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Massivtransfusion - AMBOSS-SOP

Letzte Aktualisierung: 8.11.2023

Indikationtoggle arrow icon

Eine Massivtransfusion (Massentransfusion) ist mit zahlreichen, potenziell schwerwiegenden Nebenwirkungen behaftet und sollte daher nur erfolgen, wenn die u.g. Eingangskriterien für eine Massivtransfusion erfüllt sind.

Eingangskriterien für eine Massivtransfusion

Falls die Eingangskriterien nicht erfüllt sind, sollte ein individualisiertes Therapieschema unter Berücksichtigung der klinischen Umstände und Laborbefunde durchgeführt werden!

Massivtransfusionen sind nur beim hämorrhagischen Schock indiziert, nicht aber bei anderen Schockformen!

Zielwerte und Mengenberechnungtoggle arrow icon

Ziel- und Grenzwerte im Rahmen einer Massivtransfusion

Berechnung der zu transfundierenden Mengen

Allgemein

Massivtransfusionen werden normalerweise nur in speziellen Notfallsituationen erforderlich. Eine exakte, individuelle Berechnung erfolgt daher oft (zunächst) nicht. Zudem liegen in der Akutsituation ggf. auch nicht alle relevanten Information (bspw. verlässliche Laborwerte) unmittelbar vor, sodass zumindest initial (unter Berücksichtigung der klinischen Situation) nach einem standardisierten Protokoll vorgegangen werden muss (siehe: Massivtransfusion - Protokoll).

Orientierende Angaben

  • 1 EK bewirkt einen Anstieg des Hämoglobinwertes um etwa 1 g/dL
  • 1 mL Plasma/kgKG bewirkt einen Anstieg des Quick-Werts um 1% und einen Anstieg der Gerinnungsfaktoren um 1 IE/dL
  • 1 TK bewirkt einen Anstieg der Thrombozytenkonzentration um etwa 20.000–40.000/μL

Das Gesamtblutvolumen eines Erwachsenen beträgt ca. 60–80 mL/kgKG. Ein Blutverlust über 30% ist auch von jungen, gesunden Patienten nicht mehr durch Anpassungsmechanismen komplett kompensierbar!

Vorbereitungtoggle arrow icon

Aufklärung und Einwilligung

  • Gemäß den allgemeinen Grundsätzen siehe: Aufklärungspflicht
  • Im lebensbedrohlichen Notfall: Verzicht auf Aufklärung unter Beachtung des mutmaßlichen Patientenwillens → Pflicht zur nachträglichen Aufklärung!

Not kennt kein Gebot! Ist eine Transfusion lebensrettend erforderlich, tritt die Aufklärungspflicht in den Hintergrund!

Anforderung, Prüfung und Vorbereitung der Blutprodukte

Ablauf/Durchführungtoggle arrow icon

Allgemeine Abläufe und Techniken

Die grundsätzliche Vorgehensweise entspricht den Abläufen bei der Transfusion der jeweiligen Konzentrate :

Ablauf der Massivtransfusion

Vorbereitung

  • Anlage von Zugängen
    • Anlage von mind. 2 großvolumigen peripheren Zugängen zur Transfusion (vorzugsweise 1 Zugang pro Arm)
      • Transfusion über ZVK: Nur als Notlösung (dann separaten ZVK-Schenkel verwenden und sowohl vor als auch nach der Transfusion großzügig mit isotonischer Kochsalzlösung spülen)
  • Patientenlagerung
  • Notfalltransfusion bei unbekannter Blutgruppe: Vor Transfusion Entnahme von 40 mL Nativblut für nachträgliche Blutgruppenbestimmung/Verträglichkeitstest
  • Serologische Verträglichkeitsprobe und Bedside-Test
  • Erwärmung auf 37 °C
    • Zur Erwärmung existieren speziell dafür vorgesehene Geräte; die Temperatur darf 42 °C nicht überschreiten

Durchführung

Massivtransfusionsprotokoll bei Erwachsenentoggle arrow icon

Massivtransfusionsprotokoll (Erwachsene)

Vor Aktivierung des Massivtransfusionsprotokolls sind immer die Eingangskriterien zu überprüfen!

