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Koronare Herzkrankheit

Letzte Aktualisierung: 23.10.2023

Abstracttoggle arrow icon

Die koronare Herzkrankheit (KHK) gehört zu den wichtigsten Volkskrankheiten und stellt weltweit die führende Ursache kardiovaskulärer Todesfälle dar. Sie beruht auf atherosklerotisch bedingten Stenosen der Herzkranzgefäße, die zu einer Minderperfusion der Kardiomyozyten führen können. Klinisch kann dies zu Angina pectoris mit retrosternalen, ggf. ausstrahlenden Schmerzen führen. Nicht selten ist jedoch auch ein akutes Koronarsyndrom (inkl. Myokardinfarkt) Erstmanifestation der KHK.

Die Angina pectoris als Leitsymptom tritt häufig erst bei Belastung auf. Auch pathologische elektrokardiografische Veränderungen zeigen sich analog zum klinischen Erscheinungsbild meist erst bei Belastung. Daher wird im Rahmen der Diagnostik häufig ein Belastungs-EKG durchgeführt. Ergeben die nicht-invasiven Untersuchungen einen pathologischen Befund oder persistiert die Angina-Symptomatik auch unter leitliniengerechter Therapie (Lifestyle-Änderung, optimale Blutdruck-, Blutzucker- und Cholesterineinstellung sowie Thrombozytenaggregationshemmung), kann eine invasive Diagnostik mittels Herzkatheteruntersuchung und ggf. gleichzeitiger therapeutischer Intervention (Angioplastie, PTCA) erfolgen.

In diesem Kapitel werden pathophysiologische Grundlagen und Therapieoptionen der koronaren Herzkrankheit sowie der Angina pectoris aufgezeigt, während das akute Koronarsyndrom (inkl. Myokardinfarkt), die Atherosklerose sowie kardiovaskuläre Risikofaktoren (Risikofaktoren der Atherosklerose) in eigenen Kapiteln behandelt werden.

Du möchtest diesen Artikel lieber hören als lesen? Wir haben ihn für dich im Rahmen unserer studentischen AMBOSS-Audio-Reihe vertont. Den Link findest du am Kapitelende in der Sektion “Tipps & Links".

Definitiontoggle arrow icon

Epidemiologietoggle arrow icon

Kardiovaskuläre Erkrankungen sind in Deutschland die führende Todesursache!

Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.

Ätiologietoggle arrow icon

Symptome/Kliniktoggle arrow icon

Allgemeine Symptomatik

Typische Klinik eines CCS [1][2]

Häufig fällt die KHK erstmalig durch einen Myokardinfarkt oder plötzlichen Herztod auf!

Bei Diabetikern, älteren Menschen und Frauen sind asymptomatische Verläufe häufig!

Leitsymptom: Angina pectoristoggle arrow icon

Allgemein

  • Begriffserklärung: Von lat. angor = "Enge; Beklemmung" und pectus = "Brust; Herz"
  • Definition: Anfallsartige reversible Schmerzen infolge einer Myokardischämie
  • Klinik
  • Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer KHK bei AP-Beschwerden

Eine KHK kann auch bei einer atypischen Angina pectoris vorliegen, die Differenzialdiagnosen bei Thoraxschmerzen sollten jedoch verstärkt in Betracht gezogen werden!

Bei etwa 8–11% der Patienten, die sich mit Brustschmerzen bei ihrem Hausarzt vorstellen, ist eine chronische KHK die Ursache.

Verlaufsformen

Stabile Angina pectoris

  • Definition: Reproduzierbare Symptomatik einer Angina pectoris ohne Anhalt für eine klinische Progredienz
  • Auslöser
  • Verlauf: Beschwerden klingen i.d.R. nach kurzer Zeit (10 min) oder ggf. nach Gabe von Nitroglycerin innerhalb von 2 min ab
  • Stadieneinteilung der stabilen Angina pectoris (Canadian Cardiovascular Society)
    • Grad 0 - Asymptomatische Ischämie
    • Grad I - Beschwerden bei schwerer körperlicher Belastung
    • Grad II - Geringe Symptomatik bei normaler körperlicher Aktivität
    • Grad III - Erhebliche Symptomatik bei normaler körperlicher Aktivität
    • Grad IV - Beschwerden bereits bei geringer Belastung und/oder in Ruhe

Instabile Angina pectoris (IAP)

