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Mit Blaulicht: Frau Lungo ruft wegen Luftnot die 112

Letzte Aktualisierung: 26.10.2023

Patientenvorstellungtoggle arrow icon

Dieser klinische Fall ist der zweite Fall einer Fallserie. Die Fälle können hintereinander oder unabhängig voneinander bearbeitet werden.

  1. Verdammt, ich atme nicht: Frau Lungo mit Atemnot in der Praxis
  2. Mit Blaulicht: Frau Lungo ruft wegen Luftnot die 112
  3. Frau Lungo ante portas: Mit Bluthusten in der Notaufnahme

Du bist Notärztin in einer ländlichen Region in Norddeutschland und auf der Feuerwehrwache wird heute am späten Nachmittag gegrillt. Leider klingelt wenige Minuten vor dem Essen dein Pieper. Die Meldung lautet „Luftnot, Birkenweg 37, klingeln bei Lungo“. Das Notarzteinsatzfahrzeug (NEF) mit dir und dem Notfallsanitäter hält an einer Wohnsiedlung mit Einfamilienhäusern, wo bereits ein Rettungswagen (RTW) steht, der vor euch eingetroffen ist. Der Notfallsanitäter fängt euch bereits an der Tür ab und führt dich und den Fahrer des NEF ins Haus.

Im Modus „Klinische Praxis“ erscheinen vertiefende Fragen und Informationen!

Differenzialdiagnosentoggle arrow icon

Im Wohnzimmer sitzt eine schwer atmende, ca. 50-jährige Patientin auf einem Stuhl, der Oberkörper ist leicht nach vorn gebeugt und die Arme sind auf den Oberschenkeln abgestützt. Die Rettungssanitäter der RTW-Besatzung haben bereits den Monitor angeschlossen.

Frage 1a: Welche Differenzialdiagnosen für eine akute Dyspnoe kennst du?

Frage 1b: Wie gehst du allgemein in dieser Notfallsituation vor?

Nutze gerne unsere Notizen-Funktion, um die Frage zunächst selbst zu beantworten und anschließend mit der untenstehenden Lösung abzugleichen!

Antwort 1atoggle arrow icon

Kardial

Respiratorisch

Metabolisch

Neurogen

  • Akute, beidseitige Zwerchfellparese

Psychogen

Weitere

Insb. bei Personen mit kardiovaskulären Risikofaktoren sollte im Rahmen einer akuten Dyspnoe auch immer an kardiale Ursachen gedacht werden!

Antwort 1btoggle arrow icon

Während in weniger akuten Situationen eine klassische Abarbeitung verschiedener Abläufe hilfreich ist , werden in Notfallsituationen hiervon abweichende Schritte angewandt. Zudem findet eine Parallelisierung der Maßnahmen statt.

  • Ersteindruck erheben
    • Zur Notfallsituation
    • Zur betroffenen Person
  • Vitalparameter einordnen, ggf. weitere Erhebung anordnen
  • Basismaßnahmen anordnen, bspw. Sauerstoffgabe
  • Fokussierte Anamnese erheben
    • Aktuelle Beschwerden und Begleitbeschwerden
    • Vorerkrankungen
    • Medikamenteneinnahme
    • Allergien
  • Fokussierte körperliche Untersuchung durchführen
    • Untersuchung von Herz und Lunge, inkl. Atemmuster, Thoraxbewegung und Auskultation
    • Untersuchung u.a. auf periphere Ödeme, gestaute Halsvenen

Insb. in Notfallsituationen kann ein schematisiertes Vorgehen helfen, die Kontrolle und den Überblick zu behalten!

Zusatzfragen

Welches Schema zur Anamnese eignet sich in Notfallsituationen?

Welche Begleitsymptome sollten abgefragt werden, um die Differenzialdiagnosen einzugrenzen?

Nach welchem Schema kann man in akuten Notfallsituationen allgemein vorgehen?

Wie genau geht man nach diesem Schema vor?

Die Patientin hat eine reduzierte periphere Sauerstoffsättigung. Wie ist der Normwert und wie kann die Reduktion der spO2 eingeteilt werden?

Diagnostiktoggle arrow icon

Fortsetzung Fallbericht

Frau Lungo hat eine ausgeprägte Sprechdyspnoe, sodass keine Befragung möglich ist. Die Patientin zeigt aber mit dem Arm auf einen Schrank, wo ihre Medikamente liegen. Außerdem hat sie ein anderes Medikament noch in der Hand, was sie gerade benutzt zu haben scheint.

