Zusammenfassung
Beim metabolischen Syndrom handelt es sich um einen kardiovaskulären Risikocluster bestehend aus stammbetonter Adipositas und zusätzlichen Faktoren wie Dyslipoproteinämie, Hypertonie und Glucosetoleranzstörung bzw. Diabetes mellitus Typ 2. Bei der Entstehung eines metabolischen Syndroms spielen hyperkalorische Ernährung und Bewegungsmangel eine wichtige Rolle und sind daher auch primärer therapeutischer Angriffspunkt. Sekundär werden Einzelkomponenten medikamentös behandelt.
Definition
Metabolisches Syndrom
- Kriterien der International Diabetes Federation (IDF, 2005)
- Zentrale (stammbetonte) Adipositas mit Taillenumfang von ≥80 cm (Frauen) bzw. ≥94 cm (Männer)
- Zusätzlich zwei der vier folgenden Faktoren
- Erhöhte Triglyceride: ≥150 mg/dL (>1,7 mmol/L)
-
Erniedrigtes HDL-Cholesterin
- Frauen: <50 mg/dL (<1,29 mmol/L)
- Männer: <40 mg/dL (<1,03 mmol/L)
-
Erhöhter Blutdruck
- Systolisch ≥130 mmHg oder
- Diastolisch ≥85 mmHg
- Nüchternblutzucker ≥100 mg/dL (≥5,6 mmol/L) oder Diabetes mellitus Typ 2
- Erweiterte Kriterien (keine Hauptkriterien): Hyperurikämie , gestörte Fibrinolyse, Albuminurie Grad A2, Hyperandrogenämie (bei Frauen)
Übergewicht und Adipositas
Bezeichnung | Body-Mass-Index (BMI, Quetelet-Index)* |
---|---|
Untergewicht | <18,5 |
Normalgewicht | 18,5–24,9 |
Übergewicht (Präadipositas) | 25,0–29,9 |
Adipositas Grad I | 30,0–34,9 |
Adipositas Grad II | 35,0–39,9 |
Adipositas Grad III (sog. Adipositas permagna) | ≥40 |
|
- Abdominale Adipositas: Taillenumfang von ≥88 cm (Frauen) bzw. ≥102 cm (Männer) [1]
BMI (Rechner)
Komplikationen der Adipositas
Es gibt zahlreiche Adipositas-assoziierte Erkrankungen, wobei der pathophysiologische Zusammenhang häufig noch nicht vollständig geklärt ist. Im Folgenden wird eine Auswahl vorgestellt.
- Mögliche Folgen [1]
- Insulinresistenz bzw. Diabetes mellitus Typ 2
- Dyslipoproteinämie (HDL↓; LDL↑; Hypertriglyceridämie)
- Hyperurikämie bzw. Gicht
- Störungen der Fibrinolyse
- Kardiovaskuläre Erkrankungen, bspw. KHK
- Demenz
-
Hormonelle Störungen
- ♀: Bspw. Hyperandrogenämie
- ♂: Bspw. Testosteronmangel
- Pulmonale Komplikationen, bspw. Schlafapnoe-Syndrom
- Degenerative Erkrankungen des Bewegungsapparates
- Karzinome, bspw.
Nicht-alkoholische Fettlebererkrankung
Definition und Prävalenz [2]
- Definition: Nicht-alkoholisch bedingte Verfettung (5–10% Fettanteil) der Leber mit Gefahr der Entzündung und Zirrhosebildung
- Epidemiologie (Prävalenz): Ca. 14–27% in Europa
Ätiologie [3]
- Metabolisches Syndrom
- Adipositas und/oder
- Diabetes mellitus Typ 2
- Medikamente, bspw.
- Parenterale Ernährung
- Zustand nach gastrointestinalen Eingriffen
- Genetische Erkrankungen inkl. Fettstoffwechselstörungen, bspw.
- Morbus Wilson
- Familiäre Hyperlipidämie
- Hypobetalipoproteinämie
- Lysosomale-saure-Lipase-Mangel (LAL-Mangel)
Klassifikation und Klinik
Die pathologischen und klinischen Stadien der nicht-alkoholischen Fettlebererkrankung sind mit denen der alkoholischen Fettlebererkrankung vergleichbar.
- Nicht-alkoholische Fettleber
- Klinik: Meist asymptomatisch, ggf. Oberbauchschmerzen
- Histologie: Klein- oder grobtropfige Verfettung
- Nicht-alkoholische Steatohepatitis (NASH)
- Klinik: Etwa 50% symptomatisch mit Leistungsminderung, Oberbauchbeschwerden
- Histologie: Inflammation, Ballonierung und Zelluntergang der Hepatozyten
- Leberzirrhose (eher selten )
Diagnostik [2][4][5]
- Anamnese
- Ausschluss eines Alkoholabusus
- Hepatotoxische Medikation
- Vorerkrankungen
- Labor
- Erhöhung von AST, ALT, γGT, Ferritin
- Ausschluss alkoholischer Genese
- Ausschluss sekundärer Formen
- Hepatitis B- und C-Serologie
- Caeruloplasmin im Serum sowie Kupfer im Sammelurin
- Ggf. Schwangerschaftstest
- Diagnostik eines metabolischen Syndroms
- HbA1C
- Nüchtern-Blutzucker
- OGTT
- Ggf. Blutzucker-Tagesprofil
- Lipidprofil
- Apparative Diagnostik
- Sono-Abdomen: Nachweis einer Steatose, ggf. Fibrose oder sogar Zirrhose
- Leber-Elastografie: Bei V.a. fibrotischen oder zirrhotischen Leberumbau
- Histopathologie: Sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung vor der Histologie!
