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Meilensteine der kindlichen Entwicklung

Letzte Aktualisierung: 11.11.2021

Abstracttoggle arrow icon

Die hohe Variabilität von Entwicklung und Wachstum von Kindern und Jugendlichen und ihre Abhängigkeit von äußeren Faktoren macht ihre Beurteilung sehr komplex. Daher haben Kinder und Jugendliche ein Recht auf regelmäßige Kindervorsorgeuntersuchungen zur Erfassung der körperlichen, geistigen und psychosozialen Entwicklung.

Informationen zu den U-Untersuchungen finden sich im Kapitel Kindervorsorgeuntersuchungen.

Neugeborenen- und Säuglingsreflexetoggle arrow icon

Reflex Auslösung Beginn des Reflexes Verschwinden des Reflexes
Schreitreaktion/Schreitreflex Der Säugling wird in aufrechter Position gehalten. Berühren die Füße die Oberfläche, führt dies zu einer reflektorischen Schreitbewegung. Geburt 3. Lebensmonat
Palmarer Greifreflex Berührung der Handinnenfläche führt zum Handschluss Geburt 3.–4. Lebensmonat

Moro-Reflex (Umklammerungsreflex)

Wenn das Kind überraschend in Rückenlage zurückgeneigt wird, breitet es die Arme aus, spreizt die Finger und öffnet den Mund. Anschließend führt es die Arme wieder zusammen und ballt die Hände zur Faust Geburt 4. Lebensmonat
Galant-Reflex Paravertebraler Reiz der Haut führt zu einer konkaven Bewegung der Wirbelsäule in Richtung des Stimulus Geburt 6. Lebensmonat
Symmetrisch-tonischer Nackenreflex Beugung des Kopfes (in Rückenlage) führt zur Beugung der Arme und Streckung der Beine; umgekehrte Reaktion bei Streckung des Kopfes Geburt 6. Lebensmonat
Asymmetrisch-tonischer Nackenreflex Durch passive Drehung des Kopfes in Rückenlage strecken sich die Extremitäten ipsilateral; kontralateral kommt es zur Beugung (sogenannte Fechterstellung) Geburt 6. Lebensmonat
Saugreflex Berührung der Lippen/perioralen Region führt zur Saugreaktion Geburt 6. Lebensmonat
Plantarer Greifreflex Berührung der Fußinnenfläche führt zu Zehenbeugung Geburt 8.–15. Lebensmonat
Babinski-Reflex Bestreichen der lateralen Fußsohle führt zu Dorsalextension der Großzehe mit Beugen und Spreizen der Kleinzehen Geburt 12. Lebensmonat
Landau-Reflex Das Kind wird bei Umgreifen des Thorax und Bauches in Bauchschwebelage gehalten. Der Säugling streckt die Beine und hebt den Kopf 4. Lebensmonat 18. Lebensmonat
Sprungbereitschaft Kind wird bei Umgreifen des Thorax und Bauches nach vorne gekippt. Reflektorisch werden die Arme zur Abstützung gestreckt 5. Lebensmonat bleibt