In einer fokussierten körperlichen Untersuchung ergeben sich eine Atemfrequenz von 25/min und dieser auffällige Auskultationsbefund (siehe Video). Zusätzlich erhältst du das von dir zuvor angeordnete 12-Kanal-EKG.

Frage 2a: Wozu dient das EKG in dieser Situation? Befunde es!

Frage 2b: Welche Verdachtsdiagnose hast du und warum?

Frage 2c: Welche Basismaßnahmen ordnest du an bzw. wie gehst du weiter vor?

Antwort 2atoggle arrow icon

Das EKG dient dem Ausschluss bzw. der Eingrenzung von Differenzialdiagnosen (z.B. Herzrhythmusstörungen, ST-Hebungs-Myokardinfarkt).

Befundung

Interpretation

  • Es handelt sich um einen Normalbefund.

EKG-Normalbefund: Sinusrhythmus mit einer Frequenz von 60–90/min, Indifferenztyp, PQ-Zeit nicht verlängert, QRS nicht verbreitert, keine signifikanten ST-Strecken-Veränderungen, keine Erregungsrückbildungsstörungen!

Zusatzfragen: EKG-Quiz

Statt des Normalbefundes erhältst du folgende EKGs. Befunde sie und interpretiere den Befund!

  • EKG 1
    • Befund
    • Interpretation
  • EKG 2
    • Befund
    • Interpretation
  • EKG 3
    • Befund
    • Interpretation
  • EKG 4
    • Befund
    • Interpretation

Antwort 2btoggle arrow icon

Es besteht der Verdacht auf eine akute Exazerbation einer COPD (AECOPD). Hinweise sind:

  • Akute Dyspnoe mit Tachykardie und schwerer Hypoxie
  • Obstruktiver Auskultationsbefund
  • Medikamente, die für eine vorbestehende COPD sprechen
  • Kein sonstiger klinischer Hinweis auf andere Ursache (z.B. unauffälliges EKG, fehlende periphere Ödeme)

Ein Asthma bronchiale und eine COPD können insb. akut nicht immer sicher voneinander unterschieden werden!

Zusatzfragen

Wie wird eine Tachypnoe definiert?

Welche anderen Erkrankungen können einen obstruktiven Auskultationsbefund verursachen?

Wie wird die akute Exazerbation einer COPD definiert? [1]

Wodurch wird die AECOPD meist ausgelöst? [2]

Welche Beschwerden können hierbei neben der Atemnot und der respiratorischen Insuffizienz noch auftreten? [2]

Wie sind die Schweregrade der AECOPD definiert? [1]

Antwort 2ctoggle arrow icon

In der Notfallmedizin gibt es am Einsatzort zwei gegensätzliche Vorgehensweisen: „Stay and Play“ oder „Load and Go“!

Insb. bei akuten Zuständen, die sich rasch verschlechtern können, sollte jede einzelne Maßnahme abgewogen und die Betroffenen rasch in die Klinik transportiert werden!

Zusatzfragen

Welche Möglichkeiten der Sauerstoffgabe kennst du?

Warum sollte die Sauerstofftherapie bei COPD vorsichtig durchgeführt werden? [2]

Was ist bei der NIV im Rahmen einer COPD zu beachten?

Warum wird in dieser Situation Morphin verabreicht?

Welche weiteren systemischen Medikamente können zur Behandlung der Dyspnoe in diesem Fall eingesetzt werden? [1]

Warum ist bei der Flüssigkeitsgabe in dieser Situation Vorsicht geboten? [1]

Transport und Notaufnahmetoggle arrow icon

Fortsetzung Fallbericht

Während des Transports erhält die Patientin noch einmal 2 mg Morphin. Sie wird unter der Therapie (Morphin-, Sauerstoffgabe, Inhalationen) zunehmend ruhiger. Die Fahrt dauert ca. 20 min und sie berichtet währenddessen von einer bekannten COPD und der seit wenigen Tagen zunehmenden Luftnot.

Du bist nun diensthabende:r Assistenzärztin/-arzt in der Notaufnahme einer nahegelegenen Klinik. Frau Lungo wird mit dem V.a. auf eine AECOPD an dich übergeben, während bereits die Basislabordiagnostik und die arterielle BGA abgenommen werden. Das Gerät für die BGA steht in der Notaufnahme, sodass du den Befund direkt erhältst.

