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Grundlagen der Kinderanästhesie

Letzte Aktualisierung: 17.11.2023

Abstracttoggle arrow icon

Kinder unterscheiden sich in vielen anatomischen und physiologischen Gegebenheiten von Erwachsenen. Dieser Umstand, mangelnde Erfahrung und die Verwendung ungewohnt kleiner Materialien rufen bei vielen eine Verunsicherung hervor, die nicht regelmäßig in der Kinderanästhesie tätig sind. Eine fundierte Kenntnis der theoretischen Grundlagen, praktisches Training im Umgang mit den Materialien sowie die Kenntnis abweichender Dosierungen können dieser Verunsicherung entgegenwirken und Komplikationen vorbeugen. Im praktischen Alltag sind eine adäquate präoperative Vorbereitung und eine strukturierte, ruhige Arbeitsweise essenziell, um das Kind sicher durch die Narkose zu bringen.

Das folgende Kapitel bietet einen Überblick über die wichtigsten anatomischen und physiologischen Grundlagen bei Kindern, die anästhesiologischen Besonderheiten und häufige intra- und postoperative Komplikationen.

Anatomische und physiologische Grundlagentoggle arrow icon

Entwicklungsstufen [1][2]

  • Durchschnittliches Geburtsgewicht: Ca. 3,5 kg
  • Orientierende Gewichtsentwicklung
    • 5–6 Monate: Geburtsgewicht × 2
    • 12 Monate: Geburtsgewicht × 3
    • 24 Monate: Geburtsgewicht × 4
    • >24 Monate: Zunahme um ca. 5 kg alle 2 Jahre
  • Formeln zur Schätzung des Körpergewichts (in kg)
    • Säuglinge: (Alter in Monaten + 9) ÷ 2
    • Kinder: (Alter in Jahren + 4) × 2
  • Meilensteine der Entwicklung (Auswahl)
    • Soziales Lächeln: 6 Wochen
    • Kopfheben (Bauchlage): 2 Monate
    • Sitzen: 6 Monate
    • Stehenbleiben: 9 Monate
    • Frei stehen: 12 Monate
    • Laufen: 12–15 Monate

Körperbau [1]

  • Verhältnismäßig groß: Kopf und Abdomen
    • Veränderte anatomische Lagebeziehungen
    • Möglicher intrakranieller Blutverlust↑ bei SHT
    • Blutanteil in inneren Organen↑ [3]
  • Verhältnismäßig klein: Thorax und Extremitäten

Zerebrale Entwicklung [4][5][6][7]

  • Grundlagen
    • Kindliches Gehirn empfindlicher für Noxen
    • Neurotoxizität von Allgemeinanästhetika weiterhin Gegenstand der Forschung
      • Hinweise aus tierexperimentellen Studien zu negativen Einflüssen auf das sich entwickelnde Gehirn
      • Möglicher schädlicher Einfluss einer Allgemeinanästhesie auf die neurokognitive Entwicklung von Kindern, insb. in ersten 4 Lebensjahren [8]
      • In anderen Studien kein direkter Zusammenhang [9]
  • Konsequenzen für die Narkoseführung

Bislang gibt es keine klinische Evidenz für eine anästhetikainduzierte Neurotoxizität bei Kindern! [4]

Atemwege und Lunge [1][3]

Kinder haben eine geringere Sauerstoffreserve als Erwachsene!

Herz-Kreislauf-System [3]

Kinder haben einen höheren Sauerstoffverbrauch als Erwachsene!

Flüssigkeitshaushalt [1][11][12]

Wärmehaushalt [1]

  • Risiko für Wärmeverluste↑ aufgrund dünner Haut und verhältnismäßig großer Körperoberfläche
  • Höhere Normaltemperatur: Bei Kleinkindern bis 5 Jahre rektal 36,5–38,0 °C [13]
  • Shivering: Erst ab 6 Jahre [2]

Präoperative Anamnese und Diagnostiktoggle arrow icon

Anamnese und Aufklärung [14]

Körperliche Untersuchung [14]

Diagnostik [14]

