Abstract
Die pathophysiologischen Grundlagen der KHK sowie das Akutmanagement beim akuten Koronarsyndrom werden in eigenen Kapiteln behandelt. In diesem Kapitel ist ausschließlich der ischämisch bedingte Myokardinfarkt in der Postakutsituation zu finden.
Die Klinik des akuten Myokardinfarktes geht charakteristischerweise mit einem akut einsetzenden, anhaltenden Thoraxschmerz mit Ausstrahlung in den linken Arm, den Hals und/oder das Epigastrium einher. Der Schmerz kann von Angstgefühlen, akuter Luftnot oder vegetativer Symptomatik begleitet sein. Außerdem wegweisend in der Diagnostik sind EKG-, Labor- und koronarangiografische Befunde.
Im Gegensatz zur Angina pectoris sind der Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) und der ST-Hebungsinfarkt (STEMI) durch einen Untergang von Herzmuskelgewebe charakterisiert. Dieser ist diagnostisch nachweisbar durch den Anstieg des Troponins über einen festgelegten Grenzwert. Zur Einschätzung des Ausmaßes der Schädigung dient die Bestimmung der Kreatinkinase (CK-MB).
Der STEMI ist gekennzeichnet durch signifikante ST-Hebungen in mind. 2 lokoregionär benachbarten EKG-Ableitungen. Wegen der deutlich höheren Mortalität und gravierender Verläufe muss ein ST-Hebungsinfarkt sofort koronarangiografiert werden. Ist dies nicht innerhalb von 120 min nach der Erstdiagnose möglich, sollte eine Thrombolyse durchgeführt werden. Beim NSTEMI kann die Koronar-Intervention abhängig von der klinischen Situation subakut früh-elektiv (2–72 h) durchgeführt werden.
Für das Notfallmanagement siehe: Akutes Koronarsyndrom - AMBOSS-SOP und bei ggf. vorhandener Schocksymptomatik Kardiogener Schock - AMBOSS-SOP.
Du möchtest diesen Artikel lieber hören als lesen? Wir haben ihn für dich im Rahmen unserer studentischen AMBOSS-Audio-Reihe vertont. Den Link findest du am Kapitelende in der Sektion “Tipps & Links".
Epidemiologie
- Inzidenz
- Lebenszeitprävalenz: 4,7% bei 40- bis 79-Jährigen [1]
- Mortalität [2][3]
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
Im Folgenden werden die möglichen Ursachen einer akuten myokardialen Ischämie mit resultierendem akutem Myokardinfarkt aufgelistet. [2]
Atherosklerotische Plaqueruptur mit Thrombosierung
- Für weitere Informationen siehe auch: Atherosklerose
Sauerstoffdefizit als Ursache eines Myokardinfarktes
Erhöhter myokardialer Sauerstoffbedarf
- Anhaltende Tachykardie
- Schwere arterielle Hypertonie (mit/ohne Linksherzhypertrophie)
- Hyperthyreose
Reduziertes myokardiales Sauerstoffangebot
- Koronarspasmen
- Prinzmetal-Angina
- Kokain-Intoxikation
- Überdosierung von Methylphenidat
- SAB
- Koronardissektion
-
Iatrogene/traumatische Koronardissektion
- Typischerweise nach Herzkatheteruntersuchung, teils auch deutlich verzögert im Verlauf
- Hochrasanztrauma mit Abscheren der Koronararterien bei Aufprall
- Spontane Koronardissektion [4]
- Definition: Nicht-traumatische, nicht-iatrogene Dissektion einer Koronararterie
