♂ (9:1)
- Auftreten: I.d.R. sporadisch, selten (3%) familiär gehäuft [3]
- Assoziation mit Autoimmunerkrankungen: ⅓ der Erkrankten, darunter [4]
- SREAT bei Autoimmunthyreoiditis (20%)
- Sjögren-Syndrom (14%)
- Myasthenia gravis (2%)
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Pathophysiologie
Wesentliches Merkmal ist eine Anti-Aquaporin-4-Antikörper-vermittelte Zerstörung von Astrozyten (Astrozytopathie). Somit liegt eine primär demyelinisierende ZNS-Erkrankung vor.
- Aquaporin 4 (AQP4): Kanalprotein für Wasser [5]
- Im ZNS: In Fortsätzen der Astrozyten, die am Aufbau der Blut-Hirn-Schranke beteiligt sind
- Gliazellen der Retina und wahrscheinlich auch der Sehnerven [6]
- Graue Substanz des Rückenmarks
- Umschriebene Regionen der grauen Substanz des Gehirns, insb. in
- In Epithelien zahlreicher anderer Organe (u.a. Niere, Magen)
- Im ZNS: In Fortsätzen der Astrozyten, die am Aufbau der Blut-Hirn-Schranke beteiligt sind
- Mechanismen
- T-Lymphozyten erkennen Aquaporin-4-Peptide und aktivieren als T-Helferzellen (TH17) zusammen mit AQP4 B-Lymphozyten
- B-Lymphozyten differenzieren zu Plasmazellen → Produzieren IgG1-Autoantikörper gegen Aquaporin 4
- Antikörper migrieren ins ZNS und binden an Aquaporin 4 auf der Oberfläche von Astrozyten
- Antikörper-vermittelte Komplementaktivierung → Zelllyse
- Antikörper-vermittelte zelluläre Zytotoxizität → Zelllyse
- Sekundäre Entzündungsreaktion → Einwanderung von Granulozyten und Makrophagen ins ZNS → Demyelinisierung und axonale Schädigung
Klassifikation
- Nach Aquaporin-4-Status
- Anti-AQP4-AK-seropositive NMOSD (etwa 76%)
- Anti-AQP4-AK-seronegative NMOSD (etwa 24%)
Symptomatik
Verlauf
- I.d.R. schubförmig (90%)
- Selten monophasisch (10%)
- Keine chronisch-progredienten Verläufe wie bei der MS
- Siehe auch: Gegenüberstellung von Multipler Sklerose und NMOSD
Symptome nach Manifestationsort
Entsprechend der Pathophysiologie der NMOSD ergeben sich die Symptome infolge einer demyelinisierenden Entzündung an ZNS-Lokalisationen, an denen Aquaporin 4 exprimiert wird.
- N. opticus: Optikusneuritis (Neuritis nervi optici, NNO), bilaterales Auftreten hochgradig verdächtig auf NMOSD
- Retrobulbärer Druckschmerz, Schmerzen bei Augenbewegung
- Visusminderung bis zur Erblindung
- Zentralskotom
- Farbsinnstörung
- Rückenmark: Transverse Myelitis
- Häufig hochgradige sensomotorische Defizite mit residueller spastischer Para- oder Tetraparese
- Blasen- und Mastdarmstörung
- Ggf. respiratorische Insuffizienz durch Lähmung der Atemmuskulatur
- Area postrema (Area-postrema-Syndrom)
- Anhaltende Übelkeit/Erbrechen
- Schluckauf
- Ggf. Hirnnervenausfälle, lebensbedrohliche vegetative Störungen
- Hirnstammsyndrom (akutes Hirnstammsyndrom)
- Keine Einbeziehung der Area postrema
- Hirnnervenausfälle
- Ggf. respiratorische Insuffizienz durch Störung des Atemzentrums
- Zwischenhirn (Zwischenhirnsyndrom)
- Narkolepsie
- Thermodysregulation
- Hypophyseninsuffizienz
- Großhirnhemisphären (Zerebrales Syndrom), u.a.
- Paresen
- Sprachstörungen
- Kopfschmerzen
- Epileptische Anfälle
Diagnostik
Diagnostische Prinzipien
- Anamnese und Untersuchungsbefund → Verdacht auf chronisch-entzündliche ZNS-Erkrankung
- Ausschluss von Differenzialdiagnosen mittels Bildgebung, Liquor- sowie weiterer Labordiagnostik, siehe insb.