  • Labordiagnostik
    • Nicht notwendig bei unauffälliger (Gerinnungs‑)Anamnese und regelrechtem Untersuchungsbefund
    • Mögliche Indikationen
  • Bei V.a. bisher unbekannte Herzerkrankung: Kinderkardiologisches Konsil
  • Bildgebende Diagnostik: Strenge und individuelle Indikationsstellung

Risikoevaluation [14][17]

Ambulantes Operieren [10]

  • Voraussetzungen für eine ambulante OP: Vergleichbar mit denen Erwachsener
  • Altersgrenze: Abhängig von Zustand des Kindes, Ausstattung der Klinik und Erfahrung des Personals
    • Richtwert für nicht-spezialisierte Praxen: 6 Monate–1 Jahr
    • Bei Neugeborenen: Möglichkeit zur stationären Aufnahme erforderlich
    • Ehemalige Frühgeborene nicht vor einem postkonzeptionellen Alter ≥50 Wochen

Präoperative Vorbereitung [10][16]

Bei Säuglingen <1 Jahr ist die Maximaldosis schon mit zwei EMLA®-Pflastern erreicht!

Anästhesiologische Besonderheitentoggle arrow icon

Die Anästhesie bei Kindern erfordert ein altersentsprechendes Vorgehen. Die hier aufgeführten Informationen dienen einer ersten Orientierung und beziehen sich i.d.R. auf Termingeborene. Für spezifische Informationen zum Vorgehen bei bestimmten Krankheitsbildern siehe:

Zugängetoggle arrow icon

Periphere Venenverweilkanüle [1]

  • Besondere Herausforderungen bei Kindern
    • Insb. bei kleinen Kindern vergleichsweise schwierige Anlage, daher hohe Rate an Fehlpunktionen
    • I.d.R. weniger Toleranz gegenüber einer schmerzhaften Prozedur als bei Erwachsenen
  • Anwendung
    • Kritische Indikationsstellung
    • Schon im ersten Versuch optimale Bedingungen schaffen
    • Ggf. Transillumination oder Sonografie zur Identifikation des besten Punktionsortes nutzen
    • In der Notfallsituation: Frühzeitig Umstieg auf intraossären Zugang erwägen
    • Adäquate Fixierung des Kathetersystems gegen Zug sicherstellen [19]
    • Lokalisation [19]
  • Orientierende Größen [10]
    • Frühgeborene: 26–22 G
    • Kinder bis 5 Jahre: 24–20 G
    • Kinder ab 5 Jahren: 20–18 G

Intraossärer Zugang [1]

Zentraler Venenkatheter [10]

Arterieller Katheter [3][20]

Monitoringtoggle arrow icon

Ziel- und Grenzwerte des MAP in der Kinderanästhesie [1][22]
Patientengruppe Mittlerer arterieller Druck (MAP)
Zielwert Grenzwert für akuten Handlungsbedarf
Neugeborene/Säuglinge >40 mmHg <30 mmHg
Kleinkinder >50 mmHg <40 mmHg
Schulkinder >60 mmHg <50 mmHg

Dosierung von Medikamententoggle arrow icon

Sicherheitsgrundsätze zur Medikamentengabe in der Kinderanästhesie [23]

  • Grundlage für therapeutische Entscheidungen: Wissenschaftliche Evidenz und allgemeine Erfahrung
  • Pharmakologische Kenntnisse zur Verabreichung des Medikaments bei Kindern sicherstellen
  • Vier-Augen-Prinzip: Vor jeder Gabe
  • 5-R-Regel: Vor jeder Gabe prüfen
    1. Richtiges Medikament?
    2. Richtige Dosis?
    3. Richtiger Zeitpunkt?
    4. Richtiger Verabreichungsweg?
    5. Richtige:r Patient:in?
  • Kenntnis altersgruppenspezifischer Dosierungen
  • Orientierung am Normalgewicht bei ausgeprägter Adipositas
  • Exakte Ermittlung und Dokumentation des aktuellen Körpergewichts vor geplanten Eingriffen
  • Überprüfung der Dosierung (bspw. mit Tabellen, Rechnern) bei
  • Vor jeder Medikamentengabe
    • Laute Wiederholung der Dosierung durch alle Beteiligten
    • Einigkeit aller Beteiligten über Korrektheit der Medikamentengabe
  • Verwechslungsgefahr minimieren: Möglichst keine Medikamente mit ähnlich klingenden Handelsnamen oder Verpackungen vorhalten
  • Lagerung an einheitlichem Ort
  • Spritzen mit genormtem Etikett kennzeichnen (Skala der Spritze dabei nicht überkleben)
  • Verdünnungen nach Möglichkeit vermeiden, kleine Spritzen verwenden
  • Etablierung einer funktionierenden Fehlerkultur
  • Regelmäßiges Training technischer und nicht-technischer Fähigkeiten (Simulationstraining)

