Zusammenfassung
Das Narkosegerät ist zentraler Bestandteil des anästhesiologischen Arbeitsplatzes und hat sich im Laufe der Zeit von einem einfachen medizintechnischen Gerät zu einem komplexen System weiterentwickelt. Neben dem Narkosesystem im engeren Sinne, über welches die Dosierung von Frischgas und Inhalationsanästhetika geregelt wird, beinhalten Narkosegeräte auch Komponenten zur maschinellen Beatmung sowie Vorrichtungen zur apparativen Überwachung.
Die Systematik der Narkosesysteme erleichtert das Grundverständnis der Ströme von Frischgas und Inhalationsanästhetika. Handelsübliche Narkosegeräte basieren auf einem halbgeschlossenen System, während offene und halboffene Systeme im klinischen Alltag kaum noch genutzt werden. Geschlossene Narkosesysteme schonen durch die komplette Rückatmung von Inhalationsanästhetika zwar Ressourcen und verursachen die geringsten Emissionen, sind jedoch nicht in der Breite etabliert.
Zur Prüfung von Narkosegeräten sind der Gerätecheck nach MPBetreibV mind. alle 24 h und der Kurzcheck des Narkosegerätes vor jeder Narkose verpflichtend.
Aufbau des Narkosegerätes
Funktionen eines Narkosegerätes [1]
- Maschinelle Beatmung, siehe:
- Dosierung des Frischgasflusses
- Dosierung von Inhalationsanästhetika, siehe MAC-Wert
- Apparative Überwachung, siehe auch: Kontrollparameter am Beatmungsgerät
Bestandteile eines Narkosegerätes [2]
Anschluss zur Gasversorgung
- Funktion: Zufuhr von Sauerstoff und Druckluft (sowie ggf. von Lachgas)
- Mögliche Quellen: Zentrale Gasversorgung (Wandanschluss) oder Gaszylinder
- Sicherheitsmaßnahmen zur Reduktion einer Verwechslungsgefahr
- Unterschiedliche Kupplungen für jeweilige Wandanschlüsse
- Beschriftung der Leitungen
- Farbkodierung (nach ISO 32) [3]
- Sauerstoff = Weiß
- Druckluft = Schwarz
- Lachgas = Blau
- Vakuum = Gelb
- Absaugung = Magenta
Rotameter [2]
- Funktion: Messung des Gasflusses zwischen Gasquelle und Patient:in
- Aufbau
- Transparente Röhre
- Gaseinlassventil mit Drehregler
- Geeichte Skala (L/min)
- Schwimmer
Narkosegasverdampfer (Vapor) [2]
- Funktion: Überführung eines flüssigen Inhalationsanästhetikums in den gasförmigen Zustand
- Aufbau: Spezifischer Vapor für jedes Inhalationsanästhetikum
- Prinzip
- Venturi-Prinzip (Vergaser)
- Bypass-Prinzip (Flow-Verdampfer)
- Sonderfall: Desfluran
- Farbkodierung
- Isofluran = Violett
- Desfluran = Blau
- Sevofluran = Gelb
Reservoirbeutel [2]
- Funktion
- Ausgleich eines wechselnden Frischgasbedarfs
- Umstieg auf manuelle Beatmung
- Beutelbewegung als Indikator möglicher Probleme
- Prinzip
- Speicherung von Frischgas während der Exspiration
- Rückatmung (auch bei vermehrtem Frischgasbedarf) in der Inspiration
Atemschläuche [2]
- Funktion: Transport von Inspirations- und Exspirationsluft
- Prinzip
- Luftwiderstand gering halten durch
- Möglichst kurze und weite Atemschläuche
- Vermeidung von Abknickungen
- Ähnliche Durchmesser an Schlauchübergängen
- Anteil am funktionellen Totraum beachten
- Luftwiderstand gering halten durch
Y-Stück
- Funktion: Verbindung zwischen Endotrachealtubus und Beatmungsgerät
