Patientenvorstellung
Dieser klinische Fall ist der dritte Fall einer Fallserie. Die Fälle können hintereinander oder unabhängig voneinander bearbeitet werden.
- Verdammt, ich atme nicht: Frau Lungo mit Atemnot in der Praxis
- Mit Blaulicht: Frau Lungo ruft wegen Luftnot die 112
- Frau Lungo ante portas: Mit Bluthusten in der Notaufnahme
Du hast Spätschicht in der Notaufnahme eines kleinen Krankenhauses der Grundversorgung. Gerade befindet sich eine Patientin in der Triage, die mit einer hausärztlichen Einweisung bei Bluthusten kommt. Während der Krankenpfleger noch die Vitalparameter erfasst, schaust du dir im System einen Arztbrief der Patientin eines vorherigen stationären Aufenthalts an:
Im Modus „Klinische Praxis“ erscheinen vertiefende Fragen und Informationen!
Anamnese
Fortsetzung Fallbericht
Du liest folgende Notizen des Krankenpflegers aus der Triage und gehst anschließend zur Patientin:
67-jährige COPD-Patientin mit neu aufgetretenen Hämoptysen. Seit ein paar Wochen ab und zu Blutbeimengung beim chronischen Husten. Abklärung vom Hausarzt erwünscht. Bekannter langjähriger Nikotinabusus.
- Temperatur: 36,5 °C
- Herzfrequenz: 107/min
- Blutdruck: 145/90 mmHg
- Atemfrequenz: 17/min
- spO2: 92%
Frage 1a: Was sind hier die wichtigsten Differenzialdiagnosen? Was kommt als Ursache für Hämoptysen infrage?
Nutze gerne unsere Notizen-Funktion, um die Frage zunächst selbst zu beantworten und anschließend mit der unten stehenden Lösung abzugleichen!
Antwort 1a
Hämoptysen („Bluthusten“) sind eine potenziell lebensbedrohliche Notfallsituation und erfordern eine rasche Ursachensuche. In mehr als 90% der Fälle sind Hämoptysen selbstlimitierend. Meist treten sie bei Personen ≥60 Jahre auf, bei Kindern sind sie sehr selten. [1]
Pulmonale Ursachen
- Infektionserkrankungen
- Häufiger: Pneumonie, Bronchitis, Abszess
- Seltener: Laryngotracheitis, Tuberkulose, Aspergillose, Helminthiasis
- Neoplasie von Lunge, Larynx, Trachea oder Metastasen
- Bronchiektasien
- Lungenarterienembolie, ggf. inkl. Lungeninfarkt
- Vaskulitiden
- Vaskuläre Malformation
- Pulmonale Hypertonie
Kardiale Ursachen
Erhöhte Blutungsneigung
- Gerinnungsstörung
- Medikamentöse Antikoagulation
Traumatisch
- Lungenbiopsie, z.B. bronchoskopisch oder transthorakal CT-gesteuert
- Rechtsherzkatheteruntersuchung
- Lungenkontusion
Blutungen mit anderer Quelle (Pseudohämoptysen)
Die häufigste Ursache für Hämoptysen sind chronische Atemwegserkrankungen (ca. 25%) und Malignome (17%). In 50% der Fälle kann keine Ursache gefunden werden! [1]
Bei Hämoptysen sollte auch an andere Blutungsquellen (z.B. Nasenrachenraum und Gastrointestinaltrakt) gedacht werden!
Zusatzfrage
Was sind Hämoptysen und was ist der Unterschied zu Hämoptoe?
Was sind klinische Zeichen für eine vital bedrohliche Situation bei Hämoptysen?
Welche symptomatische Therapie kennst du gegen Husten, der z.B. bei chronischer Lungenerkrankung auch zu Hämoptysen führen kann?
Körperliche Untersuchung
Fortsetzung Fallbericht
Bei der Anamnese erfährst du, dass die Patientin seit ihrem 15. Lebensjahr 20 Zigaretten/Tag rauche. Vor 12 Jahren sei eine COPD diagnostiziert worden, in den letzten 3–4 Jahren habe sie häufiger „COPD-Ausbrüche“ gehabt. Während der letzten Jahre habe sie zurückgezogen gelebt und sei gegen SARS-CoV-2 und Influenza geimpft.
Aktuell könne sie wegen Schmerzen nur zwischen 50 und 100 m laufen. Wenn sie dann stehen bleibe, besserten sich die Beschwerden. Sie fühle sich häufig müde und habe in den letzten 1,5 Jahren ungewollt etwa 5 kg Körpergewicht verloren.