Pharmakokinetik [1][10]

  • Kindliches HZV deutlich höher als beim Erwachsenen
    • Schnellere Umverteilung von Pharmaka
    • Erforderliche Dosis↑, Zeit bis zur maximalen Wirkung↓
  • Proteinbindung von Medikamenten geringer als bei Erwachsenen
  • Größeres ExtrazellulärvolumenVerteilungsvolumen für Pharmaka↑ → Erforderliche Dosis↑

Berechnung der Dosierung [2][24]

  • Grundsätze
    • Dosierung individuell berechnen (im Zweifel Dosierungstabellen nutzen)
    • Körpergewichtsbasierte Dosierung unterliegt Ungenauigkeiten
  • Orientierende Richtlinien zur Dosierung
    • Abschätzregel: Dosis [in % der Erwachsenendosis] = Alter des Kindes [in Jahren] / (Alter des Kindes [in Jahren] + 12) × 100
    • Altersregel: Dosis [in % der Erwachsenendosis] = 4 × Alter des Kindes [in Jahren] + 20
    • Körperoberflächenregel: Dosis [in g] = Körperoberfläche des Kindes [in m2] × Erwachsenendosis [in g] / 1,73 m2
Orientierende Werte für die Dosierung nach Alter [24]
Bruchteil von der gängigen Erwachsenendosis
1 Monat 1/8
1 Jahr 1/4
7 Jahre 1/2
12 Jahre 3/4

Die Dosierung muss individuell angepasst werden! Eine pauschale Dosierung linear zum Körpergewicht führt i.d.R. zu einer Überdosierung bei großen und zu einer Unterdosierung bei kleinen Personen! [24]

Übersicht gängiger Medikamente in der Kinderanästhesie [10][24]

Allgemeinanästhetika

Übersicht gängiger Allgemeinanästhetika in der Kinderanästhesie
Gruppe Medikament Orientierende Dosierung Besonderheiten
Inhalationsanästhetika
  • Keine Anwendung zur Narkoseeinleitung bei Kindern
  • Nur mit besonderer Vorsicht anwenden bei Kindern <2 Jahren
Injektionsanästhetika
  • Injektionsschmerz
  • Für Kinder <1 Monat nicht zugelassen
  • Narkoseeinleitung
    • 1–3 mg/kgKG i.v.
    • 5–12 mg/kgKG i.m. als Ultima Ratio bei sehr unkooperativem Kind

Muskelrelaxanzien und Sugammadex

Übersicht gängiger Muskelrelaxanzien in der Kinderanästhesie
Gruppe Medikament Orientierende Dosierung Besonderheiten
Muskelrelaxanzien
  • Intubationsdosis
    • 2–6 Monate: 0,1–0,15 mg/kgKG i.v.
    • 7 Monate–12 Jahre: 0,1–0,2 mg/kgKG i.v.
  • Intubationsdosis
    • Neugeborene: 0,3 mg/kgKG i.v.
    • Kinder: 0,5–0,6 mg/kgKG i.v.
  • Intubationsdosis: 1 Monat–12 Jahre: 0,15 mg/kgKG i.v.
  • Intubationsdosis [32]
    • Kleinkinder: 0,9–1,2 mg/kgKG i.v.
    • Kinder: 1–5 Jahre 0,6–0,8 mg/kgKG i.v.
Komplexbildner für Muskelrelaxanzien
  • Geringe klinische Erfahrung bei jüngeren Kindern und tieferen Blockaden

Opioide

Übersicht gängiger Opioide in der Kinderanästhesie
Gruppe Medikament Orientierende Dosierung Besonderheiten
Opioide
  • TIVA: 0,1–0,5 μg/kgKG/min kontinuierlich i.v.
  • Keine Bolusgaben
  • Altersbeschränkung beachten [35][36]
  • Nach Wirkung titrieren
  • Für Kinder <1 Monat nicht zugelassen