Pathophysiologie der Angina pectoristoggle arrow icon

Koronarinsuffizienz

  • Definition: Arterielle Ischämie als Folge eines Missverhältnisses von O2-Angebot und O2-Bedarf der Kardiomyozyten
  • Ursachen
  • Einteilung: Entsprechend der Verminderung des Durchmessers (in %) werden verschiedene Schweregrade der Koronarstenosen unterschieden
    • Grad I: 25–49%
    • Grad II: 50–74% (signifikante Stenose)
    • Grad III: 75–99% (kritische Stenose)
  • Pathophysiologische Folgen: Hämodynamische Veränderungen
    • Diastolische Relaxationsstörung
    • Systolische Kontraktionsstörung → Linksventrikulärer Füllungsdruck↑
    • Eingeschränkte Koronarreserve → Unter Belastung keine ausreichende Steigerung der Perfusion möglich
  • Pathologische Veränderungen
    • Hydropische Zellschwellung
    • Makroskopische Tigerung des Myokards durch dystrophische Verfettung
    • Herdförmige Nekrosen und Fibrosierung → Gefügedilatation der Herzmuskelfasern
  • Klinische Auswirkungen

Sonderformen der Angina pectoristoggle arrow icon

Prinzmetal-Angina (vasospastische Angina pectoris)

Walking-through-Angina

  • Definition: Angina-pectoris-Beschwerden, die zu Beginn einer Belastung auftreten, bei Fortführung der Belastung jedoch wieder verschwinden
  • Pathophysiologie
    • Lokale Freisetzung vasodilatierender Metabolite, die aufgrund des anaeroben Stoffwechsels entstehen → Verbesserung der myokardialen Perfusion und Sistieren der Beschwerden

Diagnostiktoggle arrow icon

Basisdiagnostik

Anamnese und körperliche Untersuchung

Labor

Ruhe-EKG

  • Indikation: Patienten, bei denen aufgrund von Anamnese und körperlicher Untersuchung die Verdachtsdiagnose einer KHK besteht
  • Befund: Bei stabiler Angina pectoris meist unauffällig, falls keine weitere Pathologie vorliegt
  • Siehe auch: EKG, EKG bei Myokardinfarkt

Ein normaler EKG-Befund schließt eine KHK nicht aus!

Transthorakale Echokardiografie

  • Indikation: Patienten, bei denen aufgrund von Anamnese und körperlicher Untersuchung die Verdachtsdiagnose einer KHK besteht
  • Fragestellungen
    • Globale und regionale Myokardfunktion
    • Abklärung von Differenzialdiagnosen

Die transthorakale Echokardiografie dient sowohl der Diagnosestellung einer KHK als auch der Erkennung weiterer kardialer Erkrankungen (z.B. Klappenvitien), die oft zusätzlich zu einer KHK bestehen oder sich im Zuge dieser entwickeln können!

Auswahl weiterführender Diagnostik

  • Indikation: Bei V.a. eine KHK
  • Auswahl des nicht-invasiven Verfahrens: Abhängig von
    • Vortestwahrscheinlichkeit
      • Definition: Wahrscheinlichkeit des Vorliegens eines Befundes vor der Diagnostik
      • Bestimmung
        • Basiswahrscheinlichkeit: Tabelle, die auf Basis epidemiologischer Daten die Wahrscheinlichkeit einer KHK angibt
        • Modifikation je nach individuellem Risikoprofil des Patienten
    • Der Eignung des Patienten für den entsprechenden Test
    • Testbezogenen Risiken, z.B. Strahlenexposition bei Anwendung von Röntgen- und Radionuklid-Techniken

Vortestwahrscheinlichkeit

Vortestwahrscheinlichkeit für eine stenosierende KHK bei Patienten mit stabiler Brustschmerz-Symptomatik

Typische Angina pectoris Atypische Angina pectoris Nicht-anginöse Brustschmerzen Dyspnoe
Alter Frauen Männer Frauen Männer Frauen Männer Frauen Männer
30–39 5% 3% 3% 4% 1% 1% 3% 0%
40–49 10% 22% 6% 10% 2% 3% 3% 12%

50–59

13% 32% 6% 17% 3% 11% 9% 20%

60–69

16% 44% 11% 26% 6% 22% 14% 27%
70+ 27% 52% 19% 34% 10% 24% 12% 32%

Weiterführende nicht-invasive Diagnostik

Die Wahl des initialen nicht-invasiven Verfahrens ist von den vor Ort verfügbaren Gerätschaften und der lokalen Expertise abhängig zu machen!