Arterielle Blutgasanalyse
Parameter Befund Referenzbereich
Natrium 142 mmol/L 135–145 mmol/L
Kalium 3,8 mmol/L 3,6–4,8 mmol/L
Ionisiertes Calcium 1,20 mmol/L 1,14–1,28 mmol/L
Glucose 146 mg/dL 74–109 mg/dL
Lactat 1,13 mmol/L 0,5–2,2 mmol/L
Hämoglobin 12,0 g/dL 12,0–16 g/dL
Methämoglobin 1,0% <1%
pH 7,34 7,38–7,46
BE 9,5 mmol/L -3,5–2 mmol/L
pCO2 67,4 mmHg 30,8–42,0 mmHg
pO2 61,5 mmHg 69,8–110,3 mmHg
Bicarbonat 35,3 mmol/L 20,4–26 mmol/L

Frage 3a: Wie interpretierst du den BGA-Befund?

Frage 3b: Welche weiteren diagnostischen Maßnahmen sollten in der Notaufnahme durchgeführt werden?

Antwort 3atoggle arrow icon

Beurteilung einer BGA

  • Beurteilung der Verschiebungen des Säuren-Basen-Haushaltes
    • Betrachtung des pH
    • Betrachtung pCO2 (Säure, respiratorisch) und HCO3 (Base, metabolisch) zur Ursachenklärung: Veränderung eines dieser Parameter erklärt die pH-Verschiebung und damit die Genese
    • Kompensation: Die Kompensation erfolgt immer im nicht ursächlichen Schenkel, d.h.: Respiratorische Genese → Metabolische Kompensation (und umgekehrt)
    • Gemischte/kombinierte Störungen: Sind sowohl pCO2 als auch HCO3 in Richtung Azidose (pCO2↑ und HCO3↓) bzw. Alkalose (pCO2↓ und HCO3↑) verändert, handelt es sich um eine kombinierte respiratorische und metabolische Störung
Verschiebungen des Säure-Basen-Haushaltes: Alkalose und Azidose
Respiratorische Azidose Respiratorische Alkalose Metabolische Azidose Metabolische Alkalose
pH*
pCO2 n/↓ (Kompensation) n/↑ (Kompensation)
HCO3 n/↑ (Kompensation) n/↓ (Kompensation)
Ursachen Hypoventilation Hyperventilation Hypoxämie, Niereninsuffizienz, Hypovolämie (z.B. durch Blutverlust) u.a. Erbrechen (Magensaftverlust), Hyperaldosteronismus u.a.
*Bei einer kompletten Kompensation kann der pH auch normwertig sein. Man spricht dennoch von einer kompensierten Alkalose bzw. Azidose.

Zusatzfragen

Welcher klinische Test kann vor Punktion der A. radialis zur Entnahme einer arteriellen BGA durchgeführt werden?

Wie wird eine arterielle BGA entnommen?

Was ist die Anionenlücke und wie wird sie berechnet?

Wozu dient die Anionenlücke?

Antwort 3btoggle arrow icon

Zusatzfrage

Ist eine Sputumdiagnostik in dieser Situation indiziert? [1]

Therapietoggle arrow icon

Fortsetzung Fallbericht

Frau Lungo hat unter Sauerstoffgabe über die Nasenbrille mit 2 L/min keine Dyspnoe mehr. Sie soll nun auf die internistische Normalstation verlegt werden; dort ist jedoch erst einige Stunden später ein Bett frei. Bis dahin erhältst du folgende Befunde:

Venöse Blutentnahme
Parameter Befund Referenzbereich
Blutbild Hb 11,5 g/dL 12–15 g/dL
Hk 31% 33–43%
Erythrozyten 3,5/pL 3,5–5,0/pL
Leukozyten 13.300/μL 4.000–10.000/μL
Thrombozyten 340.000/μL 150.000–400.000/μL
Klinische Chemie Natrium 140 mmol/L 135–145 mmol/L
Kalium 3,6 mmol/L 3,6–5,2 mmol/L
Kreatinin 0,6 mg/dL <0,9 mg/dL
GPT 35 U/L ≤35 U/L
GOT 29 U/L ≤30 U/L
γGT 33 U/L <38 U/L
Eiweiß 69 g/L 65–85 g/L
CRP 115 mg/L <5 mg/L
Procalcitonin 0,05 μg/L <0,1 μg/L
Gerinnung Quick (INR) 97% (1,0) 70–130% (0,8–1,2)

Frage 4a: Der Oberarzt der Notaufnahme fragt dich nach den Befunden: Beschreibe die Laborbefunde und den mikrobiologischen Befund und interpretiere sie!

Frage 4b: Welche Anordnungen machst du für die Normalstation?

Antwort 4atoggle arrow icon

Die häufigste Ursache für eine AECOPD sind virale Infektionen! [1]

Viral ausgelöste Exazerbationen haben gegenüber bakteriell ausgelösten meist einen längeren und schwereren Verlauf! [1]

Zusatzfragen

Welche Ursachen (außer Infektionen) können das CRP erhöhen?