- Pathophysiologie: Intima-Einriss der Gefäßwand oder Ruptur der Vasa vasorum → Entstehung eines falschen Lumens → Intramurale Hämatome → Kompression des arteriellen Lumens → Ischämie des zugehörigen Myokards → Akuter Myokardinfarkt
- Epidemiologie: Prävalenz
- 1–4% aller ACS
- 43% aller schwangerschaftsassoziierten akuten Myokardinfarkte
- Ätiologie
- Arteriopathische oder dysplastische Prädisposition (fibromuskuläre Dysplasie, Schwangerschaft, Hormontherapie, Marfan-Syndrom, Ehlers-Danlos-Syndrom)
- Systemische Inflammation (Kollagenosen, CED, Vaskulitiden)
- Intensiver körperlicher oder emotionaler Stress, intensives Valsalva-Manöver
- Aortendissektion
- Drogen
- 1-Jahres-Mortalitätsrate: 1–4%
-
Iatrogene/traumatische Koronardissektion
- Koronare Thromboembolie
- Anhaltende Bradykardie oder -arrhythmie (z.B. Bradyarrhythmia absoluta)
- Respiratorische Insuffizienz mit systemischem O2-Mangel
- Endotheliale Dysfunktion bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen
- Volumenmangel
- Polytrauma
- Akute Anämie
- Schock
Intervention oder Operation
Für andere (nicht-ischämische) Ursachen einer Myokardschädigung siehe auch: Differenzialdiagnosen des akuten Myokardinfarktes und Differenzialdiagnose Myokardschädigung
Klassifikation
Der Myokardinfarkt kann anhand von zwei Systemen klassifiziert werden: Aktuelle Leitlinien unterteilen anhand pathophysiologischer Begebenheiten den Myokardinfarkt in 5 Typen, wobei klinisch und prozedural eher die Unterscheidung zwischen STEMI und NSTEMI anhand der EKG-Befunde erfolgt (siehe auch: EKG bei Myokardinfarkt).
Übersicht
- Definition: Myokardschaden vs. akuter Myokardinfarkt
- Allgemeine Kriterien eines akuten Myokardinfarktes
- Klassifikation der Myokardinfarkt Typen 1–5
- Weitere Myokardinfarkt-Definitionen
Definition: Myokardschaden vs. akuter Myokardinfarkt [2][5][6]
Myokardschaden
- Definition: Erhöhung des Troponins über die 99. Perzentile des oberen Referenzwertes ohne diagnostischen Nachweis einer akuten myokardialen Ischämie
- Unterteilung
- Akuter Myokardschaden: Anstieg und/oder Abfall des Troponins
- Chronischer Myokardschaden: Persistierende Erhöhung des Troponins
Akuter Myokardinfarkt
- Definition: Myokardschädigung durch akute myokardiale Ischämie
Die akute myokardiale Ischämie als Ursache einer Myokardschädigung mit einer Troponindynamik ist Voraussetzung für die Diagnose eines akuten Myokardinfarktes!
Allgemeine Kriterien eines akuten Myokardinfarktes [2][5][6]
- Akuter Myokardschaden
- Erhöhung des Troponins mind. über die 99. Perzentile des oberen Referenzwertes sowie
- Anstieg und/oder Abfall bei sequenzieller Troponinbestimmung
- Zeichen einer myokardialen Ischämie
- Infarktspezifische Symptomatik und/oder
- Neue EKG-Veränderungen mit Anzeichen einer Ischämie (siehe auch: EKG bei Myokardinfarkt) und/oder
- Entwicklung pathologischer Q-Zacken und/oder
- Bildgebender Befund einer Ischämie (z.B. neue regionale Wandbewegungsabnormalität oder Vitalitätsverlust)
Klassifikation der Myokardinfarkt Typen 1–5 [2][5][6]
- Myokardinfarkt Typ 1: Atherosklerotische Plaqueruptur mit Koronarthrombus