Meilensteine der Entwicklungtoggle arrow icon

Alter

Motorik

Das Kind kann …

Sprachentwicklung

Das Kind kann …

Sozialverhalten

Das Kind kann …

Neugeborenes
  • Kopf drehen, aber nicht kontrollieren
  • Seufzen
  • Schreien
  • Spontan lächeln
1 Monat
  • Gegenstände fixieren
  • Licht oder Gesichter fixieren
2 Monate
  • Kopf anheben in Bauchlage
  • Reaktive Laute bilden
  • Zurücklächeln (soziales Lächeln; ab 6 Wochen)
3 Monate
  • Kopf kontrollieren
  • Sich in Bauchlage auf die Unterarme stützen
  • Hände betrachten
  • Spontan vokalisieren
  • Sich Stimmen zuwenden
6 Monate
  • Gegenstände greifen und reichen
  • Sich in Bauchlage auf die Hände stützen
  • Sich aus Rückenlage auf die Seite drehen
  • Sitzen (hingesetzt) für kurze Zeit
  • Vokalisiert antworten
  • Plaudern
  • Laut lachen
9 Monate
  • Sich hinsetzen und frei sitzen
  • Sich zum Stehen hochziehen
  • Mit Unterstützung stehen
  • Kriechen
  • Scherengriff
  • Sprachlaute imitieren (5–9 Monate)
  • Fremdeln
12 Monate
  • Frei stehen
  • Pinzettengriff
  • „Mama“, „Papa“ sagen (9–12 Monate)
15 Monate
  • Frei laufen
  • Aus dem Glas trinken
  • Selbstständig essen
  • Passiver Wortschatz: 100–150 Wörter (12–18 Monate)
  • Aktiver Wortschatz: 20–30 Wörter (12–18 Monate)
  • Einwortsätze (12–18 Monate)
2 Jahre
  • Sicher laufen und Hindernisse umgehen
  • Kritzeln
  • Aktiver und passiver Wortschatz 50–200 Wörter (16–20 Monate)
  • „Wortschatzspurt“ (ab 18 Monaten)
  • Zwei- und Dreiwortsätze (18–24 Monate)
  • Händewaschen
  • „Nein!“ sagen
  • Um Hilfe bitten
  • Bilderbuch ansehen
3 Jahre
  • Dreirad fahren
  • Turm aus Klötzen bauen
  • Flasche auf- und zudrehen
  • Vor- und Nachnamen sagen
  • Singular und Plural richtig verwenden
  • Geschichten verstehen
  • Mit anderen Kindern spielen
  • Sich mit Hilfe anziehen
  • Tagsüber trocken sein, nachts teilweise
4 Jahre
  • Treppenlaufen
  • Erwachsenengriff
  • Selbst von Erlebnissen erzählen
  • Hinterfragen („Warum?“)
5 Jahre
  • Auf einem Bein hüpfen
  • Nahezu fehlerfrei sprechen
  • Sich selbstständig anziehen

Denver Entwicklungsskalen (Denver Developmental Screening Test)

  • Definition: Standardisierter Suchtest zur Früherkennung von Entwicklungsverzögerungen mit 105 Aufgaben. Der Test kann vom Kinderarzt im Rahmen von Kindervorsorgeuntersuchungen durchgeführt werden (orientierender Einblick in die kindliche Entwicklung)
  • Durchführung: Jederzeit zwischen dem 1. Lebensmonat und dem 6. Lebensjahr
  • Überprüfte Fähigkeiten
    • Grobmotorik: Kopf heben, sitzen, stehen, gehen, auf einem Bein stehen
    • Feinmotorik: Beweglichem Objekt mit den Augen folgen, Gegenstände greifen, Turm aus Klötzen bauen
    • Sprache: Sprachlaute imitieren, „Mama“, „Papa“ sagen, Bild benennen
    • Sozialer Kontakt: Lächeln, fremdeln, sich selbstständig an- und ausziehen

Gebissentwicklungtoggle arrow icon

Gebissaufbau

Aufbau des Milchgebisses

  • 20 Milchzähne: Je Quadrant 2 Schneidezähne, 1 Eckzahn, 2 Milchmolaren
  • Zahnschema des Milchgebisses
    • 1. Ziffer: Quadrantennummerierung (von rechts oben nach rechts unten): 5–8
    • 2. Ziffer: Zahnnummerierung (von mesial nach distal): 1–5
    • Beispiel für das Milchgebiss: 83 = rechter unterer Eckzahn

Aufbau des Dauergebisses

  • 32 Zähne: Je Quadrant 2 Schneidezähne, 1 Eckzahn, 2 Prämolaren, 3 Molaren
  • Zahnschema (nach der Fédération Dentaire Internationale) des Dauergebisses
    • 1. Ziffer: Quadrantennummerierung (von rechts oben nach rechts unten): 1–4
    • 2. Ziffer: Zahnnummerierung (von mesial nach distal): 1–8
    • Beispiel für das Dauergebiss: 13 = rechter oberer Eckzahn

Störungen des Gebissaufbaus

  • Zahnagenesie [1][2]
    • Definition: Kongenital fehlende Anlage eines Zahnes oder mehrerer Zähne des Milch- oder Dauergebisses
      • Hypodontie: 1–5 fehlende Zähne
      • Oligodontie: ≥6 fehlende Zähne
      • Anodontie: Vollständiges Fehlen der Zähne
    • Auftreten
      • Vorwiegend im Dauergebiss
      • Isoliert (familiär/sporadisch) oder syndromal
      • Meist 1–2 fehlende Zähne
      • Geringfügig häufiger bei weiblichem Geschlecht
    • Komplikationen: Okklusions- und Kaustörungen, Sprechstörungen, Hypoplasie des Alveolarknochens, Störungen des Durchbruchs benachbarter Zähne , ästhetische Einschränkung
  • Hyperdontie [3][4]
    • Definition: Zusätzlich zum normalen Gebissaufbau vorliegende (überzählige) Zähne im Milch- oder Dauergebiss
    • Auftreten
      • Meist isoliert/idiopathisch, seltener syndromal
      • Meist einzelner überzähliger Zahn, selten multipel
      • Häufiger bei männlichem Geschlecht
    • Komplikationen: Kieferenge, Verschiebungen der Zähne, verzögerter oder ektoper Durchbruch benachbarter Zähne, Schädigung der Nachbarzähne