Morphologische Verfahren

Kardio-CT inkl. CT-Koronarangiografie

  • Indikation: Bei mittlerer und hoher Vortestwahrscheinlichkeit als primäres Verfahren zur weiterführenden Diagnostik
  • Kontraindikation
  • Verfahren
    • CT-Calcium-Scoring
    • CT-Koronarangiografie

Bei asymptomatischen Personen mit niedrigem Risiko für das Vorliegen einer koronaren Herzkrankheit soll keine „Vorsorge“-Computertomografie der Herzkranzgefäße (Koronar-CTA) durchgeführt werden! (DGIM - Klug entscheiden in der Kardiologie)

Funktionelle Verfahren

Stress-Echokardiografie

  • Indikation: Verdacht auf KHK
  • Prinzip: Echokardiografische Prüfung der Pumpfunktion unter Belastung mit Augenmerk auf regionale Wandbewegungsstörungen
  • Nachteil: Zeitaufwendige, schwierige Untersuchung
  • Beurteilung: Nachweis einer durch Belastung induzierbaren, reversiblen regionalen Wandbewegungsstörung als Folge der Myokardischämie

Kardio-MRT [3]

  • Indikation
    • Zum Nachweis einer Ischämie bei V.a. koronare Herzkrankheit oder V.a. Progredienz einer bekannten koronaren Herzkrankheit
    • Wandbewegungsanalyse
    • Beurteilung der myokardialen Vitalität
    • Exakte Beurteilung von Ventrikelgröße und -funktion
  • Verfahren: Stress-MRT
    • Dobutamin-Stress-MRT [4]
    • Stress-Perfusions-MRT

Myokard-Szintigrafie/-SPECT

  • Indikation
    • Zum Ischämienachweis: Bei nicht eindeutig relevanter Stenose in der Kardio-CT
    • Zum Vitalitätsnachweis: Bei Z.n. Myokardinfarkt zur Unterscheidung zwischen Infarktnarbe (irreversibel) und Myokardischämie (reversibel)
  • Definition: Verfahren zur bildlichen Darstellung der myokardialen Stoffwechselaktivität durch Injektion eines Radiopharmakons und Detektion über eine Gammakamera
  • Technik
  • Prinzip
    • Injektion eines Radiopharmakons , das sich unter Belastung in Abhängigkeit von Vitalität und Perfusion im Herzmuskelgewebe anreichert (sog. Funktionsstoffwechsel)
    • Aufnahmen unter einer Gammakamera 15–60 min nach Injektion
  • Beurteilung
    • Normalbefund: Homogene Aufnahme des Radiopharmakons unter Belastung
    • Differenzierung zwischen Infarktnarbe und Myokardischämie
      • Infarktnarbe (irreversibel): Fehlende Anreicherung sowohl in Ruhe als auch unter Belastung
      • Myokardischämie (reversibel): Regelrechte Anreicherung in Ruhe, verminderte Anreicherung unter Belastung
      • Sonderfall: „Hibernierendes Myokard
        • Noch vitales Myokard mit verminderter Perfusion in Ruhe bei hochgradiger Stenose
        • Unterscheidung mittels Szintigrafie in diesem Fall schwierig
        • Differenzierung über FDG-PET möglich
  • Bedeutung: Standardverfahren zur bildlichen Darstellung der myokardialen Durchblutungssituation

Myokard-Perfusions-PET (FDG-PET)

  • Indikation
    • Zum Ischämienachweis: Bei nicht eindeutig relevanter Stenose in der Kardio-CT
    • Zum Vitalitätsnachweis: Bei Z.n. Myokardinfarkt zur Unterscheidung zwischen Infarktnarbe (irreversibel) und Myokardischämie (reversibel)
  • Prinzip: Schnittbilduntersuchung, die die Stoffwechselaktivität des Herzmuskels darstellt (siehe auch: PET)
  • Vorteile gegenüber Myokard-Perfusions-SPECT
    • Höhere räumliche Auflösung
    • Äußerst genaue Schwächungskorrektur
    • Niedrigere Strahlenexposition aufgrund kürzerer Halbwertszeiten
    • Günstigere kinetische Eigenschaften der verwendeten Radiopharmaka
    • Vitalitätsdiagnostik zwischen Infarktnarbe und hibernierendem Myokard gut möglich
  • Nachteile
    • Geringe Verfügbarkeit
    • Hohe Kosten

Aufgrund ihrer limitierten Verfügbarkeit hat die FDG-PET eine geringe Bedeutung im klinischen Alltag!

