Abstract
Immunsuppressiva senken auf unterschiedliche Arten die Immunabwehr des Körpers. Zur Immunsuppression kommen verschiedene Substanzen zum Einsatz, die mit uneinheitlichen Wirkmechanismen Einfluss auf die zelluläre und humorale Immunantwort nehmen. Einsatzgebiet sind vorwiegend Organtransplantationen, Autoimmunerkrankungen sowie die zytostatische Therapie. Eine erhöhte Infektanfälligkeit ist allen Immunsuppressiva als Nebenwirkung gemein.
Übersicht
Wirkmechanismus | zelluläre Immunantwort↓ | humorale Immunantwort↓ | |||
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Ciclosporin A | Bindung an Cyclophilin → Hemmung von Calcineurin → IL-2-Produktion↓ → Aktivierung der T-Lymphozyten↓ | ✓ | |||
Tacrolimus | Bindung an FKBP 12 → Hemmung von Calcineurin → IL-2-Produktion↓ → Aktivierung der T-Lymphozyten↓ | ✓ | |||
Sirolimus (Rapamycin) | Bindung an FKBP 12 → Hemmung von mTOR-Kinase → Hemmung des IL-2-vermittelten Zellzyklus → Hemmung der Proliferation der T-Lymphozyten | ✓ | |||
Mycophenolat-Mofetil | Hemmung der Inosinmonophosphat-Dehydrogenase → selektive Proliferationshemmung von Lymphozyten | ✓ | ✓ | ||
Glucocorticoide | Hemmung des intrazellulären NF-κB → multiple Entzündungs- und Immunmediatoren werden gehemmt | ✓ | ✓ | ||
Zytostatika | Azathioprin (6-Mercaptopurin ) | Purin-Analogon (Antimetabolit) → u.a. Einbau einer falschen Base → DNA-Replikation↓ | ✓ | (✓) | |
Methotrexat | Folsäure-Antagonist (Antimetabolit) → Purin- und Pyrimidin- und dadurch DNA-Synthese↓ | ✓ | ✓ | ||
Cyclophosphamid | Alkylans: Alkylierung von DNA/RNA → Vernetzung und Strangbrüche → DNA-Synthese gestört | (✓) | ✓ | ||
Biologicals | Spezifische Bindung an relevante Strukturen in der Immunkaskade | (✓) | (✓) |
Wirkung
Ciclosporin A |
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Tacrolimus (FK506) |
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Glucocorticoide |
|
Azathioprin |
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Methotrexat |
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Biologicals
- Rekombinant hergestellte Proteine, die gezielt in immunologische Prozesse eingreifen
- Meist Antikörper (seltener Proteine mit Bindungsfunktion)
- Einsatz bei Autoimmunerkrankungen und Malignomen
- Zwar teilw. aufwendig und kostspielig, stellt aber in einigen Fällen eine deutliche Steigerung des Behandlungserfolges dar
Antikörper | Typ | Target | Anwendung |
---|---|---|---|
Infliximab | chimär | TNF-α-Hemmung |
CAVE: Nebenwirkungen und Kontraindikationen einer Anti-TNF-α-Therapie |
Adalimumab | human | ||
Etanercept | Fusionsprotein | ||
Rituximab | chimär |
| |
Alemtuzumab | humanisiert | CD52 |
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Natalizumab | humanisiert | α4-Integrin |
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Omalizumab | humanisiert | IgE |
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Muromonab-CD3 | Maus-AK | CD3 von T-Lymphozyten |
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Basiliximab | chimär | α-Kette (CD25-Antigen) des IL-2-Rezeptors von T-Lymphozyten |
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Daclizumab | humanisiert | α-Kette (CD25-Antigen) des IL-2-Rezeptors von T-Lymphozyten |
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Trastuzumab | humanisiert | HER2/neu |
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Bevacizumab | humanisiert | VEGF |
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Cetuximab | chimär | EGFR |
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Canakinumab | humanisiert | Interleukin-1 (spezifisch für IL-1β) |
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Die Namensgebung besitzt eine gewisse Systematik und teilt die Medikamente in die folgenden vier Abschnitte: 1. Präfix (variabel), 2. Wirkbereich (bspw. -ci(r)- für Blutkreislauf, oder -li(m)- für Immunsystem), 3. Organismus, aus dem der Antikörper stammt (bspw. -u- für human, oder -xi- für chimär) und 4. Endung -mab (steht für „monoclonal antibody“)! |
Nebenwirkung
Eine immunsuppressive Therapie geht ihrem Wirkprinzip entsprechend mit dem Risiko einer erhöhten Infektanfälligkeit einher!