Dentition

Ablauf der Dentition [8]

  • Gemeinsamkeiten der 1. und 2. Dentition
    • Innerhalb einer Zahngruppe (Schneidezähne, Prämolaren bzw. Molaren) brechen die mesialen jeweils vor den distalen Zähnen durch
    • Korrespondierende Zähne des Unterkiefers brechen meist vor den maxillären Zähnen durch
    • Kontralaterale korrespondierende Zähne brechen etwa zeitgleich durch

Erste Dentition (Milchgebiss) [9][10]

  • Erster Zahndurchbruch: Mit etwa 6 Monaten (Spanne 3–12 Monate)
    • Meist zuerst mittlere untere Schneidezähne
  • Weitere Zähne in etwa monatlichem Abstand
    • Klassische Reihenfolge: Untere Schneidezähne → obere Schneidezähne → 1. Milchmolaren → Eckzähne → 2. Milchmolaren
  • Vollständiges Milchgebiss: Mit spätestens 3 Jahren
  • Mögliche Symptome der Dentition [6]
    • Häufig: Rötung und Schwellung der Zahnleiste, vermehrtes Speicheln, Unruhe (Erregbarkeit, unruhiger Schlaf)
    • Seltener: Temperaturerhöhung , reduzierte Aufnahme fester Nahrung, vermehrtes Saugen/Beißen/Zahnfleischreiben, Ohrreiben, Exanthem des Gesichts , fraglich Rhinorrhoe oder Diarrhoe [11]
    • Maßnahmen bei Beschwerden: Kühlen (kalter Waschlappen), vorsichtige Massage, Kauen/Saugen geeigneter kühler Lebensmitteln/Spielzeuge (Beißring, Schnuller, gekühltes festes Gemüse) , lokalanästhetisches Zahngel [11][12]

Der Zahndurchbruch verursacht allenfalls eine leichte Temperaturerhöhung!

Zweite Dentition (Dauergebiss) [5][13][14]

  • Erster bleibender Zahn: Mit durchschnittlich 6 Jahren (Spanne 4–8 Jahre)
    • Meist obere 1. Molaren („Sechs-Jahr-Molar“)
  • Häufige Reihenfolge des Zahndurchbruchs: 1. Molaren → Schneidezähne → Prämolaren/Eckzähne → 2. Molaren
  • Vollständiges Dauergebiss (mit Ausnahme der Weisheitszähne) mit durchschnittlich 12 Jahren (Spanne 9–16 Jahre)
    • Große Variabilität in der Anlage und dem Durchbruch der 3. Molaren (Weisheitszähne)
  • Bei Mädchen geringfügig früherer Durchbruch nahezu aller Zähne als bei Jungen

Störungen der Dentition [7]

  • Verzögerter Zahndurchbruch [5][8][9]
    • Definition: Ausbleibender Zahndurchbruch >2 Standardabweichungen über der Norm
    • Ursachen
      • Häufig benigne lokale Ursache (z.B. Kieferenge, Traumen)
      • Seltener: Systemische Erkrankungen (z.B. endokrinologisch, Skeletterkrankungen, chronische Erkrankungen, genetische Syndrome) , medikamentös-toxisch bedingte Fälle , familiäres oder idiopathisches Auftreten
    • Differenzialdiagnose: Zahnagenesie (insb. bei Dauergebiss) [1]
  • Vorzeitiger Zahndurchbruch (selten)

Störungen der Dentition sind mit einer Vielzahl von Erkrankungen assoziiert! Sie stellen mitunter den ersten Hinweis auf eine seltene genetische Erkrankung dar!

