Abstract
Beim Morbus Alzheimer handelt es sich um die häufigste Form der Demenz. Je nach Eintrittsalter unterscheidet man zwischen präseniler (vor 65 Jahren) und seniler (nach 65 Jahren) Demenz. Die Alzheimer-Demenz äußert sich durch Gedächtnisstörungen (wobei das Langzeitgedächtnis noch lange erhalten bleibt) sowie durch Werkzeug-, Orientierungs- und Wortfindungsstörungen. Die Betroffenen können die äußere Erscheinung meist lange aufrechterhalten. Histopathologisches Korrelat stellen die sog. „Amyloid-Plaques“ (aus Aβ-Protein) und Alzheimer-Fibrillen (aus Tau-Protein) dar. Es konnten mehrere verursachende Gendefekte sowie verschiedene Risikofaktoren ausfindig gemacht werden, die genaue Pathogenese ist jedoch unklar.
Neben Anamnese und körperlicher Untersuchung können diagnostische Hinweise durch neuropsychologische Testung, Liquordiagnostik und Bildgebung gewonnen werden. Zur Diagnosestellung ist der Ausschluss anderer Ursachen wichtig. Da eine kurative Therapie bisher nicht existiert, kann lediglich eine symptomatische Therapie mit Acetylcholinesterasehemmern oder NMDA-Antagonisten (Memantine) versucht werden. Die mittlere Überlebensdauer beträgt 8 Jahre.
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Epidemiologie
Ätiologie
- Bisher ungeklärt!
- Risikofaktoren
- Demenzerkrankungen und neurologische Erkrankungen bei Angehörigen ersten Grades
- Genotyp-Varianten des Apolipoprotein E4 (ApoE4)
- Protektive Faktoren
- Höherer Bildungsgrad
- Psychosoziale Aktivität
- Gendefekte/Mutationen
- Mutationsgene: Presenilin-1-Gen auf Chromosom 14, Presenilin-2-Gen auf Chromosom 1, Amyloid-Precursor-Protein auf Chromosom 21
- Genetische Varianten der Alzheimer-Demenz führen zu einem Auftreten vor dem 65. Lebensjahr
- Für eine Übersicht über die Alzheimer-Demenz vor dem 65. Lebensjahr siehe: Präsenile Alzheimer-Demenz [3]
- Familiäre Alzheimer-Krankheit
- Ca. 1% der Alzheimer-Patienten [4]
- Autosomal-dominante Vererbung
Pathophysiologie
Die folgenden Erscheinungen sind wesentliche Veränderungen im Gehirn von Patienten mit Alzheimer-Demenz. Ihre Ursachen oder Bedeutungen für den Verlauf der Krankheit sind noch unklar.
- Hirnatrophie/Synapsenverlust
- Insb. im parieto-temporalen und frontalen Kortex
- Verminderung cholinerger Innervation im Nucleus basalis Meynert
- Amyloidplaques
- Extrazelluläre Aβ-Plaques
- Bisher ist ungeklärt, ob die neurotoxischen Plaques selbst ursächlich sind oder „nur“ Resultat eines anderen Prozesses
- Neurofibrilläre Degeneration
- Intrazelluläre Konglomerate aus hyperphosphoryliertem Tau-Protein (Zytoskelettaggregate)
- Immunologische Veränderungen
- Hinweise auf Beteiligung aktivierter Mikrogliazellen
Histologie
- Amyloidablagerungen: Amyloide werden mit der Kongorot-Färbung (mit Polarisation) angefärbt
- Charakteristische histopathologische Trias
- Extrazellulär senile Plaques: Pathologische Ablagerung von β-Amyloidprotein
- Intrazelluläre Alzheimerfibrillen
- Amyloid-Angiopathie → Zerebrale Amyloidangiopathie: Einengung des Lumens und Bildung von Mikroaneurysmen → Intrazerebrale Blutungen
Symptome/Klinik
- Manifestationsalter: >65 Jahre
- Verlauf: Häufig wellenartig
- Anfangs schleichender, langsamer Progress → Geschwindigkeitszunahme in mittlerer Phase → in später Phase wieder langsamer Progress
- Manifestationsalter und Verlauf der präsenilen Form siehe: Präsenile Alzheimer-Demenz
Kognitive Symptome | Nicht-kognitive Symptome | |
---|---|---|
Frühsymptome |
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Spätsymptome |
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|
Bei Patienten mit Alzheimer-Krankheit bleiben das soziale Verhalten (z.B. Bekleidung, Pflege) und die Persönlichkeit lange erhalten (Fassade)!
