Abstract
Bei etwa einem Drittel aller über 60-jährigen Menschen lassen sich Schleimhautvorwölbungen im Bereich des Kolons finden - unabhängig von der Ätiologie werden diese als "Polypen" bezeichnet. Es werden je nach Genese nicht-neoplastische (bspw. entzündliche oder hamartöse) von neoplastischen Polypen (bspw. Adenome, Karzinome) unterschieden. Mit Abstand am häufigsten (70%) lassen sich Adenome nachweisen, bei denen die Wahrscheinlichkeit einer malignen Entartung (Adenom-Karzinom-Sequenz) vom Wachstumsverhalten abhängt: Das Vorliegen villöser Adenome sowie Größe (>1cm) und Anzahl der Wucherungen erhöhen das Entartungsrisiko. Aufgrund der makroskopisch nicht eindeutig beurteilbaren Dignität sollten Adenome grundsätzlich endoskopisch oder bei größeren Befunden auch operativ entfernt werden.
Zusätzlich finden sich in dieser Lernkarte vererbliche Krankheiten mit multiplen Polypen, bspw. die familiäre adenomatöse Polyposis (FAP) und das Peutz-Jeghers-Syndrom. Da einige dieser Erkrankungen mit einem massiv erhöhten Risiko für die Entwicklung eines Karzinoms (Lebenszeitrisiko für die Entwicklung eines Kolonkarzinoms bei FAP: 100%) einhergehen, ist eine engmaschige Überwachung und in manchen Fällen sogar die prophylaktische Proktokolektomie empfohlen.
Epidemiologie
- Bei ca. 30% der Menschen >60 Jahren
- Kolorektale Polypen sind zu 70% Adenome
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
Klassifikation
Histologische Unterteilung der Kolonpolypen
- Neoplastischer Polyp (zumeist Adenom)
- Adenom = Neoplasie epithelialen Ursprungs
- Breitbasiges oder gestieltes Wachstum möglich
- Großteil der Kolonkarzinome entwickeln sich aus Adenomen (Adenom-Karzinom-Sequenz)
Häufigkeit der Adenome (tubulär>tubulovillös>villös) | Entartungsrisiko (villös>tubulovillös>tubulär) | Charakteristika | |
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Tubuläres Adenom |
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Tubulovillöses Adenom |
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Villöses Adenom |
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Das villöse Adenom ist zwar seltener als das tubuläre Adenom, hat aber ein deutlich höheres Entartungsrisiko!
"Je villöser desto böser!"
- Entzündlicher Polyp
- Benigne Schleimhautveränderung
- Auftreten bspw. bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen
- Hyperplastischer Polyp
- Sessiles serratiertes Adenom
- Ähnliche Morphologie wie hyperplastischer Polyp, hohes Entartungsrisiko
- Typischerweise größer als 5mm, Lokalisation meist im rechtsseitigen Kolon
- Kann direkt in Adenokarzinom übergehen
- Hamartom
- Atypische Ausdifferenzierung von Keimmaterial
- Angeboren, evtl. Syndrom-assoziiert
Symptome/Klinik
- Meistens asymptomatischer Zufallsbefund
- Evtl. schleimiger, blutiger Stuhl
- Evtl. Stuhlveränderungen (Obstipation oder Diarrhö)
Verlaufs- und Sonderformen
Sonderformen: Hereditäre gastrointestinale Polyposis-Syndrome
Vorwiegend adenomatös
Familiäre adenomatöse Polyposis (FAP)
- Vererbung
- Autosomal-dominant (positive Familienanamnese)
- Zu 25% Neumutation
- Mutation des APC-Tumorsuppressor-Gens
- Klinik
- Endoskopische Diagnostik
- >100 Polypen im gesamten Gastrointestinaltrakt, insbesondere im Kolon
- Tubuläre, tubulovillöse und villöse Adenome
- Desmoidtumoren
- Prognose: Lebenszeitrisiko für kolorektales Karzinom 100%
- Therapie
- Vorsorgeuntersuchungen ab dem 10. Lebensjahr (jährliche Rektosigmoidoskopie; bei Adenomnachweis jährlich komplette Koloskopie)
- Prophylaktische Proktokolektomie
- Sonderform: Gardner-Syndrom
- Klinik: Intestinale Polyposis, Knochentumoren (bspw. Osteome), Weichteiltumoren (bspw. Epidermoidzysten)
MUTYH-assoziierte Polyposis
- Ätiologie
- Autosomal-rezessive Vererbung
- Mutation im MUTYH-Gen
- >20 Polypen
- Prognose: Lebenszeitrisiko für kolorektales Karzinom: 80–100%
Vorwiegend hamartomatös
Peutz-Jeghers-Syndrom
- Genetik
- Zu 50% autosomal-dominante Vererbung
- Zu 50% Neumutation
- Endoskopische Diagnostik: Meist <20 Polypen, vorwiegend im Dünndarm
- Prognose
- Lebenszeitrisiko für kolorektales Karzinom: 40%
- Erhöhtes Risiko für Ovarial-, Mamma- und Pankreaskarzinom
- Besonderheit: Periorale Hyperpigmentierung
Familiäre juvenile Polyposis
- Familiäre Häufung (bei 30%)
- Lebenszeitrisiko für kolorektales Karzinom: 20–70%
Cowden-Syndrom
- Autosomal-dominant vererbt
- Papeln und Hyperkeratosen der Haut und Schleimhäute
- Multiple gastrointestinale Polypen und Adenome
- Veränderungen im Bereich der Schild- und Brustdrüse
- Erhöhtes Risiko an einem kolorektalen Karzinom zu erkranken
Diagnostik
- Körperliche Untersuchung: Rektal-digital
- Bildgebung: Virtuelle Koloskopie
- Interventionell
- Rekto-/Koloskopie
- Endorektale Sonografie bei Adenomen im Rektum
Nachweis eines Adenoms → Absuchen des gesamten Kolons!
Therapie
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Koloskopische Entfernung und histologische Beurteilung
- ≤5 mm: Biopsiezange
- >5 mm: Elektrische Schlinge
- Großflächige Adenome (v.a. villöse), bei denen eine sichere Schlingenabtragung nicht möglich ist: Transanale endoskopische Mikrochirurgie (TEM)
- Bei großen Polypen oder Malignitätsverdacht: Operative Resektion (→ Therapie des kolorektalen Karzinoms)
Prävention
Zur Nachsorge: Siehe Darmkrebsvorsorge
Studientelegramme zum Thema
- Studientelegramme Innere Medizin
- DGIM-Studientelegramm 1-2019-5/8: Routinemäßiger Clip-Verschluss nach endoskopischer Resektion größerer Kolonpolypen möglicherweise ineffektiv zur Prophylaxe von Nachblutungen
- One-Minute Telegram (aus unserer englischsprachigen Redaktion)
- One-Minute Telegram 68-2023-3/3: They tested their poo, but didn’t follow through
- One-Minute Telegram 62-2022-3/3: Colonoscopy for colorectal cancer screening saves lives, but only if you get one
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2023
- K63.-: Sonstige Krankheiten des Darmes
- K63.5: Polyp des Kolons
- Hyperplastischer Polyp
- Polyp o.n.A.
- Exklusive: Adenomatöser Polyp des Kolons (D12.6); Polyposis coli (D12.6)
- K63.5: Polyp des Kolons
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.