- Aufbau: Tubusansatz bildet das eine Ende des „Y“, Inspirations- und Exspirationsschenkel die beiden anderen Enden
Atemventile [2]
- Funktionen
- Nichtrückatmungsventile (bspw. Ambu-Ventil): Verhindern die Rückatmung von Exspirationsluft in halboffenen Narkosesystemen
- Überdruckventile: Verhindern eine Überblähung in halbgeschlossenen Narkosesystemen
- Richtungsventile : Lenken Gasstrom in eine bestimmte Richtung
- Inspirationsventil: Richtungsventil im Inspirationsschenkel halbgeschlossener Narkosesysteme (zwischen Beatmungsgerät und Patient:in)
- Öffnet durch steigenden Druck vor dem Ventil (maschinelle Beatmung) oder Unterdruck im Y-Stück (Spontanatmung)
- Schließt bei steigendem Druck im Y-Stück
- Exspirationsventil: Richtungsventil im Exspirationsschenkel halbgeschlossener Narkosesysteme (zwischen Patient:in und Beatmungsgerät)
- Öffnet bei steigendem Druck vor dem Ventil im Y-Stück
- Schließt bei sinkendem Druck (maschinelle Beatmung) oder Unterdruck (Spontanatmung) im Y-Stück
- Inspirationsventil: Richtungsventil im Inspirationsschenkel halbgeschlossener Narkosesysteme (zwischen Beatmungsgerät und Patient:in)
CO2-Absorber [2][4]
- Funktion: Elimination von CO2 vor der Rückatmung
- Einsatz: Bei allen halbgeschlossenen und geschlossenen Narkosesystemen
- Aufbau
- Stabiler Behälter, bspw. aus transparentem Kunststoff, Glas oder Metall
- Füllung mit sog. Atemkalk
- Einbau ins Kreissystem
- Prinzip: Neutralisation von CO2 am Atemkalk
- Praktische Regeln zur sicheren Nutzung von Atemkalk
- Rechtzeitiger Wechsel bei sichtbarer Erschöpfung, bspw.
- Inspiratorische CO2-Konzentration ≥4 mmHg
- Farbindikatorumschlag von ⅔ der Füllhöhe
- Vermeidung einer Austrocknung durch Beendigung der Frischgaszufuhr nach Nutzungsende („Stand-by“)
- Besonderheiten im Routinebetrieb
- Ablaufdatum auf Behälter notieren
- Regelmäßige Wechsel einplanen
- Besonderheiten bei selten genutzten Geräten
- CO2-Absorber ggf. erst unmittelbar vor Gebrauch befüllen
- Behälter nach Nutzung luftdicht verschließen
- Nach 2–3 Wochen Standzeit ggf. Verbrauch im Routinebetrieb
- Rechtzeitiger Wechsel bei sichtbarer Erschöpfung, bspw.
Der Farbumschlag des Atemkalks ist kein sicheres Zeichen für die Erschöpfung der CO2-Absorption und ersetzt nicht die Kontrolle der inspiratorischen CO2-Konzentration! [5]
Atemgasbefeuchter [2]
- Funktion: Ausgleich fehlender Befeuchtung der oberen Atemwege, insb. bei längerer Beatmungsdauer
- Ziel: Relative Luftfeuchtigkeit von 70–100% bei Temperaturen von 32–41 °C
- Anwendung: Verdampfer, Vernebler oder „feuchte Nase“ insb. bei Personen auf der Intensivstation
Respirator [6]
- Funktion: Steuerung und Antrieb der maschinellen Beatmung sowie Dosierung der Hubvolumina
- Aufbau: Bedienteil und Pneumatikteil
- Prinzip: Kolbenpumpe
Narkosesysteme
Funktionen moderner Narkosesysteme
- Anleitung, Anwärmen und Anfeuchten der Inspirationsluft
- Ableitung der Exspirationsluft
- An- und Ableitung des Inhalationsanästhetikums
Narkosesysteme stellen die Schnittstelle zwischen Atemwegen, Atemwegshilfen und Beatmungsgerät dar!
