Abstract
Die hohe Variabilität von Entwicklung und Wachstum von Kindern und Jugendlichen und ihre Abhängigkeit von äußeren Faktoren macht ihre Beurteilung sehr komplex. Daher haben Kinder und Jugendliche ein Recht auf regelmäßige Kindervorsorgeuntersuchungen zur Erfassung der körperlichen, geistigen und psychosozialen Entwicklung.
Informationen zu den U-Untersuchungen finden sich im Kapitel Kindervorsorgeuntersuchungen.
Neugeborenen- und Säuglingsreflexe
Reflex | Auslösung | Beginn des Reflexes | Verschwinden des Reflexes |
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Schreitreaktion/Schreitreflex | Der Säugling wird in aufrechter Position gehalten. Berühren die Füße die Oberfläche, führt dies zu einer reflektorischen Schreitbewegung. | Geburt | 3. Lebensmonat |
Palmarer Greifreflex | Berührung der Handinnenfläche führt zum Handschluss | Geburt | 3.–4. Lebensmonat |
Moro-Reflex (Umklammerungsreflex) | Wenn das Kind überraschend in Rückenlage zurückgeneigt wird, breitet es die Arme aus, spreizt die Finger und öffnet den Mund. Anschließend führt es die Arme wieder zusammen und ballt die Hände zur Faust | Geburt | 4. Lebensmonat |
Galant-Reflex | Paravertebraler Reiz der Haut führt zu einer konkaven Bewegung der Wirbelsäule in Richtung des Stimulus | Geburt | 6. Lebensmonat |
Symmetrisch-tonischer Nackenreflex | Beugung des Kopfes (in Rückenlage) führt zur Beugung der Arme und Streckung der Beine; umgekehrte Reaktion bei Streckung des Kopfes | Geburt | 6. Lebensmonat |
Asymmetrisch-tonischer Nackenreflex | Durch passive Drehung des Kopfes in Rückenlage strecken sich die Extremitäten ipsilateral; kontralateral kommt es zur Beugung (sogenannte Fechterstellung) | Geburt | 6. Lebensmonat |
Saugreflex | Berührung der Lippen/perioralen Region führt zur Saugreaktion | Geburt | 6. Lebensmonat |
Plantarer Greifreflex | Berührung der Fußinnenfläche führt zu Zehenbeugung | Geburt | 8.–15. Lebensmonat |
Babinski-Reflex | Bestreichen der lateralen Fußsohle führt zu Dorsalextension der Großzehe mit Beugen und Spreizen der Kleinzehen | Geburt | 12. Lebensmonat |
Landau-Reflex | Das Kind wird bei Umgreifen des Thorax und Bauches in Bauchschwebelage gehalten. Der Säugling streckt die Beine und hebt den Kopf | 4. Lebensmonat | 18. Lebensmonat |
Sprungbereitschaft | Kind wird bei Umgreifen des Thorax und Bauches nach vorne gekippt. Reflektorisch werden die Arme zur Abstützung gestreckt | 5. Lebensmonat | bleibt |
Meilensteine der Entwicklung
Alter | Motorik Das Kind kann … | Sprachentwicklung Das Kind kann … | Sozialverhalten Das Kind kann … |
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Neugeborenes |
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1 Monat |
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2 Monate |
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3 Monate |
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6 Monate |
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9 Monate |
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12 Monate |
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15 Monate |
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2 Jahre |
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3 Jahre |
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4 Jahre |
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5 Jahre |
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Denver Entwicklungsskalen (Denver Developmental Screening Test)
- Definition: Standardisierter Suchtest zur Früherkennung von Entwicklungsverzögerungen mit 105 Aufgaben. Der Test kann vom Kinderarzt im Rahmen von Kindervorsorgeuntersuchungen durchgeführt werden (orientierender Einblick in die kindliche Entwicklung)
- Durchführung: Jederzeit zwischen dem 1. Lebensmonat und dem 6. Lebensjahr
- Überprüfte Fähigkeiten
- Grobmotorik: Kopf heben, sitzen, stehen, gehen, auf einem Bein stehen
- Feinmotorik: Beweglichem Objekt mit den Augen folgen, Gegenstände greifen, Turm aus Klötzen bauen
- Sprache: Sprachlaute imitieren, „Mama“, „Papa“ sagen, Bild benennen
- Sozialer Kontakt: Lächeln, fremdeln, sich selbstständig an- und ausziehen
Gebissentwicklung
Gebissaufbau
Aufbau des Milchgebisses
- 20 Milchzähne: Je Quadrant 2 Schneidezähne, 1 Eckzahn, 2 Milchmolaren
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Zahnschema des Milchgebisses
- 1. Ziffer: Quadrantennummerierung (von rechts oben nach rechts unten): 5–8
- 2. Ziffer: Zahnnummerierung (von mesial nach distal): 1–5
- Beispiel für das Milchgebiss: 83 = rechter unterer Eckzahn
Aufbau des Dauergebisses