Lokalanästhetika

Übersicht gängiger Lokalanästhetika in der Kinderanästhesie
Gruppe Medikament Orientierende Dosierung Besonderheiten
Lokalanästhetika
  • Single-Shot-Gabe (Ropivacain 0,2% bzw. Bupivacain 0,25%)
  • Kontinuierliche Gabe
    • <3 Monate: 0,2 mg/kgKG/h (Konzentration 0,1–0,125%)
    • 3–5 Monate: 0,3 mg/kgKG/h (Konzentration 0,1–0,125%)
    • ≥6 Monate: 0,4 mg/kgKG/h (Konzentration 0,2–0,25%)

Atemwegsmanagementtoggle arrow icon

Maskenbeatmung [3]

  • Vorüberlegungen
    • Notwendigkeit einer Atemwegssicherung prüfen
    • Maskennarkose insb. für kurze Eingriffe ohne Relaxierung erwägen
  • Größe der Beatmungsmaske
  • Besonderheiten bei Kindern
    • Verwendung von Masken mit minimalem Totraumvolumen
    • Runde Masken mit weichem Rand insb. bei Säuglingen besser abdichtbar

Beatmungsbeutel [3]

  • Vorüberlegungen
    • Erwachsenenbeutel nicht geeignet
    • Größenorientierung an Körpergewicht
  • Volumen des Beatmungsbeutels
    • <15 kgKG: 1 L
    • 15–50 kgKG: 2 L
    • >50 kgKG: 3 L

Guedel-Tuben [3]

Supraglottische Atemwegshilfen

Intubation

  • Vorüberlegungen
    • Häufig schwieriger, insb. bei kleinen Kindern, wenig Erfahrung und Verwendung des falschen Materials
    • Oft hoher Zeitdruck (schnellere Entsättigung als bei Erwachsenen)
    • Bei mangelnder Erfahrung: Verwendung einer Larynxmaske erwägen
  • Größe des Tubus: Je nach Lebensalter, siehe: Auswahl der Tubusgröße
  • Lagerung: Kopflagerung in einem Ring oder auf einem flachen Kissen mit zentraler Aussparung
  • Spatel [2][3]
  • Laryngoskop: Großzügig Videolaryngoskop erwägen (auch zu Lehrzwecken sinnvoll)
  • Zugangswege
  • Einführtiefe (oral) : Orientierend nach Körpergewicht
    • Neugeborene: 1,2,3-kg-7,8,9-cm-Regel
      • 1 kgKG: 7 cm Einführtiefe
      • 2 kgKG: 8 cm Einführtiefe
      • 3 kgKG: 9 cm Einführtiefe
    • Ab 1 Jahr: 12 cm, jedes weitere Jahr + ½ cm
  • Cuffdruck: 20 cmH2O
Abschätzung von Alter und Tubusgröße im Notfall [1]
Entwicklungsstand Geschätztes Alter Tubusgröße
Säugling, keine Zähne <6–8 Monate 3.0 mit Cuff
Säugling, offene Fontanelle <18–24 Monate 3.5 mit Cuff
Kleinkind, aufrecht gehend und Windeln tragend <4 Jahre 4.0 mit Cuff
Kind, Zahnlücke vorn 6–7 Jahre 5.0 mit Cuff

Bei Kindern ohne Zähne ist i.d.R. ein gerader Spatel vorteilhaft! [3]

Grundlagen der Beatmungtoggle arrow icon

Allgemeinanästhesietoggle arrow icon

Regionalanästhesietoggle arrow icon

Besonderheiten bei Kindern [40]

Verfahren

Medikamente [40]

Lokalanästhetika

Lokalanästhetika in der Kinderanästhesie [40]
Wirkstoffgruppe Wirkstoff Orientierende Maximaldosierungen der Lokalanästhetika bei Kindern Besonderheiten
Langwirksame Lokalanästhetika
  • 3 mg/kgKG
  • Motorische Blockade schwächer ausgeprägt
  • Geringere Kardiotoxizität als Bupivacain
  • 2,5 mg/kgKG
  • Langjährig erprobt
  • Motorische Blockade stärker ausgeprägt