Systematik [2]
Die folgende Systematik dient v.a. dem Grundverständnis von Narkosesystemen. Während offene Systeme nur noch historischen Wert haben, besitzen heutzutage genutzte Narkosegeräte ein Kreissystem. Sie können dadurch je nach Einstellung als halboffenes, halbgeschlossenes oder geschlossenes System angewendet werden (nutzungsabhängige Klassifizierung). [1]
Systematik der Narkosesysteme | |||
---|---|---|---|
System | Aufnahme der Inspirationsluft | Abgabe der Exspirationsluft | |
Nichtrückatmungssysteme | Offenes Narkosesystem | Aus der Umgebungsluft | In die Umgebungsluft |
Halboffenes Narkosesystem | Aus dem Narkosesystem | ||
Rückatmungssysteme | Halbgeschlossenes Narkosesystem | Teilweise ins Narkosesystem | |
Geschlossenes Narkosesystem | Komplett ins Narkosesystem |
Offene Narkosesysteme
- Prinzip
- Inspirationsluft kommt direkt aus der Umgebungsluft (Mischung aus Umgebungsluft und Inhalationsanästhetikum)
- Exspirationsluft gelangt direkt in die Umgebungsluft
- Kein separater Inspirations- und Exspirationsschenkel
- Keine Rückatmung von Exspirationsluft
- Aufbau: Tropf-Maske aus Metallgeflecht mit einlegbarem Gazestück
- Vorteil: Extrem einfach durchzuführen
- Nachteile: Starke Belastung der Umgebungsluft mit Inhalationsanästhetikum, schlechte Steuerbarkeit der Narkose
- Verwendung: Nicht mehr gebräuchlich
Halboffene Narkosesysteme
- Prinzip
- Inspirationsluft wird gezielt aus dem Narkosesystem zugeführt (Mischung aus Frischgas und Inhalationsanästhetikum)
- Exspirationsluft gelangt indirekt in die Umgebungsluft
- Separater Inspirations- und Exspirationsschenkel
- Keine Rückatmung von Exspirationsluft
- Aufbau: Narkosegerät mit
- Rotameter
- Verdampfer
- Reservoirbeutel
- Nichtrückatmungsventil
- Vorteile
- Kein CO2-Absorber nötig (Rückatmung ausgeschlossen)
- Zusammensetzung der Inspirationsluft ist jederzeit bekannt und schnell anzupassen
- Nachteile
- Frischgasfluss entspricht dem Atemminutenvolumen (hoher Verbrauch von Frischgas und Inhalationsanästhetikum)
- Emission von Inhalationsanästhetika steigt entsprechend dem Frischgasfluss
- Feuchtigkeits- und Wärmeverlust
- Verwendung [7]
- Als Narkosesystem nicht mehr gebräuchlich
- Als reines Beatmungssystem noch üblich (bspw. für Transporte)
Halbgeschlossene Narkosesysteme
- Prinzip: Kreissystem
- Inspirationsluft wird gezielt aus dem Narkosesystem zugeführt (Mischung aus Frischgas, rückgeatmeter Exspirationsluft und Inhalationsanästhetikum)
- Exspirationsluft gelangt teils in das Narkosesystem, teils in die Umgebungsluft
- Separater Inspirations- und Exspirationsschenkel
- Partielle Rückatmung von Exspirationsluft
- Aufbau: Enthält alle Bestandteile eines Narkosegerätes
- Vorteile
- Relativ geringer Verbrauch von Frischgas und Inhalationsanästhetika (je niedriger der Flow, desto preisgünstiger die Narkose)
- Emission von Inhalationsanästhetika bei niedrigem Frischgasflow gering
- Befeuchtung bzw. Anwärmung der Inspirationsluft möglich
- Nachteil: CO2-Rückatmung theoretisch möglich
- Verwendung: Alle gängigen Narkosegeräte
Geschlossene Narkosesysteme
- Prinzip: Kreissystem ohne Verbindung zur Umgebungsluft
- Inspirationsluft wird gezielt zugeführt aus dem Narkosesystem (Mischung aus Frischgas, rückgeatmeter Exspirationsluft und Inhalationsanästhetikum)
- Exspirationsluft gelangt vollständig in das Narkosesystem
- Separater Inspirations- und Exspirationsschenkel
- Komplette Rückatmung von Exspirationsluft
- Aufbau: Enthält alle Bestandteile eines Narkosegerätes
- Vorteile
- Extrem geringer Verbrauch von Frischgas und Inhalationsanästhetika
- (Theoretisch) keine Emission von Inhalationsanästhetika
- Kaum Feuchtigkeits- und Wärmeverluste
- Nachteil: Schwierigere Narkoseführung
- Verwendung: Selten
- Teilweise mit handelsüblichen Narkosegeräten durchführbar
- Sog. quantitative Anästhesie nur mit speziellen Narkosegeräten möglich (bspw. Physioflex® oder Zeus®) [2]
Niedrigflussnarkose
Charakteristika der Niedrigflussnarkose [2] | |||
---|---|---|---|
Art der Anästhesie | Frischgasfluss | Rückatmung | Narkosesystem |
Low-Flow-Anästhesie |
|
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Minimal-Flow-Anästhesie |
|
| |
Quantitative Anästhesie |
|
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Gerätecheck
Die aktualisierte Empfehlung der DGAI von 2019 enthält nur noch zwei Tests zur Prüfung des Narkosegerätes.