Belastungs-EKG (Ergometrie)

  • Prinzip: Testet die Fähigkeit des Koronarkreislaufs, sich unter dynamischen Belastungsbedingungen dem erhöhten kardialen Sauerstoffbedarf anzupassen
  • Indikationen (Auszug)
    • Bei V.a. KHK und einer mittleren bis hohen Vortestwahrscheinlichkeit als Alternativverfahren, wenn eine Kardio-CT oder andere nicht-invasive Verfahren nicht verfügbar sind
      • Abklärung der altersadaptierten Belastbarkeit
    • Bei KHK zur Überprüfung des medikamentösen oder koronarchirurgischen Therapieerfolgs
    • Bei V.a. Belastungshypertonie
    • Bei V.a. belastungsabhängige Herzrhythmusstörungen
  • Nachteile
  • Durchführung
    • Kontrollierte körperliche Belastung, meist mittels Fahrradergometer
    • Monitoring der Belastbarkeit mittels kontinuierlicher 12-Kanal-EKG-Ableitung sowie Messung von Blutdruck und Herzfrequenz
    • Steigerung der Belastung i.d.R. bis zum Erreichen der max. altersgerechten Herzfrequenz
      • Formel zur Abschätzung der max. altersgerechten Herzfrequenz: "220 - Alter des Patienten"
  • Abbruchkriterien bzw. pathologische Befunde
  • Weitere pathologische Befunde (Auswahl)
  • Kontraindikationen (Auswahl)

Invasive Diagnostik: Herzkatheteruntersuchung

  • Grundvoraussetzung: Patient könnte von einer Revaskularisation profitieren und ist mit dieser einverstanden!
  • Indikationen
    • Sehr hohe klinische Wahrscheinlichkeit einer stenosierenden KHK und hohe Gefahr kardiovaskulärer Ereignisse
    • Hohe klinische Wahrscheinlichkeit und therapierefraktäre Beschwerden
    • Pathologisches Ergebnis der nicht-invasiven Untersuchungen oder
    • Nicht-invasive Verfahren ohne konklusive Ergebnisse bei klinischem V.a. eine KHK
  • Verfahren: Koronarangiografie inkl. Lävokardiografie
    • Goldstandard zur Diagnostik einer KHK: Hochsensitiver Nachweis von Koronarstenosen
    • Möglichkeit zur unmittelbaren therapeutischen Intervention mittels PTCA/PCI (siehe auch: Therapie)
    • Bestimmung der linksventrikulären Funktion sowie des Stenosegrades
  • Siehe auch: Herzkatheteruntersuchung

Eine Koronarangiografie sollte nur dann angeboten werden, wenn eine therapeutische Konsequenz im Sinne einer Revaskularisation zu erwarten ist!

Bei asymptomatischen Patienten ohne Nachweis einer myokardialen Ischämie respektive ohne Nachweis eines hämodynamisch signifikanten Stenosegrades soll auf eine Behandlung von Koronarstenosen mittels perkutaner Koronarintervention verzichtet werden. (DGIM - Klug entscheiden in der Kardiologie)

AMBOSS-Pflegewissen: Koronare Herzkrankheittoggle arrow icon

Die Pflege bei Patient:innen mit koronarer Herzkrankheit konzentriert sich auf die Überwachung der Vitalparameter, die Beratung zur Optimierung von Risikofaktoren und das Einleiten von Erstmaßnahmen bei akuter Angina pectoris.

Pflege bei koronarer Herzkrankheittoggle arrow icon

Überwachen/Beobachten

Bei Diabetiker:innen können anhaltend erhöhte Blutzuckerwerte mit einer kardialen Nervenschädigung einhergehen, die ggf. dazu führt, dass keine kardialen Symptome mehr wahrgenommen werden. Durchblutungsstörungen des Herzmuskels können dann unspezifische Symptome auslösen oder ggf. sogar vollständig asymptomatisch sein!

Auch bei Frauen und älteren Menschen kann eine Durchblutungsstörung des Herzmuskels zu weniger spezifischen Symptomen führen (bspw. Bauchschmerzen, Übelkeit oder zunehmende Luftnot)!

