Abstract
Eine schmerzlose (Makro‑)Hämaturie kann viele verschiedene Ursachen haben. Tritt sie rezidivierend und getriggert durch Infekte auf, liegt wahrscheinlich eine glomeruläre Erkrankung wie die IgA-Nephropathie oder das Syndrom der dünnen Basalmembran vor. Diese Erkrankungen sind trotz guter Prognose regelmäßig zu kontrollieren. Insbesondere bei der IgA-Nephropathie muss bei Hypertonie oder erhöhter Proteinurie frühzeitig eine Therapie mit ACE-Hemmern bzw. Sartanen eingeleitet werden, um einen ungünstigen Verlauf abzuwenden.
In der Nierenbiopsie kann die Erkrankung genauer beurteilt werden. Seltener liegt das sogenannte Alport-Syndrom vor: Ein genetischer Defekt des Kollagen-Typ-IV (Bestandteil der glomerulären Basalmembran). Die Erkrankten zeigen nicht selten auch eine Schwerhörigkeit und entwickeln häufig im frühen Erwachsenenalter eine terminale Niereninsuffizienz.
Allgemein
- Epidemiologie
- Klinik
- Leitbefund: Intermittierende Makrohämaturie, oft asymptomatisch
- Bei IgA-Nephropathie und Syndrom der dünnen Basalmembran getriggert durch Infekte (vor allem der oberen Atemwege)
- Teilweise Hypertonie, seltener Flankenschmerzen
- Diagnostik: Urin zeigt nephritisches Sediment
- Meist persistierende Mikrohämaturie, intermittierende Makrohämaturie
- Akanthozyten, Erythrozytenzylinder und gleichzeitige großmolekulare (meist geringe) Proteinurie → Glomerulärer Ursprung der Schädigung
- Sicherer Nachweis/Zuordnung durch Nierenbiopsie
- Therapie
- Bereits bei leichter Hypertonie Einsatz von ACE-Hemmern oder Sartanen
- Bei IgA-Nephropathie und Syndrom der dünnen Basalmembran: Infektprophylaxe empfohlen
Bei einer schmerzlosen Hämaturie muss differenzialdiagnostisch immer ein Malignom des Urogenitaltraktes bedacht werden!
IgA-Nephropathie (Morbus Berger)
- Synonym: IgA-Nephritis
- Epidemiologie: IgA-Nephropathie ist die häufigste primäre Glomerulonephritis weltweit
- Ätiologie: Meist idiopathisch
- Pathophysiologie
- Überwiegend mesangiale Ablagerungen von IgA-Immunkomplexen → Mikrohämaturie
- Weiterhin möglich:
- Subendotheliale Ablagerungen → Akutes nephritisches Syndrom oder Rapid-progressive Glomerulonephritis möglich
- Subepitheliale Ablagerungen → Nephrotisches Syndrom
- Nierenbiopsie → IgA-Ablagerungen
- Immunfluoreszenz-Nachweis
- Elektronenmikroskopischer Nachweis
- Lokalisation je nach Verlauf, siehe oben
- Komplikationen und spezifische Therapie
- Proteinurie >1 g/Tag: ACE-Hemmer/Sartane, ggf. zusätzlich Glucocorticoide
- Nephrotisches Syndrom: Glucocorticoide
- Rapid-progressive Glomerulonephritis: Glucocorticoide + Cyclophosphamid/Azathioprin
- Prognose
- Generell gute Prognose, allerdings entwickeln ca. 1/3 der Patienten innerhalb von 20 Jahren eine Niereninsuffizienz
- Risikofaktoren für ungünstigen Verlauf: Persistierende Mikrohämaturie, arterielle Hypertonie, Proteinurie (>1 g/Tag), Männer <30 Jahre, erhöhtes Kreatinin, histopathologisch interstitielle Fibrose, keine Episoden einer rückläufigen Makrohämaturie
- Generell gute Prognose, allerdings entwickeln ca. 1/3 der Patienten innerhalb von 20 Jahren eine Niereninsuffizienz
Syndrom der dünnen Basalmembran („thin basement membrane disease“, „gutartige Hämaturie“)
- Epidemiologie: Häufiges Krankheitsbild (etwa genauso häufig wie IgA-Nephropathie)
- Ätiologie: Familiär (dann meist autosomal-dominant) oder sporadisch
- Pathophysiologie: Tatsächlich liegt eine verdünnte Basalmembran vor, die für die Hämaturie verantwortlich gemacht wird
- Nierenbiopsie: Lichtmikroskopisch keine Auffälligkeiten, elektronenmikroskopisch zeigt sich eine verdünnte Basalmembran
- Prognose: Gut, selten Niereninsuffizienz
Alport-Syndrom
- Epidemiologie: Vergleichsweise seltenes Krankheitsbild (aber häufigste vererbte Nephritis)
- Ätiologie: Vererbung meist X-chromosomal dominant
- Pathophysiologie: Genetischer Defekt des Typ-IV Kollagen (Bestandteil der glomerulären Basalmembran), progrediente Destruktion
- Weitere Klinik: Innenohrschwerhörigkeit (bei etwa 60%), Lenticonus (bei etwa 25%)
- Nierenbiopsie
- Lichtmikroskopisch mesangiale Zellvermehrung und Sklerosierungen
- Elektronenmikroskopisch veränderte Basalmembran
- Prognose: Männer schlechter als Frauen, meist im Verlauf (20.–30. Lebensjahr) terminale Niereninsuffizienz
- Komplikation: Nach Nierentransplantation kann es durch neu vorhandene Kollagen-Typ-IV Antigene zu einem Goodpasture-Syndrom kommen
Studientelegramme zum Thema
- Studientelegramm 188-2021-3/3: Neue KDIGO-Leitlinie zur Glomerulonephritis
- Studientelegramm 142-2020-1/3: STOP-IgAN: Kein Vorteil einer Immunsuppression bei IgA-Nephritis
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2022
- N02.-: Rezidivierende und persistierende Hämaturie
Morphologische Veränderungen bei glomerulären Krankheiten
- 0: Minimale glomeruläre Läsion
- Minimal changes glomerulonephritis
- 1: Fokale und segmentale glomeruläre Läsionen
- Fokal und segmental:
- Hyalinose
- Sklerose
- Fokale Glomerulonephritis
- Fokal und segmental:
- 2: Diffuse membranöse Glomerulonephritis
- 3: Diffuse mesangioproliferative Glomerulonephritis
- 4: Diffuse endokapillär-proliferative Glomerulonephritis
- 5: Diffuse mesangiokapilläre Glomerulonephritis
- Membranoproliferative Glomerulonephritis, Typ I und III, oder o.n.A.
- 6: Dense-deposit-Krankheit
- Membranoproliferative Glomerulonephritis, Typ II
- 7: Glomerulonephritis mit diffuser Halbmondbildung
- Extrakapilläre Glomerulonephritis
- 8: Sonstige morphologische Veränderungen
- Proliferative Glomerulonephritis o.n.A.
- 9: Art der morphologischen Veränderung nicht näher bezeichnet
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2022, DIMDI.