- Nutzen: Unterscheidung der Steatohepatitis, Leberfibrose und Leberzirrhose
- Risiko
- Signifikante Komplikationen : Bei 1% der Leberpunktionen
- Letalität aller Leberpunktionen: 0,1%
- Diagnosekriterien
- Bildgebender oder histologischer Nachweis einer Lebersteatose
- Ausschluss einer sekundären Steatose (siehe auch: Ursachen einer sekundären Steatose)
- Ausschluss einer alkoholischen Genese
Zwischen alkoholischer und nicht-alkoholischer Fettlebererkrankung kann letztlich nur durch die Anamnese unterschieden werden!
Eine alkoholische Genese sollte auf jeden Fall ausgeschlossen werden!
Differenzialdiagnostik: Ursachen einer sekundären Lebersteatose
- Sekundäre Steatosis hepatis: Nicht durch Alkohol und nicht durch die definierten Auslöser einer NAFLD hervorgerufene Verfettung der Leber
- Morbus Wilson
- Hungerzustände, Essstörungen
- Langfristige parenterale Ernährung, Kurzdarmsyndrom
- Hepatitis C (insb. Genotyp III)
- Lipodystrophie
- A-β-Lipoproteinämie
- Reye-Syndrom
- Akute Schwangerschaftsfettleber
- Störungen des Cholesterinstoffwechsels
- Medikamenteninduziert
Therapie [2][4][5]
- Insb. Lebensstiländerung
- Bewegungssteigerung
- Gewichtsreduktion
- Diätetische Maßnahmen
- Optimierung der Diabetes-Behandlung
- Auslösende Medikamente absetzen
- Ggf. Ursodeoxycholsäure oder Vitamin E: Keine eindeutigen Daten zur Wirksamkeit
Verlaufskontrollen [6]
- Halbjährliche Kontrolle : Klinik, Labor, Sono-Abdomen zum HCC-Screening und ggf. AFP
- Ggf. Leberbiopsie nach Nutzen-Risiko-Abwägung bei V.a. Fortschreiten der NAFLD zur NASH oder zur Fettleberzirrhose
Prognose
- Prinzipiell reversibel
- Langsameres Fortschreiten als bei alkoholisch bedingter Fettleber
FIB-4-Score [7]
- Ausschluss einer fortgeschrittenen Leberfibrose bei Personen mit bekannter Lebererkrankung [8][9][10]
- Parameter: Alter und Laborwerte
- Einschränkungen: Aussagekraft bei Personen ≤35 Jahren eingeschränkt
- Anwendung auch möglich bei: Chronischer Hepatitis, alkoholischer Fettlebererkrankung, PBC, PSC, metabolischen Lebererkrankungen (insb. Hämochromatose und Morbus Wilson)
- Cut-off-Werte
- Personen von 36–64 Jahren
- FIB-4-Score <1,3: Fortgeschrittene Leberfibrose ausgeschlossen
- FIB-4-Score 1,3–2,67: Weitere Untersuchungen empfohlen (insb. Leber-Elastografie)
- FIB-4-Score >2,67: Fortgeschrittene Leberfibrose wahrscheinlich
- Personen ≥65 Jahre
- FIB-4-Score <2,0: Fortgeschrittene Leberfibrose ausgeschlossen
- FIB-4-Score 2,0–2,67: Weitere Untersuchungen empfohlen (insb. Leber-Elastografie)
- FIB-4-Score >2,67: Fortgeschrittene Leberfibrose wahrscheinlich
- Personen von 36–64 Jahren
FIB-4-Score (Rechner)
NAFLD-Fibrosis-Score [11]
- Abschätzung der Progression zur Fibrose
- Parameter: BMI, Diabetes, ASAT, ALAT, Thrombozyten, Albumin
- Positiver Vorhersagewert: 82–90%
- Negativer Vorhersagewert: 88–93%
- Details inkl. Rechner: Siehe [12] oder unter Tipps & Links
Therapie
- Allgemeine Maßnahmen zur gesunden Lebensführung
- Kalorienrestriktion, Ernährungsumstellung, körperliche Bewegung
- Eventuell Verhaltenstherapie oder Gruppentherapie
- Medikamentöse Behandlung der einzelnen Komponenten des metabolischen Syndroms
- Therapie der arteriellen Hypertonie
- Therapie des Diabetes mellitus
- Therapie der Dyslipidämie (z.B. Statine )
- Therapie der Adipositas
Therapie der Adipositas
- Basistherapie: Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie
- Medikamentöse Therapie: Ggf. ergänzend zur Basistherapie
- Orlistat: Hemmung der Fettresorption [13]
- GLP1-Analoga: Reduktion des Appetits
- Semaglutid bei Adipositas [14]
- Liraglutid bei Adipositas [15]
- Chirurgische Therapie: Bariatrische Chirurgie [16]
- Definition: Operative Verfahren mit dem Ziel, die Nahrungsaufnahme des Körpers zu reduzieren
- Indikation: Versagen der konservativen Therapiemaßnahmen bei Vorliegen einer Adipositas permagna
- Kontraindikation: Nicht-Einhalten von diätetischen Maßnahmen
- Ziel: Verbesserung von Komorbiditäten und Steigerung der Lebensqualität
- Verfahren
- Meiste Evidenz: Roux-Y-Magenbypass, Schlauchmagen
- Weitere effektive Verfahren: Omega-Loop-Magenbypass, biliopankreatische Diversion mit/ohne Duodenal Switch
Prävention
- Schulungen für Eltern und Kinder zur ausgewogenen Ernährung, „Empowerment“ (Programm zur Förderung von Körpergefühl und Bewegungsfreude) usw.
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- Bei Vorliegen eines „metabolischen Syndroms“ sind die vorliegenden Komponenten des Syndroms einzeln zu kodieren
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.