Bei allen Patienten unter immunsuppressiver Therapie soll regelmäßig der Impfstatus geprüft und Impfungen gemäß den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) aufgefrischt werden. (DGIM - Klug entscheiden in der Rheumatologie)
Ciclosporin A
- Nephrotoxisch
- RR↑
- Neurotoxisch
- Fibröse Gingivahyperplasie
- Hirsutismus und/oder Hypertrichose
-
Diabetogene Wirkung (insb. nach Organtransplantationen) → Strenge Indikationsstellung bei:
- Hyperurikämie
- Hyperlipidämie
- Leberenzymerhöhungen
- Zunahme von Malignomen und Infektionserkrankungen
Tacrolimus
- Nebenwirkungen ähnlich wie Ciclosporin A (allerdings kaum Gingivahyperplasie und Hirsutismus), zusätzlich Haarausfall → Keine Kombination von Tacrolimus und Ciclosporin
Glucocorticoide (siehe dort)
Azathioprin/6-Mercaptopurin
-
Myelosuppressiv
- Verstärkung durch Interaktion mit Allopurinol
- Es gibt Patienten mit genetischem Polymorphismus (verminderte Thiopurin-Methyltransferase), bei denen es zu einem langsameren Abbau und damit zur Überdosierung von Azathioprin kommen kann. Da vor der Therapie eine Testung ohne weiteres möglich ist, wird empfohlen, diese vor einer geplanten hohen Dosierung vorzunehmen.
- Pankreatitis, Hepatitis
- Deutlich erhöhtes Risiko für Nicht-Melanom-Hautkrebs
Methotrexat
- Myelosuppression
- Mukositis (v.a. Stomatitis, Enteritis), Infektanfälligkeit
- Hepatotoxizität, Nephrotoxizität
- Lungenfibrose
- Haarausfall
Rote-Hand-Brief zu Methotrexat [5]
In der zytostatischen Tumortherapie kann Methotrexat z.T. täglich gegeben werden, zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen nur einmal wöchentlich !
- Maßnahmen zur Verhinderung von Dosierungsfehlern bei Patienten mit Autoimmunerkrankungen
- Verschreibung nur durch Ärzte mit Erfahrung im Umgang mit Methotrexat
- Ausführliche und wiederholte Aufklärung und Schulung von Patienten bzw. Pflegekräften über korrekte Dosierung und Anzeichen einer Überdosierung
- Gemeinsame Festlegung eines Wochentags, an dem Methotrexat eingenommen wird
- Bei jeder neuen Verordnung prüfen, ob die Dosierungsanweisung verstanden wurde
- Umgehende ärztliche Konsultation bei V.a. Überdosierung
„Rescue-Therapie“ („Leucovorin®-Rescue“)
- Durch die Gabe von Folsäure kann die Wirkung von Methotrexat bzw. die Nebenwirkungsrate abgeschwächt werden
- Eingesetzt werden Folsäure und Folinsäure (aktive Folsäure, Leucovorin®=Calciumfolinat)
- Indikation
- Prophylaktisch mit 24–48h Latenz bei Dauermedikation (bspw. Therapie einer rheumatoiden Arthritis) → Folsäure
- Methotrexat-Intoxikation, hochdosierte MTX-Gabe (Beginn: 24h nach Applikation; Dauer: Solange MTX-Spiegel in kritischer Höhe) → Folinsäure
- Indikation
Als Immunsuppressiva eingesetzte Zytostatika (z.B. Cyclophosphamid)
Biologicals
- Allgemeine Nebenwirkungen
- Grippeähnliche Beschwerden
- Leukozytose oder Leukopenie
- Thrombozytopenie, Anämie
- Allergische Reaktionen
- GPT, GOT und AP↑
- Spezielle Kontraindikationen einer Anti-TNF-α-Therapie (Infliximab, Adalimumab, Etanercept)
-