Funktionsprüfung gemäß Medizinprodukte-Betreiberverordnung („Gerätecheck nach MPBetreibV")
- Indikation: „Routinemäßig“ 1×/Woche , immer bei
- Geplanter Inbetriebnahme mit Anschluss von Personen, wenn letzter Gerätecheck vor >24 h erfolgte (Ausnahme: Notfall )
- Anzeige einer entsprechenden Meldung am Narkosegerät
- Manipulation am Narkosegerät
- Ziel: Funktionsprüfung des Narkosegerätes und Sicherstellen eines regelrechten Zustands
- Durchführung
- Sichtprüfung des Narkosegerätes
- Sichtbare Schäden? Prüfsiegel?
- Zuleitungen und Anschlüsse verbunden? Ggf. Gasflaschen vorhanden?
- Atemschläuche , Handbeatmungsbeutel, Probengasleitung regelrecht?
- Narkosegerät einschalten
- Prüfung der Komponenten
- Zusätzlicher Handbeatmungsbeutel vorhanden und einsatzbereit?
- Gase: Zentralversorgungsdrücke, Flaschendrücke (falls vorhanden), Sauerstoff-Flush?
- CO2-Absorber: Farbveränderung, Befülldatum, korrekte Position?
- Vapor (Anästhesiegasverdampfer): Füllstand, Nullstellung, korrekte Position, Füllöffnung geschlossen, ggf. Stromversorgung angeschlossen?
- Absaugung: Funktionalität prüfen, Komponenten sauber?
- Automatischen Selbsttest durchführen
- Alternativ manuelle Prüfung durchführen
- Gasdosierung: Gasfluss, ggf. Sauerstoff-Verhältnisregelung prüfen
- Dichtigkeit des Atemsystems bei 30 mbar prüfen (Ziel: Leckage <150 mL/min)
- Handbeatmung an „Testlunge“ prüfen (APL-Ventil, Ventilfunktion, richtiger Sitz der Atemschläuche)
- Ventilatorbeatmung an „Testlunge“ prüfen (Funktion, Dichtigkeit, Maximaldruck)
- Standardeinstellungen prüfen (bspw. Monitor, Einstellung der Grenzwerte)
- Sichtprüfung des Narkosegerätes
- Dauer: Etwa 10 min
- Verantwortung: Durchführung durch Anwender
- Dokumentation: Nicht zwingend erforderlich
- Voraussetzung: Sicherheitstechnische Kontrollen in festgelegtem Intervall durchgeführt
Kurzcheck des Narkosegerätes („Geräte-KURZcheck“)
- Indikation: Immer bei Anschluss von Personen an das Narkosegerät durchzuführen (auch im Notfall!)
- Ziel: Funktionsprüfung des Narkosegerätes
- Durchführung
- Vor Anschluss ans Narkosegerät
- Zusätzlicher Handbeatmungsbeutel vorhanden und einsatzbereit?
- Prüfung des Gasflusses mittels PaF-Test („Pressure- and Flow-Test“)
- Anschluss an Narkosegerät, einige manuelle Atemhübe verabreichen
- Prüfung der FiO2: Ausreichender Sauerstoffanteil im zugeführten Luft-Gas-Gemisch?
- Prüfung der Kapnometrie: Regelrechte Ventilation der Lunge?
- Grundeinstellungen vornehmen, maschinelle Beatmung starten, ggf. Parameter anpassen
- Vor Anschluss ans Narkosegerät
- Dauer: Etwa 10 s
- Verantwortung: Ärztliche Aufgabe, nicht delegierbar
- Dokumentation: Nicht zwingend erforderlich
- Voraussetzung: Bereits vor Inbetriebnahme wurde ein gründlicher Gerätecheck entsprechend der Medizinprodukte-Betreiberverordnung („MPBetreibV“) durchgeführt
Der Kurzcheck ist immer vor Anschluss einer Person an das Narkosegerät durch das ärztliche Personal durchzuführen!