Ernährung

  • Ballaststoffreiche Kost: Insb. Gemüse, Hülsenfrüchte, Vollkornprodukte
  • Ungesättigte Fettsäuren bevorzugen: Bspw. Olivenöl, Nüsse, Fisch
  • Ggf. auf stark blähende Speisen verzichten

Spezielle Pflegekommunikation bei KHK

  • Senkung des kardiovaskulären Risikos
  • Ggf. Möglichkeit einer Anschlussheilbehandlung (Rehabilitation): In Absprache mit Ärzt:innen, ggf. Notwendigkeit erläutern
  • Sensibilisierung für progrediente Erkrankung: Insb. auf regelmäßige Medikamenteneinnahme hinweisen
  • Beratung zum Verhalten im Notfall
    • Sensibilisierung für Symptome einer Angina pectoris und mögliche auslösende Faktoren
    • Korrekte Anwendung des Nitrosprays
    • Verständigung des Notrufs
    • Ggf. weitere Informationen zu Notfallsystemen bereitstellen: Insb. Hausnotruf und Ambient-assisted-Living-Systeme
  • Auf Disease-Management-Programme (DMP) hinweisen

Pflege bei Angina pectoristoggle arrow icon

Bei akuter Angina pectoris

  • Arzt/Ärztin informieren
  • Beengende Kleidung entfernen: Um das Engegefühl in der Brust zu lindern, ggf. Fenster öffnen
  • Positionierung: Herzbettlage , Oberkörperhochlage
  • Basismonitoring
  • Psychische Unterstützung: Patient:in beruhigen, nicht alleine lassen
  • Ggf. Sauerstoffgabe: Bei spO2 <90% oder nach ärztlicher Anordnung (2–3 L/min über Sauerstoffbrille)
  • Ggf. Nitrospray verabreichen: Nach ärztlicher Anordnung, nur bei systolischem Blutdruck ≥100 mmHg
  • 12-Kanal-EKG ableiten: Insb. um einen Myokardinfarkt sowie ggf. Herzrhythmusstörungen zu erkennen
  • Ggf. Verlegung ins Herzkatheterlabor bzw. auf die Intensivstation: Immer in Begleitung ärztlichen Personals und mit Notfallausrüstung
  • Situation und ggf. auslösende Faktoren dokumentieren: Bspw. psychische oder körperliche Belastungen, Kälteexposition, geblähter Magen
  • Siehe auch AMBOSS-Pflegewissen: Erstmaßnahmen bei Myokardinfarkt

Im weiteren Verlauf nach einem Angina-pectoris-Anfall

Differenzialdiagnosentoggle arrow icon

AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Therapietoggle arrow icon

Nichtmedikamentöse Therapie

  • Gewichtsreduktion
  • Diätetische Maßnahmen
  • Moderates körperliches Ausdauertraining
  • Verzicht auf Tabakkonsum

Symptomatische Therapie

Medikamentöse Prävention

Bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit soll die LDL-Cholesterin-Serumkonzentration auf Werte unter 70 mg/dL (1,8 mmol/L) gesenkt bzw. eine mindestens 50%ige Reduktion des LDL-Cholesterin-Ausgangswertes erreicht werden. (DGIM - Klug entscheiden in der Kardiologie)

Revaskularisationstherapie

  • Indikation: Konservativ nicht ausreichend behandelbare Symptomatik (Angina pectoris oder Äquivalente)
  • Verfahren
  • Kriterien zur Auswahl des Verfahrens
    • Komplexität der Koronarstenosen (Bestimmung bspw. über SYNTAX-Score)
    • Anzahl der betroffenen Gefäße
    • Individuelles Operationsrisiko (Bestimmung bspw. über Euroscore II [5] )

Antithrombozytäre Therapie bei KHKtoggle arrow icon

Grundprinzipien [6][7][8][9]

Medikamentenübersicht

Medikamentenklasse Wirkstoffe Indikationen
COX-1-Hemmer
  • Jede KHK
P2Y12-Inhibitoren (= ADP-Antagonisten)

Glykoprotein-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten

  • Hochrisikosituationen während einer PCI
  • Einzelfallentscheidung, keine Routineanwendung

Details zu Wirkstoffen

Therapieschemata

Akuttherapie

Langfristige Therapie

Monotherapie (Dauertherapie)

Duale Thrombozytenaggregationshemmung (DAPT)