- 32 Zähne: Je Quadrant 2 Schneidezähne, 1 Eckzahn, 2 Prämolaren, 3 Molaren
- Zahnschema (nach der Fédération Dentaire Internationale) des Dauergebisses
- 1. Ziffer: Quadrantennummerierung (von rechts oben nach rechts unten): 1–4
- 2. Ziffer: Zahnnummerierung (von mesial nach distal): 1–8
- Beispiel für das Dauergebiss: 13 = rechter oberer Eckzahn
Störungen des Gebissaufbaus
- Zahnagenesie [1][2]
- Definition: Kongenital fehlende Anlage eines Zahnes oder mehrerer Zähne des Milch- oder Dauergebisses
- Auftreten
- Vorwiegend im Dauergebiss
- Isoliert (familiär/sporadisch) oder syndromal
- Meist 1–2 fehlende Zähne
- Geringfügig häufiger bei weiblichem Geschlecht
- Komplikationen: Okklusions- und Kaustörungen, Sprechstörungen, Hypoplasie des Alveolarknochens, Störungen des Durchbruchs benachbarter Zähne , ästhetische Einschränkung
- Hyperdontie [3][4]
- Definition: Zusätzlich zum normalen Gebissaufbau vorliegende (überzählige) Zähne im Milch- oder Dauergebiss
- Auftreten
- Meist isoliert/idiopathisch, seltener syndromal
- Meist einzelner überzähliger Zahn, selten multipel
- Häufiger bei männlichem Geschlecht
- Komplikationen: Kieferenge, Verschiebungen der Zähne, verzögerter oder ektoper Durchbruch benachbarter Zähne, Schädigung der Nachbarzähne
Dentition
- Definition: Zahndurchbruch (im klinischen Gebrauch: Durch die Gingiva in die Mundhöhle ) [5][6][7]
- Erste Dentition = Durchbruch des Milchgebisses
- Zweite Dentition = Durchbruch des Dauergebisses
Ablauf der Dentition [8]
- Gemeinsamkeiten der 1. und 2. Dentition
- Innerhalb einer Zahngruppe (Schneidezähne, Prämolaren bzw. Molaren) brechen die mesialen jeweils vor den distalen Zähnen durch
- Korrespondierende Zähne des Unterkiefers brechen meist vor den maxillären Zähnen durch
- Kontralaterale korrespondierende Zähne brechen etwa zeitgleich durch
Erste Dentition (Milchgebiss) [9][10]
- Erster Zahndurchbruch: Mit etwa 6 Monaten (Spanne 3–12 Monate)
- Meist zuerst mittlere untere Schneidezähne
- Weitere Zähne in etwa monatlichem Abstand
- Klassische Reihenfolge: Untere Schneidezähne → obere Schneidezähne → 1. Milchmolaren → Eckzähne → 2. Milchmolaren
- Vollständiges Milchgebiss: Mit spätestens 3 Jahren
- Mögliche Symptome der Dentition [6]
- Häufig: Rötung und Schwellung der Zahnleiste, vermehrtes Speicheln, Unruhe (Erregbarkeit, unruhiger Schlaf)
- Seltener: Temperaturerhöhung , reduzierte Aufnahme fester Nahrung, vermehrtes Saugen/Beißen/Zahnfleischreiben, Ohrreiben, Exanthem des Gesichts , fraglich Rhinorrhoe oder Diarrhoe [11]
- Maßnahmen bei Beschwerden: Kühlen (kalter Waschlappen), vorsichtige Massage, Kauen/Saugen geeigneter kühler Lebensmitteln/Spielzeuge (Beißring, Schnuller, gekühltes festes Gemüse) , lokalanästhetisches Zahngel [11][12]
Der Zahndurchbruch verursacht allenfalls eine leichte Temperaturerhöhung!
Zweite Dentition (Dauergebiss) [5][13][14]
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Erster bleibender Zahn: Mit durchschnittlich 6 Jahren (Spanne 4–8 Jahre)
- Meist obere 1. Molaren („Sechs-Jahr-Molar“)
- Häufige Reihenfolge des Zahndurchbruchs: 1. Molaren → Schneidezähne → Prämolaren/Eckzähne → 2. Molaren
- Vollständiges Dauergebiss (mit Ausnahme der Weisheitszähne) mit durchschnittlich 12 Jahren (Spanne 9–16 Jahre)
- Große Variabilität in der Anlage und dem Durchbruch der 3. Molaren (Weisheitszähne)
- Bei Mädchen geringfügig früherer Durchbruch nahezu aller Zähne als bei Jungen
Störungen der Dentition [7]
- Verzögerter Zahndurchbruch [5][8][9]
- Definition: Ausbleibender Zahndurchbruch >2 Standardabweichungen über der Norm
- Ursachen
- Häufig benigne lokale Ursache (z.B. Kieferenge, Traumen)
- Seltener: Systemische Erkrankungen (z.B. endokrinologisch, Skeletterkrankungen, chronische Erkrankungen, genetische Syndrome) , medikamentös-toxisch bedingte Fälle , familiäres oder idiopathisches Auftreten
- Differenzialdiagnose: Zahnagenesie (insb. bei Dauergebiss) [1]
- Vorzeitiger Zahndurchbruch (selten)
- Ursachen: Endokrinologische Störungen (z.B. Hyperthyreose), Hemihypertrophie, seltene genetische Syndrome
- Sonderform: Dens natalis/Dens neonatalis(bei Geburt bereits durchgebrochener Zahn bzw. Zahndurchbruch in der Neonatalperiode) [9][15]
Störungen der Dentition sind mit einer Vielzahl von Erkrankungen assoziiert! Sie stellen mitunter den ersten Hinweis auf eine seltene genetische Erkrankung dar!
Studientelegramme zum Thema
- Studientelegramm 121-2020-3/3: Der Einfluss des elterlichen sozioökonomischen Status auf das zelluläre Altern von Neugeborenen
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