Abstract
Die größten Kopfspeicheldrüsen sind die Glandulae parotidea, submandibularis und sublingualis. Diese können wiederholt und dann meist beidseitig anschwellen (Sialadenose) oder sich akut und dann meist einseitig entzünden (Sialadenitis). Jeweils ist vornehmlich die Glandula parotidea betroffen. Eine Speichelsteinbildung in einem Ausführungsgang einer Speicheldrüse (Sialolithiasis) bildet sich hingegen bedingt durch das hauptsächlich aufsteigende Gangsystem meist in der Glandula submandibularis.
Kopfspeicheldrüsentumoren manifestieren sich hauptsächlich an der Glandula parotidea. Leitsymptom sowohl für gutartige als auch für bösartige Tumoren ist eine schmerzlose, progrediente Drüsenschwellung. Als Malignitätskriterium gilt die Fazialisparese. Neben der klinischen Untersuchung haben bildgebende Verfahren (insb. die Sonografie) den größten Stellenwert in der Diagnostik. Eine Gewebepunktion zur Diagnosesicherung ist nicht notwendig. Die vollständige Entfernung mit Erhaltung des N. facialis ist Therapie der Wahl bei allen Parotistumoren. Ist der N. facialis vom Tumor infiltriert, ist eine Resektion des Nerven angezeigt. Bei Malignität des Tumors kann eine postoperative Bestrahlung je nach Tumortyp sinnvoll sein. Allgemein gilt: Je kleiner die Drüse, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass der Tumor bösartig ist.
Anatomische Grundlagen
Neben den drei großen paarig angelegten Glandulae parotidea, submandibularis und sublingualis gehören mehrere hundert kleine Speicheldrüsen in Mundhöhle und Rachen zu den Kopfspeicheldrüsen. Als sekretorische Drüsen sezernieren sie täglich 1–1,5 L Speichel. Die Hauptaufgaben des Speichels sind:
- Verdauungsfunktion
- Schleimhaut- und Zahnprotektion
- Immunologische Abwehr
- Transport löslicher Geschmacksstoffe zu den Geschmacksknospen
Glandula parotidea
- Die paarig angelegten Ohrspeicheldrüsen liegen beidseitig relativ oberflächlich auf dem M. masseter, dorsal des Ramus der Mandibula und ventrokaudal des äußeren Gehörgangs in der Fossa retromandibularis
- Durch die Ohrspeicheldrüse verläuft beidseits der N. facialis, der sich in der Drüse in seine Endäste aufteilt und die Drüse in einen oberflächlichen und einen tiefen Teil separiert
- Der Ausführungsgang der Glandula parotidea, der Ductus parotideus (Stenon-Gang), verläuft auf dem M. masseter nach ventral und mündet gegenüber dem 2. oberen Molaren in das Vestibulum oris (Raum zwischen Wangeninnenseite und Zahnreihe)
- Die Glandula parotidea produziert vorwiegend ein seröses Sekret und ca. 40% der täglichen Gesamtmenge an Speichel
Glandula submandibularis
- Die paarig angelegten Unterkieferspeicheldrüsen liegen relativ weit dorsal am Mundboden auf dem M. mylohyoideus und dem M. digastricus, medial und kaudal der Mandibula-Innenseite
- Sie ist eine seromuköse Drüse und produziert den Hauptteil (ca. 50%) des täglich sezernierten Speichels
- Der Ausführungsgang (Wharton-Gang) mündet auf der Caruncula sublingualis
„Glandula submandibularis produziert seromuköses Sekret.“
Glandula sublingualis
- Die paarig angelegten Unterzungenspeicheldrüsen liegen am Mundboden auf dem M. mylohyoideus unter der Plica sublingualis
- Der Hauptausführungsgang mündet in den Wharton-Gang (Ausführungsgang der Glandula submandibularis) und verfügt über zusätzliche kleinere Ausführungsgänge
- Sie produziert vorwiegend ein muköses Sekret