- Myokardinfarkt Typ 2: Sauerstoffdefizit
- Myokardinfarkt Typ 3: Herztod
- Myokardinfarkt Typ 4: PCI-assoziiert
- Myokardinfarkt Typ 4a: Peri-interventionell
- Myokardinfarkt Typ 4b: Stent- oder Scaffold-Thrombose
- Myokardinfarkt Typ 4c: Restenose
- Myokardinfarkt Typ 5: Bypass-assoziiert
Myokardinfarkt Typ 1
- Definition: Akuter Myokardinfarkt mit Nachweis eines Koronarthrombus in der Angiografie oder auch Autopsie
Myokardinfarkt Typ 2
- Definition: Akuter Myokardinfarkt mit Nachweis eines Ungleichgewichtes zwischen Sauerstoffversorgung und -bedarf des Myokards
- Epidemiologie: Frauen häufiger betroffen
- Prognose: Ungünstiger als Typ 1
Myokardinfarkt Typ 3
- Definition: Plötzlicher Herztod infolge eines akuten Myokardinfarktes, bevor Troponin bestimmt werden konnte
- Infarktspezifische Symptomatik sowie
- Neue EKG-Veränderungen mit Anzeichen einer Ischämie (z.B. Kammerflimmern)
- Epidemiologie: Ca. 3–4% aller Myokardinfarkte
Myokardinfarkt Typ 4a
- Definition: Akuter Myokardinfarkt während oder unmittelbar nach einer PCI
- Zusätzliche notwendige Kriterien der Troponinerhöhung
- Erhöhung ≤48 h nach Eingriff
- Erhöhung um das ≥5-Fache über die 99. Perzentile des oberen Referenzwertes
- Erhöhung weniger als das 5-Fache: Isolierte Entwicklung pathologischer Q-Zacken ausreichend zur Diagnose eines Typs 4a
- Absolute Erhöhung um >20%, wenn die Werte vor Eingriff erhöht, aber stabil waren
- Zusätzliche mögliche Kriterien klinischer Zeichen einer Ischämie
Myokardinfarkt Typ 4b
- Definition: Nachweis einer Stent- oder Scaffold-Thrombose
- Akut: 0–24 h postinterventionell
- Subakut: >24 h bis 30 Tage postinterventionell
- Spät: >30 Tage bis 1 Jahr postinterventionell
- Sehr spät: >1 Jahr postinterventionell
Myokardinfarkt Typ 4c
- Definition: Nachweis einer In-Stent-Restenose oder Restenose nach Ballonangioplastie
- Ausmaß : Fokal, diffus oder komplex
Myokardinfarkt Typ 5
- Definition: Akuter Myokardinfarkt während oder unmittelbar nach (≤48 h) einer Bypass-Operation
- Zusätzliche notwendige Kriterien der Troponinerhöhung
- Erhöhung ≤48 h nach Eingriff
- Erhöhung um das ≥10-Fache über die 99. Perzentile des oberen Referenzwertes
- Isolierte Entwicklung pathologischer Q-Zacken ausreichend zur Diagnose eines Typs 5
- Absolute Erhöhung um >20%, wenn die Werte vor Eingriff erhöht, aber stabil waren
- Zusätzliche mögliche Kriterien klinischer Zeichen einer Ischämie
- Bypass-assoziierte Flusslimitation in der Angiografie (z.B. Koronardissektion, Okklusion, Thrombus oder Embolisation) und/oder
- Bypass-assoziierter Befund einer Okklusion, eines Thrombus oder einer Embolisation in der Autopsie
Änderungen im ST-Segment oder der T-Wellen sind auch durch epikardiale Schädigung nach Bypass-Operation möglich und nicht zwangsläufig Anzeichen einer Ischämie!
Auch andere kardiale und nicht-kardiale Eingriffe können das Myokard schädigen! Eine periprozedurale Troponinerhöhung darf aber nur bei Vorhandensein von Ischämiezeichen als Myokardinfarkt interpretiert werden!