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  1. Rakhshan:Congenitally Missing Teeth (Hypodontia): A Review of the Literature Concerning the Etiology, Prevalence, Risk Factors, Patterns and TreatmentIn: Dental Research Journal. Band: 12, Nummer: 1, 2015, doi: 10.4103/1735-3327.150286 . | Open in Read by QxMD p. 1-13.
  2. AlShahrani et al.:A Review of Hypodontia: Classification, Prevalence, Etiology, Associated Anomalies, Clinical Implications and Treatment OptionsIn: World Journal of Dentistry. Band: 4, Nummer: 2, 2013, doi: 10.5005/jp-journals-10015-1216 . | Open in Read by QxMD p. 117-125.
  3. Anthonappa et al.:Aetiology of supernumerary teeth: a literature reviewIn: European Archives of Paediatric Dentistry. Band: 14, Nummer: 5, 2013, doi: 10.1007/s40368-013-0082-z . | Open in Read by QxMD p. 279-288.
  4. Mossaz et al.:Überzählige Zähne im Ober- und Unterkiefer - eine interdisziplinäre Herausforderung. Teil 1: Epidemiologie, Ätiologie, Klassifikation und mögliche KomplikationenIn: Swiss Dental Journal. Band: 126, Nummer: 2, 2016, p. 131-149.
  5. Wedl et al.:Die Durchbruchszeiten der bleibenden Zähne bei Jungen und Mädchen in der Freien Hansestadt BremenIn: Oralprophylaxe & Kinderzahnheilkunde. Band: 26, Nummer: 1, 2004, p. 12-16.
  6. Massignan et al.:Signs and Symptoms of Primary Tooth Eruption: A Meta-analysisIn: Pediatrics. Band: 137, Nummer: 3, 2016, doi: 10.1542/peds.2015-3501 . | Open in Read by QxMD p. e20153501 (1-19).
  7. Suri et al.:Delayed tooth eruption: Pathogenesis, diagnosis, and treatment. A literature reviewIn: American Journal of Orthodontics and Dentofacial Orthopedics. Band: 126, Nummer: 4, 2004, doi: 10.1016/j.ajodo.2003.10.031 . | Open in Read by QxMD p. 432-445.
  8. Karp:Delayed Tooth EmergenceIn: Pediatrics in Review. Band: 32, Nummer: 1, 2011, doi: 10.1542/pir.32-1-e4 . | Open in Read by QxMD p. e4-e17.
  9. Hoffmann et al.: Pädiatrie: Grundlagen und Praxis. 4. Auflage Springer 2014, ISBN: 3-642-41865-1.
  10. Gortner et al.: Duale Reihe Pädiatrie. 4. Auflage Thieme 2012, ISBN: 978-3-131-25334-7.
  11. McIntyre, McIntyre:Teething troubles?In: British Dental Journal. Band: 192, Nummer: 5, 2002, doi: 10.1038/sj.bdj.4801349 . | Open in Read by QxMD p. 251-255.
  12. Bruhn:Zahnen ohne QualenIn: Deutsche Apotheker Zeitung. Band: 42, 2015, p. 42.
  13. Kochhar, Richardson:The chronology and sequence of eruption of human permanent teeth in Northern IrelandIn: International Journal of Paediatric Dentistry. Band: 8, Nummer: 4, 1998, doi: 10.1046/j.1365-263x.1998.00092.x . | Open in Read by QxMD p. 243-252.
  14. Die Zahndurchbruchszeiten der bleibenden Dentition bei Jungen und Mädchen im Saarland.Stand: 16. Februar 2006. Abgerufen am: 27. Mai 2020.
  15. Maheswari et al.:′′Early baby teeth′′: Folklore and factsIn: Journal of Pharmacy and Bioallied Sciences. Band: 4, Nummer: Suppl 2, 2012, doi: 10.4103/0975-7406.100289 . | Open in Read by QxMD p. S329-S333.
  16. Koletzko: Pädiatrie. 13. Auflage Springer 2007, ISBN: 978-3-540-48632-9.
  17. Kerbl et al.: Checkliste Pädiatrie. 3. Auflage Thieme 2007, ISBN: 978-3-131-39103-2.
  18. Rodeck, Zimmer: Pädiatrische Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung. 2. Auflage Springer 2013, ISBN: 3-642-24710-5.
  19. Georg Thieme Verlag: Endspurt Klinik Skript 10: Pädiatrie. Thieme 2015, ISBN: 978-3-131-74371-8.
  20. Betreuung von gesunden reifen Neugeborenen in der Geburtsklinik.Stand: 13. September 2012. Abgerufen am: 13. Februar 2020.
  21. Elterninformationen zu den Empfehlungen zur SID-Prävention.. Abgerufen am: 17. Februar 2020.
  22. Mein Kind hat Fieber.Stand: 1. Januar 2018. Abgerufen am: 20. Februar 2020.
  23. KBV Praxiswissen Spezial - Qualitätssicherung der Sonographie der Säuglingshüfte - Informationen zur Durchführung, Dokumentation und Fehlervermeidung.Stand: 17. Januar 2019. Abgerufen am: 31. März 2020.
  24. Kolb et al.:Kongenitale Hüftdysplasie, Screening und TherapieIn: Monatsschrift Kinderheilkunde. Band: 164, Nummer: 4, 2016, doi: 10.1007/s00112-016-0064-4 . | Open in Read by QxMD p. 323-333.

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