Sialadenose
- Definition: Rezidivierende, nicht-entzündliche Schwellung der Speicheldrüsen
- Lokalisation: Meist Glandula parotidea
- Ätiologie
- Endokrin: Insb. Diabetes mellitus
- Dystrophe Sialadenosen: Alkoholabusus, Mangelernährung oder Essstörungen (z.B. Anorexia nervosa, Bulimie)
- Medikamentös: Bspw. Clonidin
- Klinik: Meist beidseitige schmerzlose Schwellung (Hamstergesicht)
- Therapie: Grundkrankheit behandeln
Akute eitrige Sialadenitis
- Definition: Akute bakterielle Entzündung einer Kopfspeicheldrüse
- Ätiologie
- Erreger: Insb. Staphylokokken
- Risikofaktoren
- Kachexie bei Intensivpatienten
- Verminderter Speichelfluss (bei Nahrungskarenz, Sondenernährung)
- Immunschwäche
- Speichelsteine
- Lokalisation: Meist Glandula parotidea (Parotitis)
- Klinik
- Meist einseitig
- Geschwollene, schmerzhafte Speicheldrüse
- Rötung des Ausführungsgangs, evtl. mit Eiterabgang
- Therapie
- Antibiotika
- Speichelfluss anregen (Kaugummi kauen, Zitrone)
Sialolithiasis (Speichelsteine)
- Lokalisation
- Meist in der Glandula submandibularis (ca. 80%)
- Glandula parotidea (ca. 20%)
- Klinik: Plötzliche Schmerzen bei Nahrungsaufnahme, teilweise mit Drüsenanschwellung
- Diagnostik[1]
- Inspektion der Drüse und des Ausführungsgangs, Suche nach Entzündungszeichen
- Sonografie
- CT
- Evtl. Sialografie
- Ggf. Röntgenaufnahme des Schädels (sog. Mundbodenaufnahme)
- Komplikation: Akute oder chronische Sialadenitis
- Therapie: Dilatation (Schlitzung) des Ausführungsgangs oder Lithotripsie (Zertrümmerung mittels Ultraschall)
Ranula (Fröschleingeschwulst)
- Definition: Retentionszyste der Glandula sublingualis
- Epidemiologie: Meist Mädchen im 12.–18. Lebensjahr
- Ätiologie: Ungeklärt
- Klinik
- Bläulich schimmernde Schwellung unterhalb der Zunge
- Kann je nach Ausmaß Schluck- und Sprechstörungen verursachen
- Therapie
- Exstirpation der Ranula inkl. Glandula sublingualis
- Marsupialisation
Gutartige Tumoren
Pleomorphes Adenom (Mischtumor)
- Lokalisation: Meist Glandula parotidea (ca. 80%)
- Epidemiologie
- Geschlecht: ♀ > ♂
- Alter: Häufigkeitsgipfel in der 4.–5. Lebensdekade
- Häufigster gutartiger Speicheldrüsentumor (85% der gutartigen Speicheldrüsentumoren)
- Ätiologie: Ionisierende Strahlung u.ä.
- Histologie
- Buntes Zellbild mit Myoepithelzellen und chondroidem Gewebe
- Immunhistochemisch wird Zytokeratin exprimiert
- Klinik
- Langsame, einseitige, schmerzlose Schwellung der Glandula parotidea
- Derber, verschieblicher Tumor
- Bei sog. „Eisbergtumoren“ kommt es zu einer Vorwölbung der Pharynxwand, da sich der Tumor in den Parapharyngealraum ausgebreitet hat
- Diagnostik
- Sonografie: Die Sonografie ist das diagnostische Mittel der 1. Wahl bei Speicheldrüsentumoren
- MRT (T2-Wichtung): Scharf begrenzte, hyperintense, teilweise lobulierte Raumforderung
- Komplikation: Selten maligne Entartung (ca. 5%)
- Therapie: Vollständige Exstirpation des Tumors unter Erhalt des N. facialis
- Ggf. abhängig von Lokalisation und Ausbreitung (sub‑)totale Parotidektomie[2]
- Prognose: Sehr gut, Rezidivrate bei 5%
Weitere gutartige Speicheldrüsentumoren (Monomorphe Adenome)
Diese gutartigen Speicheldrüsentumoren werden teilweise auch unter dem Begriff „monomorphe Adenome“ zusammengefasst, da sie hauptsächlich von einem Zelltyp ausgehen – im Gegensatz zu pleomorphen Adenomen, die sowohl epitheliale als auch myoepitheliale Zellen enthalten.