Weitere Myokardinfarkt-Definitionen [2][5][6]
- Index-Myokardinfarkt: Erster Myokardinfarkt einer Person
- Re-Infarkt: Erneuter Myokardinfarkt innerhalb der ersten 28 Tage nach dem zuletzt stattgefundenen Myokardinfarkt
- Rezidivierender Myokardinfarkt: Erneuter Myokardinfarkt >28 Tage nach dem ersten Myokardinfarkt
MINOCA
- Definition: Myokardschädigung durch akute myokardiale Ischämie ohne angiografischen Nachweis einer Koronarstenose (≥50% Verschluss)
- Epidemiologie
- Prävalenz: 6–8% aller Myokardinfarkte
- Geschlechterverhältnis: ♀ > ♂
- Ätiologie: Unbekannt
Vorausgegangener oder stummer Myokardinfarkt [2]
- Epidemiologie
- 9–37% aller nicht-tödlichen Myokardinfarkte
- Häufig bei Menschen mit Diabetes mellitus
- Relevanz: Assoziation mit signifikant erhöhter Mortalität
- Diagnosekriterien
- Neu aufgetretene pathologische Q-Zacken (siehe: Diagnosekriterien: Pathologisches Q) und/oder
- Echokardiografischer Hinweis auf Vitalitätsverlust des Myokards (Wandbewegungsstörungen, verdickte oder ausgedünnte Myokardwand)
- Pathologische Befunde passend zu einem alten Myokardinfarkt
Pathophysiologie
- Häufigste Ursache: Atherosklerotische Plaqueruptur mit nachfolgender Thrombosierung
- Allgemeine Risikofaktoren für die Entstehung einer Atherosklerose → Instabile Plaques → Koronare Herzkrankheit → Plaqueruptur → Freisetzung inflammatorischer Zellen und thrombogener Faktoren → Thromboembolische Auflagerung → Absolute Koronarinsuffizienz durch komplette Gefäßokklusion → Myokardnekrose
- Grad der Stenose und klinischer Vorbefund
- Leicht- bis mittelgradige Stenose (30–50% des Gefäßdurchmessers ): Beschwerdefreiheit
- Höhergradige Stenose (≥70% des Gefäßdurchmessers): Angina pectoris
- Ausdehnung des Infarktareals
- STEMI = transmural
- NSTEMI = Innenschicht („letzte Wiese“)
90% aller Myokardinfarkte entstehen durch Faktoren einer ungesunden Lebensweise! [7]
Symptome/Klinik
- Akutsymptomatik
- Akut einsetzender, retrosternaler Schmerz oder nur „retrosternales Druckgefühl“
- Unspezifische vegetative Symptomatik (Übelkeit, Erbrechen)
- Schmerzcharakter
- Nicht bewegungsabhängig
- Nicht durch Druck induzierbar
- I.d.R. dumpf, drückend, beklemmend und anhaltend an Intensität
- Typische Beschreibungen durch Betroffene
- „Wie ein großer Stein auf der Brust“
- „Wie eine Schraubpresse“ um den Thorax
- „Als ob der BH viel zu eng sei“
- Schmerzausstrahlung
- Retrosternal > Linksthorakal > Linker Arm > Linke Schulter > Hals/Unterkiefer/Rücken > Epigastrium
- Auch Ausstrahlung in die rechte Körperhälfte möglich
- Vegetative Symptomatik: Schweißausbrüche, Übelkeit, Erbrechen, Unruhe, Todesangst
- Kardiogene Schocksymptomatik: Hypodyname Kreislaufsituation mit RR↓, HF↑, Dyspnoe, Blässe, Kaltschweißigkeit
- Sonderfälle
- Stummer Infarkt
- Insb. bei Menschen mit Diabetes mellitus aufgrund diabetischer Neuropathie
- Leitsymptom Brustschmerz kann vollständig fehlen
- Häufig Luftnot als Hauptsymptom
- Inferiorer Hinterwandinfarkt
- Epigastrische Schmerzen, die leicht mit einer Refluxösophagitis verwechselt werden
- Bradykardie bis zu AV-Block III°
- Stummer Infarkt
Insb. bei Frauen, Personen mit Diabetes mellitus und/oder chronischer Nierenerkrankung sowie älteren oder herzoperierten Menschen können andersartige, unspezifische Symptome (abdominelle Schmerzen, Übelkeit, zunehmende Luftnot) die Diagnose eines Myokardinfarktes erschweren!
Diagnostik
Akutmanagement
Für ausführliche Informationen zum Notfallmanagement des akuten Koronarsyndroms siehe auch:
Anamnese
- Einschätzung des Ischämie- und Blutungsrisikos!