Welche Laborparameter sprechen eher für eine virale bzw. eher für eine bakterielle Ursache?

Welche weiteren Laborparameter könnten zur Abklärung einer Anämie bestimmt werden?

Antwort 4btoggle arrow icon

Personen mit AECOPD sollten eine Glucocorticoid-Stoßtherapie über 5 Tage mit max. 50 mg Prednisolonäquivalent/Tag erhalten! [1]

Wenn Inhalatoren neu verschrieben werden, sollten die Patient:innen vor der ersten Nutzung immer angeleitet werden!

Zusatzfragen

Wann sind Antibiotika bei einer Exazerbation einer COPD indiziert?

Falls ein Antibiotikum verschrieben wird, was wird empfohlen?

Welche Nebenwirkungen können unter einer akuten Glucocorticoidtherapie auftreten? Welche Anordnungen sollten daher vorgenommen werden?

Stationäre Behandlungtoggle arrow icon

Fortsetzung Fallbericht

Frau Lungo hat sich unter den regelmäßigen Inhalationen und der Glucocorticoidtherapie innerhalb weniger Tage erholt und geht täglich spazieren. Während des stationären Aufenthalts gibt die Patientin an, noch eine KHK mit Z.n. Stenteinlage vor wenigen Jahren zu haben.

Frage 5a: Welche weiteren Maßnahmen und Untersuchungen solltest du nach einer AECOPD anmelden bzw. durchführen?

Antwort 5atoggle arrow icon

Einige Follow-up-Untersuchungen sollten 1–4 Wochen nach einer AECOPD durchgeführt werden: [1]

  • Absetzen der Medikamente für die Exazerbation (z.B. systemische Glucocorticoide)
  • Ggf. inhalative Dauertherapie der COPD optimieren und Inhalationstechnik überprüfen
  • Vormedikation für die Komorbiditäten prüfen und optimieren
  • Evaluation der klinischen Situation inkl. der Komorbiditäten
  • Indikation für eine Langzeitsauerstofftherapie (LTOT) prüfen
  • Ggf. Lungenfunktionsdiagnostik durchführen
  • Ggf. Indikation/Möglichkeit für eine Rehabilitationsmaßnahme prüfen

Komorbiditäten von Personen mit COPD sollten diagnostiziert und optimal behandelt werden![1]

Die Mehrzahl der Patient:innen verstirbt nicht an der COPD, sondern an kardiovaskulären Erkrankungen und am Lungenkarzinom! [1]

Zusatzfragen

Welche Komorbiditäten sind mit der COPD assoziiert? [1]

Warum kann eine Langzeitsauerstofftherapie (LTOT) sinnvoll sein? Was sind Indikationen?

Entlassungtoggle arrow icon

Fortsetzung Fallbericht

Die Untersuchungen im Verlauf des stationären Aufenthalts (u.a. Echokardiografie) ergeben keine auffälligen Befunde, sodass Frau Lungo mit Brief entlassen werden kann. Zuvor fragt sie nach Informationsmaterial über ihre Erkrankung und du gibst ihr digitale Infos.

Oberärztlicher Kommentartoggle arrow icon

Die akute Exazerbation einer COPD (AECOPD) ist die häufigste Ursache für eine Krankenhausaufnahme bei Personen mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankungen. Sie treten insb. infektassoziiert auf (>80%), wobei virale Infektionen die häufigsten Auslöser sind.

Für die Therapie der AECOPD steht neben der optimierten COPD-Stufentherapie, einer Glucocorticoidstoßtherapie über 5–7 Tagen und regelmäßigen Inhalationen insb. die Optimierung der Dauermedikation sowie die Behandlung von kardiovaskulären Begleiterkrankungen im Vordergrund. Bei chronischer respiratorischer Insuffizienz kommt auch eine Langzeitsauerstofftherapie (LTOT) in Betracht.

Themen zum Vertiefen

Weitere Fälle

Dieser klinische Fall ist der zweite einer Fallserie aus drei Fällen. Die Fälle können hintereinander oder unabhängig voneinander bearbeitet werden:

Quellentoggle arrow icon

  1. Nationale Versorgungsleitlinie COPD (2. Auflage) 2021.Stand: 25. Juni 2021. Abgerufen am: 4. Juli 2022.
  2. Global Strategy for the Diagnosis, Management, and Prevention of Chronic Obstructive Lung Disease 2022 Report.Stand: 22. November 2021. Abgerufen am: 29. September 2022.

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