Mittellangwirksame Lokalanästhetika

  • 6 mg/kgKG

  • 5 mg/kgKG
  • Langjährige Erfahrung

Adjuvanzien

Adjuvanzien von Lokalanästhetika in der Kinderanästhesie [37][40]
Wirkstoff Orientierende Dosierung Besonderheiten
Clonidin
Morphin
  • 10–20 μg/kgKG
Adrenalin
  • 2–5 μg/kgKG (Verdünnung 1:500.000–1:200.000)
Esketamin
  • 0,25–0,5 mg/kgKG
  • Relevante Wirkungsverlängerung und Verstärkung der Analgesie
  • Keine generelle Empfehlung
Weitere
  • Keine Datengrundlage für eine Empfehlung weiterer Adjuvanzien

Rapid Sequence Inductiontoggle arrow icon

Hintergrund [22][41]

  • Besonderheiten der Rapid Sequence Induction (RSI) beim Kind
    • Immer Zwischenbeatmung bei Säuglingen und kleinen Kindern (Oxygenierung geht vor!)
    • Kein Krikoiddruck
    • Vorausschauende Intervention (bevor die gemessene Sättigung fällt!)
    • Husten, Gegenwehr und Pressen unbedingt vermeiden
    • Inhalative Maskeneinleitung absolut kontraindiziert
  • Ziel: Sichere Narkoseeinleitung mit rascher Herstellung einer tiefen Anästhesie
    • Sicherstellung einer adäquaten Oxygenierung bis zum Wirkeintritt der Muskelrelaxanzien
    • Anschließend schonende Atemwegssicherung unter strenger Vermeidung einer ösophagealen Intubation

Kinder sind durch eine Hypoxie stärker gefährdet als durch eine Aspiration!

Ziel ist nicht die schnellstmögliche, sondern die sicherste Einleitung! [42]

Praktisches Vorgehen [42][43]

Flüssigkeits- und Volumentherapietoggle arrow icon

Grundbedarf

Tagesbedarf an Flüssigkeit bei Kindern (Erhaltungsbedarf) [12]
Kilogramm Körpergewicht Menge pro Tag
≤10
  • 100 mL/kgKG
11–20
  • Grundsätzlich 1.000 mL
  • Zusätzlich 50 mL/kgKG für jedes Kilogramm ab 10 kgKG
>20
  • Grundsätzlich 1.500 mL
  • Zusätzlich 20 mL/kgKG für jedes Kilogramm ab 20 kgKG

Durchführung

Infusionsarten und Applikationssystem

Überwachung der Infusionstherapie

Unerkannte und inadäquat behandelte Volumenmangelzustände sind der häufigste Grund für einen perioperativen Kreislaufstillstand im Kindesalter! (Siehe: 4 Hs) [11]

Wärmemanagementtoggle arrow icon

  • Grundlage: Normaltemperatur (rektal) bei Kindern bis 5 Jahre liegt bei 36,5–38,0 °C [13]
  • Allgemeine Maßnahmen zur Vermeidung einer perioperativen Hypothermie [10][13]
  • Speziell bei Neugeborenen [10]
    • Transport im Inkubator und erst unmittelbar vor Einleitung umlagern
    • Bei Ein- und Ausleitung Wärmestrahler verwenden
    • Intraoperativ Warmwasserdecken verwenden (40 °C)

Kleinkinder und v.a. Säuglinge haben physiologischerweise eine höhere Körperkerntemperatur als ältere Kinder und Erwachsene! [13]

Perioperative Komplikationentoggle arrow icon

Intraoperative Hypotension [1]

Laryngospasmus [10]

Intraoperative Aspiration bei Kindern [10][42]

Weitere perioperative Komplikationen

Pädiatrisches Aufwachdelir [22][45][46][47]

Pediatric Anesthesia Emergence Delirium Scale (PAED-Scale) [45]
Symptom/Merkmal 0 Punkte 1 Punkt 2 Punkte 3 Punkte 4 Punkte
Augenkontakt Sehr oft Oft Gelegentlich Selten Nie
Zielgerichtete Bewegung
Wahrnehmung der Umgebung
Unruhe Keine Kaum Etwas Ausgeprägt Extrem
Kind nicht tröstbar
Auswertung: Behandlungsbedarf bei ≥12 Punkten [46]

PONV bei Kindern [48][49]

Besonderheiten bei Kindern

  • Ggf. eingeschränktes Kommunikationsvermögen der Kinder
  • Ggf. eingeschränkte Möglichkeiten zur medikamentösen Prävention und Therapie
  • Raucherstatus und weibliches Geschlecht als Risikofaktoren bei Kindern irrelevant

Für Kinder wird bevorzugt der Ausdruck „POV“ (Postoperative Vomiting) verwendet!