- KHK-Risikofaktoren (siehe auch: Allgemeine Risikofaktoren für die Entstehung einer Arteriosklerose und Scores zur kardiovaskulären Risikoabschätzung)
- Familienanamnese
- Medikamentenanamnese
- Vorerkrankungen und Operationen
- Ggf. im Verlauf nochmals gezielte Anamnese bzgl. zwischenzeitlicher Ischämiesymptomatik zur Bestätigung der Diagnose
Körperliche Untersuchung
- Inspektion
- Zyanose, Blässe, Orthopnoe
- Kaltschweißigkeit, peripher kühle Extremitäten
- Verlängerte Rekapillarisationszeit (bei kardiogenem Schock)
- Zeichen der Herzinsuffizienz: Gestaute Jugularvenen bei Rechtsherzinsuffizienz, Unterschenkelödeme
- Auskultation
- Herz
- Mitralinsuffizienz: Bei Papillarmuskelabriss oder Ventrikeldilatation
- Holosystolikum: Bei Ventrikelperforation oder Ventrikelseptumperforation
- Diastolikum: Leises Diastolikum über Aortenklappe kann ein Hinweis auf Aortendissektion sein
- Lunge: Bilaterale basale feuchte Rasselgeräusche bei Lungenödem (siehe auch: Killip-Klassifikation)
- Herz
- Vorbefunde anfordern!
EKG und Monitoring [2]
- 12-Kanal-EKG
- Durchführung und Interpretation: Sofort, <10 min nach Erstkontakt!
- Wiederholung: Nach 6 und 12 h
- Ggf. Ableitung zusätzlicher Kanäle (z.B. bei V.a. Hinterwandinfarkt oder Rechtsherzinfarkt)
- Monitoring: Kontinuierliche Ableitung bis zur Intervention bzw. Ausschluss eines Myokardinfarktes
- Ggf. Wiederholung der EKG-Aufnahme zur Bestätigung der Diagnose
- Für ausführliche Informationen siehe: EKG bei Myokardinfarkt
Bei Patienten mit akutem Thoraxschmerz soll in der Notaufnahme innerhalb von 10 Minuten ein von einem qualifizierten Arzt befundetes 12-Kanal-EKG vorliegen! (DGIM - Klug entscheiden in der Notaufnahme)
Labordiagnostik
Troponinbestimmung [2][8]
- Durchführung: Mehrere Messungen zum Nachweis einer Dynamik
- 1. Messung: Bei Erstkontakt
- 2. Messung: Nach 3–6 h bzw. nach 1–3 h bei hochsensitiven Troponin-Assays
- Siehe auch: Algorithmen zum Ausschluss eines Myokardinfarktes
- Ggf. weitere Troponinbestimmung: Bspw. bei erneuter ischämischer Episode
- Bestimmung von Troponin T oder I
- Interpretation: Dynamik (Anstieg/Abfall) des Troponins entscheidend (Siehe auch: Allgemeine Kriterien eines akuten Myokardinfarktes)
- Assays [9][10][11]
- Bevorzugt hochsensitiver Troponinassay
- Höherer negativer Vorhersagewert für akuten Myokardinfarkt
- Frühere und sensitivere Erkennung des akuten Myokardinfarktes
- Quantitativer Marker der Herzmuskelzell-Schädigung
- Bevorzugt hochsensitiver Troponinassay
Die Blutentnahme für Serummarker sollte so früh wie möglich erfolgen, ohne dass dabei eine etwaige Reperfusionstherapie verzögert wird!
Weitere Laborparameter
- CK, CK-MB: Marker für Gesamtschaden des Myokards
- BNP oder NT-proBNP: Bei Symptomen einer Herzinsuffizienz bestimmen
- Myoglobin
- GOT, LDH
Weitere Laborparameter zur Diagnostik des akuten Koronarsyndroms | |||||
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Anstieg* | Maximum* | Normalisierung* | Charakteristika | ||
Biomarker | |||||
(Kardiales) Troponin T/I |
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Myoglobin |
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Enzyme | |||||
Kreatinkinase | CK-Gesamt |
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CK-MB |
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GOT (AST) |
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LDH1 und LDH2 (HBDH ) |
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*Anstieg, Maximum und Normalisierung der Werte jeweils in Stunden bzw. Tagen nach Beginn des Myokardinfarkts (bzw. Beginn der Symptomatik) |
Troponin ist der wichtigste Marker für einen akuten Myokardinfarkt! Die CK-MB korreliert mit der Infarktgröße!