- Diagnostisches Vorgehen bei Multipler Sklerose
- Differenzialdiagnosen der NMOSD
- Anwendung der Diagnosekriterien der NMOSD
Bildgebung
- Indikation
- Jede Erstmanifestation mit V.a. NMOSD (sowohl kraniales als auch spinales MRT)
- Verlaufsuntersuchungen insb. bei atypischer Klinik
- Sequenzen
- T1 (mit und ohne Gadolinium-Applikation), T2 nativ, jeweils axial und sagittal
- Ggf. Dünnschichtaufnahmen bei Beteiligung des N. opticus oder Hirnstamms
- Befunde
- Spinales MRT
- Akut
- Langstreckige T2-hyperintense Myelonläsion, ≥3 Wirbelkörpersegmente (LETM = „longitudinally extensive transverse myelitis lesion“)
- T1-Wichtung: KM-Aufnahme der Läsion
- Ödematös aufgetriebene Läsion
- Gelegentlich Ausdehnung bis in den Hirnstamm
- Chronisch
- Atrophie ≥3 Wirbelkörpersegmente
- Akut
- MRT der Nn. optici
- T2-hyperintense Läsion des N. opticus, uni- oder bilateral
- Läsionen häufig langstreckig (mehr als Hälfte des N. opticus)
- Läsionen schließen gelegentlich Chiasma opticum ein
- T1-Wichtung: KM-Aufnahme der Läsion
- cMRT: Häufig unauffällig, insb. initial
- Mögliche Lokalisationen T2-hyperintenser Läsionen
- Dorsale Medulla oblongata (Area postrema)
- Periependymal im Hirnstamm (häufig mit KM-Aufnahme in T1-Wichtung)
- Thalamus
- Hypothalamus
- Balken (häufig über mehr als die Hälfte des Balkens, Läsionen diffus oder ödematös)
- Subkortikal oder im tiefen Marklager (häufig ausgedehnte, konfluierende Läsionen, sowohl uni- als auch bilateral)
- Mögliche Lokalisationen T2-hyperintenser Läsionen
- Spinales MRT
Liquordiagnostik
- Stellenwert: Wichtig insb. zur Differenzialdiagnostik
- Zytologie: Häufig leichte Pleozytose (oft Nachweis von Granulozyten)
- Oligoklonale Banden: Positiv in 10–20% der Fälle, dann häufig passagerer Befund
- MRZ-Reaktion: I.d.R. negativ
Antikörper-Diagnostik im Serum
- Anti-AQP4-Antikörper: Antikörper gegen Aquaporin 4 (AQP4)
- Indikation: Verdacht auf NMOSD
- Befund
- Positiv in 70% der Fälle [3]
- Häufig: Serokonversion im Verlauf
- Möglich: Seronegativität nach Therapie oder geringer Krankheitsaktivität
- Hinweise
- Antikörper-Diagnostik jeweils mittels zellbasiertem Testverfahren (Goldstandard)
- Bei negativer Testung und fortbestehendem NMOSD-Verdacht: Wiederholung im Verlauf
Weitere Diagnostik [7]
- Indikation: Im Wesentlichen aus differenzialdiagnostischen Erwägungen (siehe auch: Differenzialdiagnosen der NMOSD)
- Obligate Untersuchungen
- Basislabordiagnostik (großes Blutbild, CRP, Elektrolyte, Leberparameter, Nierenretentionsparameter, Blutzucker)
- Anti-MOG-Antikörper (bei DD MOG-IgG-assoziierte Erkrankung)
- Antinukleäre Antikörper (ANA)
- Anti-CCP-Antikörper (bei DD rheumatologischer Erkrankung)
- Fakultative, im individuellen Fall sinnvolle Untersuchungen
- Lipidstatus
- HbA1c
- HIV-Serologie
- HTLV-1-Serologie (bei DD tropische spastische Paraparese)
- Borrelien-Serologie
- Treponema-Pallidum-Hämagglutinations-Assay (TPHA)
- Anti-Phospholipid-Antikörper
- Lupus-Antikoagulans
- β2-Mikroglobulin
- Überlangkettige Fettsäuren
- Vitamin-B12-Spiegel, Holotranscobalamin, Methylmalonsäure (bei DD Vitamin-B12-Mangel)
- Paraneoplastische Antikörper (bei DD paraneoplastisches Syndrom/Myelitis)
