Abstract
Als umgangssprachlicher Sammelbegriff werden unter den sog. Kadi-Läsionen fünf Verletzungen im Kindes- und Jugendalter zusammengefasst, bei denen man im ungünstigsten Fall als Arzt vor dem Richter bzw. „Kadi“ landet. Die betreffenden Verletzungen sind initial klinisch eher unscheinbar und können bei verzögerter, unvollständiger Diagnose bzw. Therapie zu schwerwiegenden und nachhaltigen Komplikationen führen. Im Folgenden sind die Kadi-Läsionen der Lokalisationen Ellenbogen (3), Knie (1) und oberes Sprunggelenk (1) aufgeführt. [1][2][3][4]
Kadi-Läsionen des Ellenbogens
Instabile Fraktur des Condylus radialis humeri
- Problematik: Trochlea meist noch knorpelig (Altersgipfel 5. Lebensjahr) → Frakturverlauf bei undislozierten Brüchen im knorpeligen Anteil durch Röntgen nicht beurteilbar
- Stabil bei inkomplettem Knorpelabriss → Ausheilung mittels konservativer Therapie in Oberarmcast oder -gipsschiene für ca. 4 Wochen
- Instabil bei komplettem Knorpelabriss → Operative Therapie mit Schrauben- oder K-Draht-Osteosynthese notwendig, sonst schwerwiegende Komplikationen (Wachstumsstörungen, verzögerte Konsolidierung, Pseudarthrose und Ausheilung in Fehlstellung)
- Empfehlung für initial undislozierte Frakturen: Gipsfreie Röntgenkontrolle nach ca. vier Tagen
- Keine sekundäre Dislokation: Weiter konservatives Prozedere
- Sekundäre Dislokation: Operative Therapie mit ggf. anschließendem Oberarmcast oder -gipsschiene für 2–3 Wochen
Luxation des Radiuskopfes
- Problematik: Initial einfache Reposition mit gutem Ergebnis, sekundäre Reposition erschwert bzw. nur nach vorheriger Ulnaosteotomie möglich (i.d.R. schlechtere Langzeitergebnisse )
- Empfehlung
- Diagnostik: Röntgendarstellung des Ellenbogens nach diaphysärem Trauma des Unterarmes
- Normaler Befund: Projektion der Radiusachse auf das Zentrum des Capitulum humeri
- Therapie: Sofortige geschlossene Reposition nach Beseitigung der Ulnapathologie
- Diagnostik: Röntgendarstellung des Ellenbogens nach diaphysärem Trauma des Unterarmes
Suprakondyläre Humerusfraktur mit Rotationsfehler
- Problematik: Übersehen von Fehlstellungen
- Antekurvation: Ausbildung einer Flexionshemmung
- Rotationsfehler: Ausgeprägte Instabilität mit ulnarseitiger Verkippung des distalen Fragmentes und daraus resultierendes schlechtes kosmetisches Ergebnis
- Empfehlung
- Röntgendiagnostik: Insb. auf Rotationssporn achten , Fat-Pad-Zeichen
- Therapie: Operative Rekonstruktion von korrekter Achse und Rotation → Kontrolle durch Orientierung anhand der Gegenseite: seitengleiches Bewegungsausmaß und Tragewinkel
Kadi-Läsionen des Knies
Grünholzfraktur der proximalen Tibiametaphyse
- Problematik: Medial klaffender Frakturspalt mit Valgusfehlstellung → Wachstumsstimulation der medialen Epiphysenfuge → Proportionale Verstärkung des initialen Valgus mit Verlängerung der betroffenen Tibia → Nach Abschluss des Fehlwachstums Beginn der Spontankorrektur
- Empfehlung: Primäre Korrektur der Valgusfehlstellung
- Therapiemöglichkeiten
- Ruhigstellung im Oberschenkelgips mit gestrecktem Knie und Varusstress → Röntgenkontrolle nach acht Tagen und ggf. laterale Gipskeilung
- Geschlossene Reposition in Allgemeinanästhesie mit anschließender Ruhigstellung im Oberschenkelgips mit ca. 20 ° Flexion im Knie und Varusstress
- Reposition und mediale Kompression durch z.B. Plattenosteosynthese oder Anlage eines Fixateur externe
- Therapiemöglichkeiten
Kadi-Läsionen des Sprunggelenkes
Fraktur des Malleolus medialis der distalen Tibia
- Problematik
- Erschwerte Diagnostik: Nicht immer in a.p.-Projektion sichtbar bzw. das Ausmaß der Dislokation beurteilbar
- Komplikation bei unbehandelter dislozierter Fraktur: Hemmende Wachstumsstörung mit Achsfehler
- Empfehlung
- Zusätzliche Schrägaufnahme bei klinischem Verdacht oder unzureichender Beurteilbarkeit des Dislokationsausmaßes
- Operative Korrektur (z.b. Schraubenosteosynthese mit Kompression) bei Dislokation
- Klinische halbjährliche Nachkontrollen für mind. 2 Jahre