Hyperglykämie-Management [2]
- Periinterventionelle Akutsituation
- BZ bestimmen → Ausgleich ggf. per Insulin in Akutsituation
- Metformin wegen Hyperlaktatämie vor Koronarangiografie und danach für 24 h pausieren
- Hypoglykämien vermeiden!
- Postinterventionell
- Retentionsparameter bestimmen → Für ≥3 Tage, da bei Menschen mit Diabetes mellitus und Kontrastmittelgabe die Wahrscheinlichkeit einer kontrastmittelinduzierten akuten Nierenschädigung deutlich erhöht ist
Bildgebende Diagnostik der Akutphase [2]
Koronarangiografie
- Indikationen: Diagnosesicherung sowie therapeutische Intervention
- STEMI → Primäre PCI so schnell wie möglich
- NSTEMI → Koronarangiografie innerhalb von 2–72 h
Echokardiografie
- Akut-Indikation
- Notfallmäßig bei Patient:innen mit kardiogenem Schock oder hämodynamischer Instabilität
- Differenzialdiagnostisch bei infarktspezifischer Symptomatik und nicht-aussagekräftigem EKG
- Echokardiografische, infarkttypische Befunde
- Frische, regionale Wandbewegungsstörungen (Lokalisation/Größe)
- Echokardiografische Differenzialdiagnosen: Aortendissektion, akute Rechtsherzbelastung bei Lungenembolie, Aortenstenose
- Postinterventionelle Echokardiografie
- Bestimmung der rechts- und linksventrikulären Pumpfunktion
- Darstellung möglicher Komplikationen eines akuten Myokardinfarktes
- Vorderwandaneurysma: Teils mit Ventrikelthrombus
- Klappeninsuffizienz durch ischämischen Abriss eines Papillarmuskels (meist an der Mitralklappe)
- Perikarderguss (Dressler-Syndrom bzw. iatrogenes Hämoperikard)
- Ventrikel-Ruptur: Selten, dann sofort Kardiochirurgie!
Bildgebende Diagnostik der Postakutphase (KHK-Diagnostik)
- Belastungs-EKG
- Bildgebende Diagnostik der KHK
- Stress-Echokardiografie
- Myokard-Perfusions-SPECT
- Kardio-CT mit Darstellung der Koronararterien
- Kardiale Magnetresonanztomografie
- FDG-PET bzw. Kombination von Myokard-Perfusions-SPECT und FDG-PET
- Ggf. auch zur Bestätigung der Diagnose (SPECT, PET, MRT)
EKG bei Myokardinfarkt
Übersicht
- Definitionen des STEMI und NSTEMI
- Infarktlokalisation in Abhängigkeit von EKG-Veränderungen
- Schematische Übersicht der betroffenen Ableitungen aller Myokardinfarktlokalisationen
- Zeichen eines älteren Myokardinfarktes
Definitionen des STEMI und NSTEMI [14][15]
Die allgemeinen Kriterien eines akuten Myokardinfarktes müssen erfüllt sein. Im EKG wird zwischen einem Nicht-ST-Hebungs-Myokardinfarkt und einem ST-Hebungs-Myokardinfarkt unterschieden:
STEMI [14][16]
Akuter Myokardinfarkt mit charakteristischen ST-Hebungen im EKG. Die ST-Hebungen beruhen auf der transmuralen Ausdehnung des Infarktes. Links- und Rechtsschenkelblöcke können ST-Hebungen maskieren und sind bei klinischem Verdacht im Zweifel oder bis zum Beweis des Gegenteils als STEMI zu werten.