- Anti-NMDAR-Antikörper
- Kupfer, Zink
- Manuelles Blutbild und Charakterisierung der Lymphozyten-Subpopulationen, ggf. erweiterte Tumorsuche (bei DD Lymphom)
- Röntgenthorax (bihiläre Lymphadenopathie?), FDG-PET-Untersuchung (hypermetabole Lymphknoten?), Angiotensin-konvertierendes Enzym (ACE), IL-2-Rezeptor (bei DD Neurosarkoidose)
- Eiweiß-Elektrophorese
- Immunfixation im Serum
Diagnosekriterien der NMOSD [8]
Diagnosekriterien der NMOSD mit Anti-AQP4-Antikörpern
Sämtliche Kriterien sind obligat
- Mind. ein Kardinalsymptom (siehe: Kardinalsymptome bei NMO-Spektrum-Erkrankungen) im Rahmen eines akuten Schubs
- Nachweis von Anti-AQP4-Antikörpern
- Ausschluss von Differenzialdiagnosen
Diagnosekriterien der NMOSD ohne Anti-AQP4-Antikörper (bzw. unbekanntem Anti-AQP4-Antikörper-Status)
Sämtliche Kriterien sind obligat
- Fehlen von Anti-AQP4-Antikörpern oder unbekannter Status
- Ausschluss von Differenzialdiagnosen
- Mind. zwei betroffene Regionen (siehe: Kardinalsymptome bei NMO-Spektrum-Erkrankungen) im Rahmen eines oder mehrerer akuter Schübe, die alle folgenden Subkriterien erfüllen
- Mind. ein Kardinalsymptom ist
- Optikusneuritis oder
- Langstreckige Myelitis (≥3 Wirbelkörpersegmente) oder
- Area-postrema-Syndrom
- Nachweis örtlicher Dissemination (≥2 Kardinalsymptome)
-
MRT-Kriterien des jeweils vorliegenden Kardinalsymptoms erfüllt
- Bei Optikusneuritis
- Kraniales MRT mit Normalbefund oder unspezifischen Marklagerläsionen oder
- MRT der Nn. optici mit T2-hyperintensen Läsionen oder KM-Anreicherung, jeweils über die Hälfte des N. opticus hinausgehend oder das Chiasma opticum einbeziehend
- Bei Myelitis
- Nachweis einer intramedullären Läsion über mind. drei Wirbelkörpersegmente oder
- Nachweis einer Rückenmarksatrophie über mind. drei Wirbelkörpersegmente bei akuter Myelitis in der Vorgeschichte
- Bei Area-postrema-Syndrom: Nachweis von Läsion in dorsaler Medulla oblongata (Area postrema)
- Bei Hirnstammsyndrom: Nachweis von periependymalen Hirnstammläsionen
- Bei Optikusneuritis
- Mind. ein Kardinalsymptom ist
Kardinalsymptome bei NMO-Spektrum-Erkrankungen
Für die Anwendung in den Diagnosekriterien der NMOSD mit Anti-AQP4-Antikörpern bzw. Diagnosekriterien der NMOSD ohne Anti-AQP4-Antikörper werden sechs Kardinalsymptome (entsprechend den sechs möglicherweise beteiligten ZNS-Arealen) definiert:
- Optikusneuritis
- Akute Myelitis
- Area-postrema-Syndrom (episodenhafter Schluckauf oder Übelkeit und Erbrechen)
- Akutes Hirnstammsyndrom
- Symptomatische Narkolepsie oder akutes Zwischenhirnsyndrom (mit diencephalen NMOSD-typischen MRT-Läsionen)
- Symptomatisches zerebrales Syndrom (mit zerebralen NMOSD-typischen MRT-Läsionen)
Differenzialdiagnosen
Die wichtigste Differenzialdiagnose der NMOSD ist die Multiple Sklerose.
Multiple Sklerose
- Wesentlich häufiger als die NMOSD
- Die sorgfältige differenzialdiagnostische Abgrenzung ist nicht zuletzt im Hinblick auf unterschiedliche Therapieansätze im Intervall wichtig!
- Veraltet: Die Neuromyelitis optica wurde lange als Subtyp der Multiplen Sklerose klassifiziert, kann aber spätestens seit 2004 (Entdeckung der Anti-Aquaporin-4-Antikörper) als eigenständige Entität abgegrenzt werden.