Warthin-Tumor
- Lokalisation: Meist Glandula parotidea
- Epidemiologie
- Geschlecht: ♂ >> ♀
- Alter: Häufigkeitsgipfel in der 6.–7. Lebensdekade
- Zweithäufigster gutartiger Speicheldrüsentumor (10% der gutartigen Speicheldrüsentumoren)
- Ätiologie
- Klinik: Langsame, einseitige, schmerzlose Schwellung der Glandula parotidea
- Diagnostik
- Komplikation: Maligne Entartung sehr selten
- Therapie: Vollständige Exstirpation des Tumors unter Erhalt des N. facialis
Seltene histologische Subtypen
- Onkozytom (ca. 2%)
- Basalzelladenom (ca. 1–2%)
- Myoepitheliom (ca. 1%)
Maligne Tumoren
Die malignen Speicheldrüsentumoren werden aufgrund der ätiologischen, epidemiologischen und pathologischen Ähnlichkeiten gemeinsam besprochen.
- Lokalisation
- Glandula parotidea → Parotiskarzinom
- Weitere
- Karzinome der Submandibulardrüse, Sublingualdrüse
- Karzinome der kleinen Speicheldrüsen des Gaumens oder Mundbodens
- Ätiologie
- Ionisierende Strahlung
- Nikotinabusus
- Virusinfektionen (HIV, HPV)
- Klinik
- Meist schmerzlose Schwellung
- Ggf. klinische Symptomatik durch Infiltration benachbarter Gewebe (bspw. Fazialisparese bei Parotiskarzinom)
- Diagnostik
- Klinische Untersuchung (inkl. Ohrmikroskopie )
- Sonografie der Kopf- und Halsregion
- CT/MRT der Kopf- und Halsregion mit Kontrastmittel
- Pathologie
- Subtypen
- Mukoepidermoides Karzinom (häufigster maligner Speicheldrüsentumor)
- Mischbild aus epidermalen und schleimproduzierenden Zellen
- Unterscheidung zwischen Low-Grade-Formen (prognostisch günstig) und High-Grade-Formen (prognostisch ungünstig)
- Adenoidzystisches Karzinom (veraltete Bezeichnung: Zylindrom)
- Wachstum entlang von Nervenscheiden
- Kribriformes oder tubuläres Wachstumsmuster
- Sehr langsames, aber gefürchtetes infiltratives Wachstum
- Acinuszellkarzinom
- Adenokarzinom
- Metastasen anderer maligner Tumoren im Kopf-/Gesichtsbereich
- Mukoepidermoides Karzinom (häufigster maligner Speicheldrüsentumor)
- Metastasierungswege
- Zunächst lymphogen in die lokoregionären Lymphknoten
- Später hämatogene Metastasierung, v.a. in die Lunge
- Subtypen
- Therapie
-
Kurativer Ansatz
-
Radikale Entfernung der betroffenen Speicheldrüse
- Parotidektomie, wenn möglich unter Erhalt des N. facialis
- Ggf. Neck Dissection
- Ggf. adjuvante Radiotherapie
-
Radikale Entfernung der betroffenen Speicheldrüse
- Palliativ: Chemotherapie
- Komplikationen der Parotidektomie
- Frey-Syndrom = gustatorisches Schwitzen
- „Krokodilstränen“ = Gustolakrimaler Reflex/gustatorisches Weinen
-
Kurativer Ansatz
Tumoren der Glandula submandibularis kommen seltener vor als Tumoren der Glandula parotidea, sind aber häufiger bösartig. Allgemein gilt: Je kleiner die Drüse, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass der Tumor bösartig ist!