Verlaufs- und Sonderformen
Präsenile Alzheimer-Demenz
- Selten, ca. 7% aller Alzheimer-Demenzen [5]
- Manifestationsalter: <65 Jahre
- Oft raschere Progredienz der Symptomatik
- Starke genetische Komponente
Gemischte Demenz
- Mischformen einer Alzheimer- mit einer vaskulären Demenz
Diagnostik
- Körperliche Untersuchung (inkl. vollständiger neurologischer Untersuchung)
- Typische Befunde siehe: Symptome der Alzheimer-Demenz
- Neuropsychologische Testung
- MMST und Uhrentest : Screening-Instrumente mit relativ hoher Sensitivität für die Alzheimer-Demenz
- CERAD-Testbatterie: Besonders etabliert zur detaillierten Erfassung kognitiver Defizite bei Alzheimer-Patienten
- Liquorpunktion
- Gesamt-Tauprotein↑
- Phospho-Tauprotein↑
- β-Amyloidproteine Aβ1–42↓ bzw. Quotient Aβ1–42/Aβ1–40↓ [6]
- Bildgebende Verfahren
- CT, MRT: Hirnatrophiezeichen , insb. Atrophie des Temporallappens und Hippocampus
- PET: Temporoparietaler Hypometabolismus
- Weitere Tests
- EEG: Verlangsamter Grundrhythmus, verlängerte Latenz in den evozierten Potenzialen
Diagnostische Kriterien
- Nach ICD-10
- Die Kriterien eines Demenzsyndroms müssen vorliegen (siehe: Diagnostik des Demenzsyndroms)
- Zusätzlich müssen zur Einordnung in die Alzheimer-Demenz als Unterform nach ICD-10 folgende Punkte erfüllt sein
- Gedächtnisstörung
- Mindestens eine weitere neurologische Teilleistungsschwäche
- Beeinträchtigung der sozialen Aktivität
- Schleichender Verlauf
- Ausschluss anderer Demenzursachen
- Nach ICD-11 siehe: ICD-11 (deutsche Entwurfsfassung) unter Tipps & Links
Differenzialdiagnosen
- Mild Cognitive Impairment
- Pseudodemenz bei Depression
- Delir
- Andere primäre Demenzformen
- Sekundäre Demenzsyndrome
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
Allgemeine Therapieempfehlungen bei Demenz
- Siehe
- Demenztherapie
- Schutz der Gesundheit Angehöriger von Demenzpatienten
- Sozialrechtliche Fragestellungen
Spezifische Therapieempfehlungen bei Morbus Alzheimer
Medikamentöse Therapie mit Antidementiva
- Indikation
- Leichtes und mittleres Stadium: Acetylcholinesterasehemmer (Donepezil, Galantamin, Rivastigmin)
- Mittleres und schweres Stadium: NMDA-Antagonist (Memantine) → Bei Demenzen konnten erhöhte Glutamatspiegel festgestellt werden → Durch Rezeptorblockade wird die glutamaterge Wirkung gesenkt
- Aber: Trotz Leitlinienempfehlung sollte hier eine kritische Bewertung von Vor- und Nachteilen stattfinden → „Shared Decision-Making“ mit Patient, Angehörigen und ggf. Betreuungsperson
- Zu beachten
- Bei guter Verträglichkeit sollte Aufdosierung bis zur Maximaldosis erfolgen
- Langsames Aufdosieren reduziert das Auftreten von Nebenwirkungen
- Keine Empfehlung bezüglich doppelter Therapie von Acetylcholinesterasehemmer plus Memantin