Gegenüberstellung von NMOSD und Multipler Sklerose
Gegenüberstellung von NMOSD und Multipler Sklerose | |||
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NMOSD | Multiple Sklerose | ||
Verlauf |
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| |
Optikusneuritis | Seite |
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Ausprägung |
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| |
MRT |
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| |
VEP |
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| |
Myelitis | Ausprägung |
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MRT |
|
| |
cMRT | Zerebrale Läsionen |
|
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Läsionsorte | |||
Liquor | Oligoklonale Banden |
|
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MRZ-Reaktion |
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| |
Zytologie |
|
| |
Anti-AQP4-Antikörper im Serum |
|
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Weitere Differenzialdiagnosen
- MOG-IgG-Antikörper-assoziierte Erkrankungen
- Gruppe seltener demyelinisierender entzündlicher Enzephalomyelitiden mit IgG-Antikörpern gegen Myelin-Oligodendrozyten-Glykoprotein (MOG)
- Müssen differenzialdiagnostisch bei der Multiplen Sklerose und den NMOSD berücksichtigt werden, insb. bei Anti-AQP4-AK-seronegativer NMOSD [7][9]
- Optikusneuritiden anderer Ätiologie
- Transverse Myelitis anderer Ätiologie
- Neurosarkoidose
- Systemischer Lupus erythematodes
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
Die Behandlung der NMOSD umfasst zwei Therapiesäulen:
- Schubtherapie: Hochdosierte Glucocorticoide, ggf. Apheresetherapie
- Langzeittherapie: Immunmodulatorische Therapie, bspw. mit Rituximab (Off-Label Use) , Eculizumab, Inebilizumab, Ravulizumab oder Satralizumab
Schubtherapie [9]
- Beginn: Frühstmöglich
Glucocorticoid-Hochdosistherapie
- Ziel: Immunsuppression
- Indikation: Schub im Rahmen einer NMOSD, Therapie der 1. Wahl
- Anwendung: Methylprednisolon 1.000 mg/d i.v. für 5 Tage
- Für weiterführende Informationen siehe: Allgemeine Hinweise zur Glucocorticoid-Hochdosistherapie bei MS
Apheresetherapie
- Ziel: Entfernung von Antikörpern aus der Zirkulation
- Indikation
- Primäre Therapie
- Wenn gutes Ansprechen auf eine Apheresetherapie bei vorherigem Schub
- Bei Myelitis erwägen
- Eskalationstherapie (schnellstmöglich) bei unzureichender Remission unter Glucocorticoidtherapie
- Primäre Therapie
- Verfahren
- Plasmapherese (5–7 Zyklen, mit eintägiger Pause zwischen den Zyklen )
- Immunadsorption (5–7 Zyklen)
- Hinweise
- Beide Verfahren vergleichbar wirksam
- Wirksamkeit unabhängig vom Antikörper-Status
- Ggf. Wiederholung bei unzureichender Remission
Langzeittherapie [7][9]
- Beginn: Schnellstmöglich nach Diagnosesicherung
- Dauer: Möglichst dauerhaft
- Hinweise
- Vor immunsuppressiver Therapie
- Überprüfung des Impfstatus gemäß STIKO-Empfehlungen und bedarfsgerechte Impfungen
- Diagnostik auf Infektionserkrankungen (z.B. Hepatitis, Tuberkulose, HIV)
- Beginn oder Wechsel einer Immuntherapie: Zusätzlich überlappende Gabe oraler Steroide über 3–6 Monate
- Bei nicht-tolerierbaren Unverträglichkeiten oder UAW: Wechsel auf andere Therapie (nach Abklingen der UAW)
- Bei Schüben unter laufender Behandlung [9]
- Umstellung auf (anderes) Medikament der 1. Wahl
- Bei Anti-AQP4-AK-negativer NMOSD unter Behandlung mit Rituximab
- Umstellung auf Tocilizumab oder
- Kombination mit klassischem Immunsuppressivum
- Beachte notwendige Vor-, Begleit- und ggf. Nachuntersuchungen (sowie Besonderheiten bei der Umstellung von anderen Therapien) [7]
- Viele der Wirkstoffe als Off-Label Use
- Beachtung der entsprechenden Aufklärungs- und Dokumentationspflichten
- Nicht umstellen, wenn Verlauf stabil und Verträglichkeit gut
- Vor immunsuppressiver Therapie
NMOSD - initiale Therapieauswahl [9] | ||
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Anti-AQP4-AK positiv | Anti-AQP4-AK negativ | |
1. Wahl |
|
|
2. Wahl (alle Off-Label Use) |
|
|
Die bei Multipler Sklerose angewandten verlaufsmodifizierenden Therapien sind bei NMOSD nicht wirksam oder können die Erkrankung verschlechtern (gilt bspw. für Interferon-β, Natalizumab, Alemtuzumab und Fingolimod)!
Prognose
- Häufig inkomplette Remission nach Schüben [20]
- Optikusneuritis: I.d.R. inkomplette Remission
- Myelitis: 75% inkomplette Remission nach erstem Schub
- Schnellere Behinderungsakkumulation als bei MS
- NMOSD-assoziierte Mortalität: Insb. aufgrund respiratorischer Insuffizienz
- Schwangerschaft: Erhöhte Rate an Fehlgeburten und Präeklampsie [21]
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- G36.-: Sonstige akute disseminierte Demyelinisation
- Exklusive: Postinfektiöse Enzephalitis und Enzephalomyelitis o.n.A. (G04.8)
- G36.0: Neuromyelitis optica [Devic-Krankheit]
- Demyelinisation bei Neuritis nervi optici
- Exklusive: Neuritis nervi optici o.n.A. (H46)
- G36.1: Akute und subakute hämorrhagische Leukoenzephalitis [Hurst]
- G36.8: Sonstige näher bezeichnete akute disseminierte Demyelinisation
- G36.9: Akute disseminierte Demyelinisation, nicht näher bezeichnet
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.