Auswahl des P2Y12-Inhibitors
  • Auswahl erfolgt nach individuellem Blutungs- und Ischämierisiko sowie ggf. vorhandenen Kontraindikationen (Details siehe nachfolgende Tabelle)
    • Blutungsrisiko: Abschätzung bspw. über den DAPT-Score , PRECISE-DAPT-Score [13] (Rechner siehe: [14]) oder HAS-BLED-Score [15]
    • Ischämierisiko: Klinische Einschätzung oder Scores wie bspw. SYNTAX
Situation Risikoprofil P2Y12-Inhibitor
STEMI mit folgender PCI
  • Niedriges Blutungsrisiko und Alter <75 Jahre und Gewicht >60 kg
  • Erhöhtes Blutungsrisiko oder Alter >75 Jahre oder Gewicht <60 kg
STEMI ohne Intervention
  • Niedriges/mittleres Blutungsrisiko
  • Hohes Blutungsrisiko
NSTE-ACS mit PCI
  • Bekannte Koronaranatomie
  • Unbekannte Koronaranatomie
NSTE-ACS ohne PCI
  • Keine Stratifizierung
CCS und PCI
  • Standard
  • Geringes Blutungsrisiko (Einzelfallentscheidung)
CCS ohne PCI und ohne ACS
  • Keine Stratifizierung
  • Keine DAPT, nur Monotherapie!
CABG nach ACS [6]
  • Niedriges/mittleres Blutungsrisiko
  • Hohes Blutungsrisiko
CABG bei CCS [6]
  • Keine Stratifizierung

Eine DAPT mit ASS und Clopidogrel sollte nur nach elektiver Koronarintervention im Rahmen eines CCS oder bei Vorliegen von Kontraindikationen gegen Prasugrel und Ticagrelor durchgeführt werden.

Dauer der dualen Thrombozytenaggregationshemmung [6]

Die Dauer der DAPT richtet sich nach der Indikation und dem Blutungsrisiko, aber nicht mehr nach der Art eines ggf. vorhandenen Stents

  • Standard: 12 Monate nach ACS, 6 Monate nach Stenting bei chronischem Koronarsyndrom
  • Kriterien für eine Verlängerung bzw. Verkürzung der DAPT
    • Ischämierisiko: Klinische Einschätzung oder über den DAPT-Score
    • Blutungsrisiko: Klinische Einschätzung oder über den Precise-DAPT-Score (Rechner siehe [14])
Indikation Risikoprofil Empfohlene Dauer der DAPT
Stenting bei CCS
  • Niedriges Blutungsrisiko, gute Verträglichkeit und hohes (Stent‑)Thromboserisiko (Einzelfallentscheidung)
>6 Monate
  • Standard (niedriges/normales Blutungsrisiko)
6 Monate
  • Hohes Blutungsrisiko
3–6 Monate
  • Sehr hohes Blutungsrisiko oder andere Bedenken
Ggf. nur 1 Monat
Stenting bei ACS
  • Niedriges Blutungsrisiko, gute Verträglichkeit der DAPT
Ggf. >12 Monate, nach 12 Monaten Therapie mit Ticagrelor (Einzelfallentscheidung)
  • Standard (niedriges/normale Blutungsrisiko)
12 Monate
  • Hohes Blutungsrisiko
6 Monate
CABG bei ACS Ggf. >12 Monate, nach 12 Monaten Therapie mit Ticagrelor (Einzelfallentscheidung)
  • Standard (niedriges/normales Blutungsrisiko)
12 Monate
  • Hohes Blutungsrisiko
6 Monate

Eine Verlängerung der DAPT über die Standarddauer (12 Monate nach ACS, 6 Monate bei CCS) senkt die kardiovaskuläre Ereignisrate auf Kosten einer Erhöhung der Blutungsrate. Eine individuelle Abwägung ist erforderlich!

DAPT Score (Rechner)

Thrombozytenaggregationshemmung und orale Antikoagulation bei KHK

Besteht zusätzlich zur KHK eine Indikation zur Antikoagulation, muss die Therapie anders gestaltet werden. Zu unterscheiden sind hier die Fälle ohne und mit Indikation zur dualen Thrombozytenaggregationshemmung.

Orale Antikoagulation ohne Indikation zur DAPT

Eine erforderliche Therapie mit einem oralen Antikoagulans ersetzt die Monotherapie mit ASS bzw. Clopidogrel bei CCS!