- Beim Fortschreiten der Krankheit in das schwere Stadium sollten Acetylcholinesterasehemmer nur abgesetzt werden, wenn die Verträglichkeit schlecht ist. Sonst droht eine Verschlechterung der Symptome
- Substanzen
- Acetylcholinesterasehemmer
- Rivastigmin
- Rivastigmin oral
- Rivastigmin-Pflaster
- Galantamin oral
- Donepezil oral
- Rivastigmin
- NMDA-Antagonist
- Memantin
- Acetylcholinesterasehemmer
- Häufige Nebenwirkungen
- Schwindel, Kopfschmerzen
-
Cholinerge Wirkung der Acetylcholinesterasehemmer
- Gastrointestinal: Übelkeit, Erbrechen, Appetitlosigkeit, Diarrhö, gastroduodenale Ulzera
- Kardial: Bradykarde Herzrhythmusstörungen, Synkopen [7]
- Rote-Hand-Brief zu Donepezil: Auftreten neuer unerwünschter Wirkungen (QTc-Verlängerung und ventrikuläre Tachykardie inkl. Torsade de Pointes, insb. bei Risikokonstellation ) erfordern EKG-Überwachung bei Bedarf [8]
Prognose
- Mittlere Überlebensdauer: Ca. 8 Jahre
- Todesursache: Meist Infektionen im Rahmen zunehmender Pflegebedürftigkeit (z.B. Pneumonien)
Patienteninformationen
Meditricks
In Kooperation mit Meditricks bieten wir durchdachte Merkhilfen an, mit denen du dir relevante Fakten optimal einprägen kannst. Dabei handelt es sich um animierte Videos und Erkundungsbilder, die auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend sind. Die Inhalte liegen meist in Lang- und Kurzfassung vor, enthalten Basis- sowie Expertenwissen und teilweise auch ein Quiz sowie eine Kurzwiederholung. Eine Übersicht aller Inhalte findest du im Kapitel „Meditricks“. Meditricks gibt es in unterschiedlichen Paketen – für genauere Informationen empfehlen wir einen Besuch im Shop.
Antidementiva
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2023
G30.-†: Alzheimer-Krankheit (F00.-*)
- Inklusive: Senile und präsenile Formen
- Exklusive: Senile Degeneration des Gehirns, anderenorts nicht klassifiziert (G31.1), Senile Demenz o.n.A. (F03), Senilität o.n.A. (R54)
- G30.0†: Alzheimer-Krankheit mit frühem Beginn (F00.0*)
- G30.1†: Alzheimer-Krankheit mit spätem Beginn (F00.1*)
- G30.8†: Sonstige Alzheimer-Krankheit (F00.2*)
- G30.9†: Alzheimer-Krankheit, nicht näher bezeichnet (F00.9*)
F00.-*: Demenz bei Alzheimer-Krankheit (G30.-†)
- F00.0*: Demenz bei Alzheimer-Krankheit, mit frühem Beginn (Typ 2) (G30.0†)
- Alzheimer-Krankheit, Typ 2
- Präsenile Demenz vom Alzheimer-Typ
- Primär degenerative Demenz vom Alzheimer-Typ, präseniler Beginn
- F00.1*: Demenz bei Alzheimer-Krankheit, mit spätem Beginn (Typ 1) (G30.1†)
- F00.2*: Demenz bei Alzheimer-Krankheit, atypische oder gemischte Form (G30.8†)
- Atypische Demenz vom Alzheimer-Typ
- F00.9*: Demenz bei Alzheimer-Krankheit, nicht näher bezeichnet (G30.9†)
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.
Studientelegramme zum Thema
Siehe: Studientelegramme zu demenziellen Erkrankungen
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