Epidemiologie

In der Altersgruppe <3 Jahren sind aufgrund des geringen POV-Risikos die allgemeinen Basismaßnahmen zur Prävention i.d.R. ausreichend! [48]

Risikoevaluation

Modifizierter POVOC-Score [48][51]
Risikofaktor Punkte
Perioperative Risikofaktoren 1
Lebensalter ≥3 Jahre 1
Art der OP 1
Risikofaktoren in der Anamnese 1

Erwartete Inzidenz: 0 Punkte – 9%, 1 Punkt – 10%, 2 Punkte – 30%, 3 Punkte – 55%, 4 Punkte – 70%

Risikostratifizierung: 0 Faktoren = Niedriges Risiko, 1–2 Faktoren = Mittleres Risiko, ≥3 Faktoren = Hohes Risiko [52]

Der zur Risikoeinschätzung bei Erwachsenen übliche Apfel-Score ist bei Kindern nicht anwendbar! [48]

Therapie

  • Antiemetische Therapie
    • Übergang von Prophylaxe zu Therapie oft fließend
    • Zur Prophylaxe geeignete Wirkstoffe können auch therapeutisch angewendet werden
    • Bevorzugt Substanzen mit schnellem Wirkeintritt anwenden
    • Nach Versagen der Prophylaxe: Wechsel zu Wirkstoff aus einer anderen Substanzklasse indiziert
    • Wiederholungsdosis nach 6 h empfohlen
    • Medikament der 1. Wahl: Serotonin-Rezeptor-Antagonist, insb. Ondansetron
    • Medikamente der 2. Wahl : Dimenhydrinat , Droperidol und Metoclopramid
    • Kombinationstherapie möglich
  • Supportive Maßnahmen
    • Oberkörperhochlagerung und weitere Maßnahmen analog zum Vorgehen bei Erwachsenen
    • Unzureichende Datenlage zu komplementären Therapieoptionen
Beispielalgorithmus für eine POV-Therapie bei Kindern [48][52]
Mit vorangegangener POV-Prophylaxe Ohne POV-Prophylaxe
Medikamente 1. Wahl

Medikamente 2. Wahl

Prävention

Beispielalgorithmus für eine POV-Prophylaxe bei Kindern [48][52]
Risikofaktoren Nach Narkoseeinleitung Vor OP-Ende Weitere Maßnahmen
Keine (= Niedriges Risiko)
  • Keine
1–2 (= Mittleres Risiko)
  • Keine
≥3 (= Hohes Risiko)

Die Prävention beinhaltet die Identifikation von Risikokonstellationen, die Risikoreduktion durch Basismaßnahmen sowie eine effektive medikamentöse Prophylaxe! [48]

Je nach Klinikstandard kann auch bei Fehlen jeglicher Risikofaktoren eine routinemäßige Ein- oder Zweifachprophylaxe durchgeführt werden! [48]

Quellentoggle arrow icon

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  2. Jöhr: Kinderanästhesie. Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH 2019, ISBN: 978-3-437-22834-6.
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  4. Becke et al.:Kinderanästhesie-Was wirklich wichtig istIn: Deutsches Ärzteblatt. Band: 114, Nummer: 4, 2017, p. 166-171.
  5. Becke et al.:Anästhetika-induzierte NeurotoxizitätIn: Anästhesiologie & Intensivmedizin. Band: 53, 2012, p. 706-710.
  6. Sinner:Anästhetika-induzierte Neurotoxizität bei Kindern. Aktueller Stand der WissenschaftIn: Anästhesiologie & Intensivmedizin. Band: 61, Nummer: 6-2020, 2020, doi: 10.19224/ai2020.204 . | Open in Read by QxMD p. 204-214.
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