Orale Antikoagulation mit Indikation zur DAPT (Dual- und Triple-Therapie bei KHK)

Differenzialtherapie - Übersicht zur TAH und OAK bei KHK
Situation Risikoprofil Therapie
  • Keine Stratifizierung
  • OAK-Monotherapie
  1. Triple-Therapie (ASS, Clopidogrel und OAK) für Monate 1–6
  2. Dann Dual-Therapie (Clopidogrel und OAK) für Monate 6–11
  3. Nach 12 Monaten OAK-Monotherapie
  • Standard
  1. Triple-Therapie (ASS, Clopidogrel und OAK) für 1 Monat
  2. Dann Dual-Therapie (Clopidogrel und OAK) für 11 Monate
  3. Nach 12 Monaten OAK-Monotherapie
  • Hohes Blutungsrisiko
  1. Triple-Therapie (ASS, Clopidogrel und OAK) nur periprozedural
  2. Dann Dual-Therapie (Clopidogrel und OAK) für 1 Monat
  3. Nach 1 Monat OAK-Monotherapie

Bei zusätzlich zur KHK bestehender Indikation zur Antikoagulation ist Clopidogrel der erste Kombinationspartner und ASS der zweite!

Prognosetoggle arrow icon

Fahrtauglichkeit bei koronarer Herzkrankheittoggle arrow icon

Verlaufsform Private Fahrer Berufskraftfahrer [16]
Stabile Angina pectoris Keine Einschränkung Fahruntauglichkeit bei symptomatischer Angina pectoris unter geringer Belastung
Akutes Koronarsyndrom
  • Guter Verlauf mit LVEF >35%
Keine Einschränkung Fahruntauglichkeit für mind. 6 Wochen
Ggf. Fahruntauglichkeit für 4 Wochen Fahruntauglichkeit
PCI
  • Gutes Ergebnis nach PCI
Keine Einschränkung
  • Fahruntauglichkeit für 4 Wochen
  • Jährliche kardiologische Kontrolluntersuchungen
  • Schlechtes Ergebnis nach PCI
Fahruntauglichkeit Fahruntauglichkeit
Koronare Bypass-Operation Fahruntauglichkeit für 2–4 Wochen Fahruntauglichkeit für 3 Monate

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Patienteninformationentoggle arrow icon

Kodierung nach ICD-10-GM Version 2023toggle arrow icon

Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.

Quellentoggle arrow icon

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  2. Zylka-Menhorn:Europäischer Kardiologenkongress: Die koronare Herzerkrankung ist „alles andere als stabil“In: Deutsches Ärzteblatt. Band: 116, Nummer: 38, 2019, p. 1656-1658.
  3. Kammerlander, A.:Kardiale Stress-Magnetresonanztomographie // Cardiovascular magnetic resonance imaging (CMR)In: Journal für Kardiologie - Austrian Journal of Cardiology. Band: 29, Nummer: 1-2, 2022, p. 41-43.
  4. Rosemeier et al.:Nicht invasive Diagnostik der koronaren Herzerkrankung: CT oder MRT?In: Radiopraxis. Band: 10, Nummer: 04, 2017, doi: 10.1055/s-0043-121588 . | Open in Read by QxMD p. 191-208.
  5. Roques:Risk factors and outcome in European cardiac surgery: analysis of the EuroSCORE multinational database of 19030 patientsIn: European Journal of Cardio-Thoracic Surgery. Band: 15, Nummer: 6, 1999, doi: 10.1016/s1010-7940(99)00106-2 . | Open in Read by QxMD p. 816-823.
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  8. Ibanez et al.:2017 ESC Guidelines for the management of acute myocardial infarction in patients presenting with ST-segment elevation In: European Heart Journal. 2017, doi: 10.1093/eurheartj/ehx393 . | Open in Read by QxMD.
  9. Roffi et al.:2015 ESC Guidelines for the management of acute coronary syndromes in patients presenting without persistent ST-segment elevationIn: European Heart Journal. Band: 37, Nummer: 3, 2015, doi: 10.1093/eurheartj/ehv320 . | Open in Read by QxMD p. 267-315.
  10. Task Force Members:2014 ESC/EACTS Guidelines on myocardial revascularizationIn: European Heart Journal. Band: 35, Nummer: 37, 2014, doi: 10.1093/eurheartj/ehu278 . | Open in Read by QxMD p. 2541-2619.
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