Schwangerschaft
- Rote-Hand-Brief zu Infliximab: Erhöhtes Risiko für Infektionen mit schwerem Verlauf bei Säuglingen, die in utero oder über die Muttermilch gegenüber Infliximab exponiert waren [6]
- Keine Anwendung von Lebendimpfstoffen bei Säuglingen in den ersten 12 Lebensmonaten nach Infliximab-Exposition in utero bzw. während der Stillzeit, wenn eine Exposition über die Muttermilch besteht
- Rote-Hand-Brief zu Infliximab: Erhöhtes Risiko für Infektionen mit schwerem Verlauf bei Säuglingen, die in utero oder über die Muttermilch gegenüber Infliximab exponiert waren [6]
- Immunsupprimierte Personen
- Akute klinisch-manifeste Infektion
-
Chronische Infektionen (insb. Tuberkulose), da Reaktivierung einer latenten Tuberkulose möglich
- → Vor Beginn der Medikation latente Tuberkulose ausschließen
- Multiple Sklerose
- Malignome
- Mittelschwere bis schwere Herzinsuffizienz (NYHA III/IV)
-
Schwangerschaft
Zum Ausschluss einer latenten Tuberkulose bzw. um die Aktivierung zu vermeiden, muss vor Einsatz ein Quantiferon-Test (früher Tuberkulintest) durchgeführt werden!
Es werden die wichtigsten Nebenwirkungen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Indikation
- Erkrankungen mit autoimmuner Komponente
- Rheumatoide Arthritis
- Kollagenosen (Dermatomyositis/Polymyositis, systemischer Lupus erythematodes)
- Blasenbildende Hauterkrankungen (bullöses Pemphigoid, Pemphigus vulgaris)
- Vaskulitiden (Granulomatose mit Polyangiitis)
- Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (Morbus Crohn, Colitis ulcerosa)
- Autoimmunhepatitis
- Lungenfibrose, Sarkoidose
- Multiple Sklerose
- Myasthenia gravis
- Glomerulonephritis
- Zytostatische Therapie
- Immunsuppression nach Organtransplantation
Die Einnahmeintervalle können in Abhängigkeit von der zugrundeliegenden Indikation erheblich variieren! In der zytostatischen Tumortherapie kann Methotrexat z.T. täglich gegeben werden, zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen nur einmal wöchentlich! Siehe hierzu: Rote-Hand-Brief zu Methotrexat.
Interaktion
Azathioprin
- Allopurinol: Hemmung der Xanthinoxidase , was zu einer erhöhten Knochenmarkstoxizität des Azathioprins führt
- Vermeiden einer gleichzeitigen Gabe
- Bei notwendiger Komedikation: Senkung der Azathioprin-Dosis auf etwa 25% der Normaldosierung
Allopurinol bewirkt eine toxische Kumulation von Azathioprin! Die benötigte Wirkstoffmenge reduziert sich auf ca. 1/4 der Dosis und muss unbedingt angepasst werden!
Studientelegramme zum Thema
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- DGIM-Studientelegramm 1-2020-1/5: Weniger R-CHOP ist mehr beim aggressiven B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphom
- Studientelegramm 85-2019-1/3: Rituximab in der Therapie der membranösen Glomerulonephritis?
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COVID-19 und Immunsuppressiva (April 2020)
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Azathioprin
Methotrexat
Ciclosporin
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