  1. Organisatorische und supportive Maßnahmen
  2. Transfusion
    1. Initialtherapie: Gabe des 1. Packages
    2. Falls der Patient weiter blutet: Gabe des 2. Packages
      • 4 EKs + 4 PKs (AB0-kompatibel); zusätzlich Gabe von 1 TK erwägen
      • Nach Gabe des 2. Packages
        • Kontrolle des Ca2+-Spiegels
        • Bei Ca2+ <0,7 mmol/L: Gabe von 10 mL 10%igem Calciumgluconat i.v. (langsam, über separaten Zugang)
    3. Falls der Patient weiter blutet: Gabe des 3. Packages
      • 1–2 TKs
      • 4 EKs + 4 PKs (AB0-kompatibel)
    4. Bei weiter anhaltender Blutung: Individualisierte Planung und Durchführung der weiteren Transfusion
      • I.d.R. Gabe von EKs und PKs weiterhin je als 4+4-Package (AB0-kompatibel)
      • Beachtung des klinischen Zustandes und (ggf. aktualisierter) Laborwerte (hämatologische Parameter, Ca2+)
      • Möglichst zeitnahe Analyse der hämostatischen Parameter (per Rotationsthrombelastometrie) und ggf. entsprechende Therapie
      • Beachtung organisatorischer und logistischer Aspekte
        • Rechtzeitige Anforderung der benötigten Blutprodukte
        • Einberechnung von Auftau-, Vorbereitungs- und Lieferzeiten
        • Dokumentation der eingeleiteten Maßnahmen
  3. Verlaufsdiagnostik: Alle 30–60 Minuten

Therapie einer initial bestehenden Störung der Hämostase

Gabe von Antifibrinolytika

Substitution von Gerinnungsfaktoren und Thrombozyten

  • Indikation
  • Initial: Gabe von Fibrinogenkonzentrat 50mg/kgKG i.v. und ggf. PPSB 25 IE/kgKG i.v.
  • Ultima Ratio: „Thrombin-Burst
    • 90 μg/kgKG rekombinanter Faktor VIIa (rFVIIa)
    • „Off-label“, nur Ultima Ratio (bei anderweitig nicht zu beherrschenden schweren Blutungen)!
  • Substitution von Thrombozyten: TK-Gabe mit Zielwerten von ≥100.000/μL

Notfall-Schema bei unbekannter Blutgruppe

  • Initial:
  • Im Verlauf: Schnellstmöglich Blutgruppe bestimmen und Transfusionsprodukte ggf. entsprechend anpassen!

Komplikationentoggle arrow icon

Bei Massivtransfusionen ergeben sich zusätzliche, besondere Risiken und Problemstellungen (siehe: Massivtransfusionen - Spezielle Komplikationen).

Gefürchtet ist insb. die Kombination von Azidose, Hypothermie und Koagulopathie („lethal triad“). Um das entsprechende Risiko zu minimieren, sollten nach Möglichkeit keine EKs gegeben werden, die älter sind als ca. 2 Monate! Eine Ausnahme bilden Cryo-Konserven!

Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.

Quellentoggle arrow icon

  1. TASH Score (Trauma Associated Severe Hemorrhage).. Abgerufen am: 14. April 2020.
  2. Strobel et al.:Konzept zur Massivtransfusion im SchockraumIn: Notfall + Rettungsmedizin. Band: 16, Nummer: 6, 2013, doi: 10.1007/s10049-013-1755-1 . | Open in Read by QxMD p. 462-468.
  3. Richtlinie zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten.Stand: 4. Oktober 2017. Abgerufen am: 28. Februar 2018.
  4. Strobel, Henschler:Korrekte Vorbereitung der TransfusionIn: Der Anaesthesist. Band: 63, Nummer: 8-9, 2014, doi: 10.1007/s00101-014-2327-6 . | Open in Read by QxMD p. 703-714.
  5. Herold: Innere Medizin 2019. Herold 2018, ISBN: 978-3-981-46608-9.
  6. Prien:Druckinfusion und LuftembolieIn: Anästhesiologie & Intensivmedizin. Band: 54, 2013, p. 539-544.
  7. Grottke et al.:Umgang mit Massivblutungen und assoziierten perioperativen GerinnungsstörungenIn: Der Anaesthesist. Band: 62, Nummer: 3, 2013, doi: 10.1007/s00101-012-2136-8 . | Open in Read by QxMD p. 213-224.
  8. Grottke et al.:KoagulopathieIn: Der Anaesthesist. Band: 56, Nummer: 1, 2006, doi: 10.1007/s00101-006-1120-6 . | Open in Read by QxMD p. 95-108.
  9. Heindl et al.:Hochdosierte Fibrinogengabe zur Akuttherapie von Gerinnungsstörungen bei perioperativer MassivtransfusionIn: Der Anaesthesist. Band: 54, Nummer: 8, 2005, doi: 10.1007/s00101-005-0865-7 . | Open in Read by QxMD p. 787-790.
  10. Fredericks et al.:Massive transfusion: An update for the anesthesiologistIn: World Journal of Anesthesiology. Band: 6, Nummer: 1, 2017, doi: 10.5313/wja.v6.i1.14 . | Open in Read by QxMD p. 14-21.
  11. Hsu et al.:Massive transfusion protocols: current best practiceIn: International Journal of Clinical Transfusion Medicine. Band: 2016, Nummer: 4, 2016, doi: 10.2147/ijctm.s61916 . | Open in Read by QxMD p. 15-27.
  12. Jámbor, Görlinger:Einsatz von Antifibrinolytika bei MassivtransfusionenIn: Anästhesiologie & Intensivmedizin. Band: 48, 2007, p. 167-173.

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