In eigenen Kapiteln behandelte Erkrankungen der Kopfspeicheldrüsen
- Erkrankungen, die zu einer Speicheldrüsenentzündung führen
- Sjögren-Syndrom (Chronische Immunsialadenitis)
- Heerfordt-Syndrom
- Mumps (Parotitis epidemica)
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2023
K11.-: Krankheiten der Speicheldrüsen
- K11.0: Speicheldrüsenatrophie
- K11.1: Speicheldrüsenhypertrophie
- K11.2: Sialadenitis
- Exklusive: Febris uveoparotidea [Heerfordt-Syndrom] (D86.8), Parotitis epidemica (B26.‑)
- K11.3: Speicheldrüsenabszess
- K11.4: Speicheldrüsenfistel
- Exklusive: Angeborene Speicheldrüsenfistel (Q38.4)
- K11.6: Mukozele der Speicheldrüsen
- Mukös:
- Extravasationszyste Speicheldrüsen
- Retentionszyste Speicheldrüsen
- Ranula
- Mukös:
- K11.7: Störungen der Speichelsekretion
- Ptyalismus
- Speichelmangel
- Xerostomie
- Exklusive: Mundtrockenheit o.n.A. (R68.2)
- K11.8: Sonstige Krankheiten der Speicheldrüsen
- Benigne lymphoepitheliale Läsion der Speicheldrüsen
- von-Mikulicz-Syndrom
- Nekrotisierende Sialometaplasie
- Sialektasie
- Stenose Speicheldrüsenausführungsgang
- Striktur Speicheldrüsenausführungsgang
- Exklusive: Sicca-Syndrom [Sjögren-Syndrom] (M35.0)
- K11.9: Krankheit der Speicheldrüsen, nicht näher bezeichnet
- Sialoadenopathie o.n.A.
Bösartige Neubildungen
- C06.-: Bösartige Neubildung sonstiger und nicht näher bezeichneter Teile des Mundes
- C06.9: Mund, nicht näher bezeichnet
- Kleine Speicheldrüse, nicht näher bezeichnete Lokalisation
- Mundhöhle o.n.A.
- C06.9: Mund, nicht näher bezeichnet
- C07: Bösartige Neubildung der Parotis
- C08.-: Bösartige Neubildung sonstiger und nicht näher bezeichneter großer Speicheldrüsen
- Exklusive:
- Bösartige Neubildung der kleinen Speicheldrüsen, die entsprechend ihrer anatomischen Lokalisation klassifiziert werden
- Bösartige Neubildung der kleinen Speicheldrüsen o.n.A. (C06.9)
- Parotis (C07)
- C08.0: Glandula submandibularis
- Glandula submaxillaris
- C08.1: Glandula sublingualis
- C08.8: Große Speicheldrüsen, mehrere Teilbereiche überlappend
- Bösartige Neubildung der großen Speicheldrüsen, deren Ursprungsort nicht unter den Kategorien C07–C08.1 klassifiziert werden kann
- C08.9: Große Speicheldrüse, nicht näher bezeichnet
- Speicheldrüse (große) o.n.A.
- Exklusive:
D11.-: Gutartige Neubildung der großen Speicheldrüsen
- Exklusive:
- Gutartige Neubildungen der kleinen Speicheldrüsen, die entsprechend ihrer anatomischen Lokalisation klassifiziert werden
- Gutartige Neubildungen der kleinen Speicheldrüsen o.n.A. (D10.3)
- D11.0: Parotis
- D11.7: Sonstige große Speicheldrüsen
- Glandula:
- sublingualis
- submandibularis
- Glandula:
- D11.9: Große Speicheldrüse, nicht näher bezeichnet
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.