- Infarktzeichen bei STEMI im Ruhe-EKG
- Signifikante ST-Hebungen
- In mind. zwei benachbarten Ableitungen ≥0,1 mV (= 1 mm vertikal), gemessen am J-Punkt
- Für ST-Hebungen in V2 und V3 gelten abweichende Grenzwerte
- Männer
- Alter <40 Jahre: ST-Hebungen ≥0,25 mV (= 2,5 mm vertikal)
- Alter ≥40 Jahre: ST-Hebungen ≥0,2 mV (= 2 mm vertikal)
- Frauen: ST-Hebungen ≥0,15 mV (= 1,5 mm vertikal)
- Männer
- Linksschenkelblock bzw. Rechtsschenkelblock: Können ST-Hebungen maskieren und sind bei klinischem Verdacht im Zweifel als STEMI zu werten (siehe auch: Sgarbossa-Kriterien)
- Modifizierte Sgarbossa-Kriterien: Ermöglichen Diagnose eines STEMI bei Linksschenkelblock [17]
- Ansatz: Konkordanz der ST-Streckenveränderungen
- Diagnose eines STEMI: Sobald eines der folgenden drei Kriterien positiv ausfällt
- Konkordante ST-Hebung ≥1 mm
- ST-Senkung ≥1 mm in V1–V3
- Diskordante exzessive ST-Hebung ≥25% vom S und ≥1 mm (bzw. ST-Streckenhebung ≥5 mm in Ableitungen mit einem negativen QRS-Komplex)
- Sgarbossa-Kriterien (Rechner)
- Modifizierte Sgarbossa-Kriterien: Ermöglichen Diagnose eines STEMI bei Linksschenkelblock [17]
- Zusätzlich ventrikuläres Schrittmachersystem: Kann ST-Hebungen durch LSB-artige EKG-Veränderungen maskieren
- Anwendung gleicher Kriterien wie beim Linksschenkelblock (siehe auch: Sgarbossa-Kriterien)
- Anwendung normaler Kriterien möglich, wenn intakte AV-Leitung: Nach Herabsetzung der Stimulationsfrequenz werden QRS-Komplexe sichtbar
- Ggf. weitere Zeichen bei vorhandenem Vergleichs-EKG: Neu aufgetretene Q-Zacken, R-Verluste oder ST-Streckenveränderungen bei gleicher Stimulation des Herzschrittmachers
- Schnelle Koronarangiografie zur Diagnosestellung
- Signifikante ST-Hebungen
Jeder symptomatische Linksschenkelblock wird insb. bei Vorliegen zusätzlicher diagnostischer Hinweise auf einen Myokardinfarkt bis zum Beweis des Gegenteils als Myokardinfarkt gewertet!
Infarktspezifische Symptomatik sowie entsprechende EKG-Befunde stellen bereits die Indikation zur Koronarangiografie. Diese sollte durch einen ausstehenden Troponinwert nicht verzögert werden!
Stadienhafter Verlauf des STEMI
Die EKG-Auffälligkeiten verändern sich im Verlauf eines Myokardinfarktes, sodass grobe Rückschlüsse auf das Alter des Infarktes möglich sind. Folgender Ablauf ist eher eine schematische Hilfe als ein Abbild der klinischen Wirklichkeit
- Frühstadium
- Zwischenstadium: Stadium 2
- ST-Strecke senkt sich zunehmend ab
- T-Inversion (terminale T-Negativierung)
- R-Verlust
-
Ausbildung einer pathologischen Q-Zacke („Pardee-Q“)
- siehe auch: Pathologisches Q
- Größte Spezifität bei:
- Q-Zacken in mehreren Ableitungen oder Ableitungsgruppen oder >0,04 s
- Q-Zacken in selben Ableitungen wie ST-Abweichungen oder T-Wellen-Veränderung
- Folgestadium bzw. chronisches Stadium: Stadium 3
- Persistente T-Inversion oder abgeflachte T-Welle
- Nicht vollständige Erholung der R-Zacke
- Persistierende, verbreiterte und vertiefte Q-Zacke (siehe auch: Pathologisches Q)
Das Vorhandensein eines pathologischen Q sollte die Entscheidung zur Reperfusion nicht notwendigerweise ändern!