Während des Gesprächs fallen der kachektische Körperbau, die Trommelschlägelfinger und der Fassthorax auf.
Frage 2a: Welchen Auskultationsbefund erwartest du bei einer fortgeschrittenen COPD?
Frage 2b: Du machst eine vollständige internistische Untersuchung. Worauf achtest du bei dieser Patientin neben der Lungenuntersuchung besonders?
Antwort 2a
- Abgeschwächtes Atemgeräusch: Maximalvariante als Silent Chest
Zusatzfragen
Berechne die Pack Years der Patientin.
Welchen Befund erwartest du für den Stimmfremitus bei der Patientin mit COPD?
Welchen Befund erwartest du bei der Bronchophonie?
Antwort 2b
- Ernährungszustand und Allgemeinzustand
- Inspektion von Nase, Mund und Rachen
- Lymphknotenstatus
- Blutungszeichen (bspw. Hämatome, Petechien)
- Gefäßstatus
Zusatzfragen
Wieso sind Personen mit fortgeschrittener COPD häufig kachektisch?
Welchem klinischen Stadium der pAVK nach Fontaine entspricht der anamnestische Befund?
Welche Parameter sollten für den Gefäßstatus der unteren Extremität erfasst werden?
Weitere Diagnostik
Fortsetzung Fallbericht
Bei Frau Lungo wird ein deutlich abgeschwächtes Atemgeräusch ubiquitär mit einem hyposonoren Klopfschall rechts festgestellt. Zudem wird die Leber deutlich unter dem rechten Rippenbogen getastet. Es zeigen sich dezente prätibiale Ödeme.
Im EKG werden EKG-Zeichen für eine Rechtsherzhypertrophie mit begleitendem Rechtsschenkelblock gesehen. Laborchemisch ergeben sich erhöhte Entzündungswerte (Leukozyten↑, CRP↑, BSG↑), erhöhte Leberwerte (γGT↑, GOT↑, GPT↑, Bilirubin↑) bei einer milden hypochromen, mikrozytären Anämie. In der BGA zeigt sich eine milde hypoxämische respiratorische Insuffizienz mit ausgeglichenem pH-Wert.
CT-Thorax im Weichteilfenster
CT-Thorax im Lungenfenster
CT des Oberbauchs
Frage 4a: Was ist deine Verdachtsdiagnose?
Frage 4b: Wie sicherst du die Diagnose?
Frage 4c: Nenne die wichtigste histopathologische Einteilung der Verdachtsdiagnose!
Antwort 4a
Zusatzfragen
Was sind die Risikofaktoren für die Entwicklung eines Lungenkarzinoms?
Welche Symptome lassen an ein Lungenkarzinom denken und welche Frühsymptome gibt es?
Was für paraneoplastische Syndrome bei Lungenkarzinom gibt es?
Was ist ein Pancoast-Tumor und durch welche Symptomatik zeichnet er sich aus?
Zusatzfragen für radiologisch Interessierte
Was versteht man unter der Fensterung eines CT-Bildes?
Wann spricht man in der CT von einem Lungenrundherd, wann von einer Lungenraumforderung? Welche Bildbefunde sind malignomverdächtig? [2][3]
Wie hoch ist etwa die Strahlenbelastung durch eine CT-Thorax bzw. eine CT-Thorax/Abdomen?
Antwort 4b
- Bioptisch-histologische Untersuchung : Probenentnahme je nach Lage des Tumors
- Bronchoskopie mit transbronchialer Biopsie
- EBUS (endobronchiale Ultraschalldiagnostik) mit transbronchialer Biopsie
- Transthorakale, CT-gesteuerte Biopsie
- Endosonografie des Ösophagus mit transösophagealer Biopsie
- Thorakoskopie (videoassistierte thorakoskopische Chirurgie) bzw. Mediastinoskopie
- Zytologische Untersuchung
- Bronchoalveoläre Lavage
- Pleurapunktat
- Nadelaspiration
- Sputum
Vor einer Biopsie, insb. vor einer Bronchoskopie, ist bildgebend mind. eine CT-Thorax notwendig!
Bei V.a. ein Lungenkarzinom ist eine histopathologische Diagnosestellung obligat und für die weitere Therapie entscheidend!
Zusatzfrage
Um den Allgemeinzustand von Personen mit einer onkologischen Erkrankung einzuschätzen, können Einteilungssysteme helfen. Welche kennst du?
Antwort 4c
- Nicht-kleinzelliges Lungenkarzinom (NSCLC, ca. 80% aller Lungenkarzinome) [4]
- Adenokarzinom (ca. 54%, häufigstes NSCLC, insb. bei nicht-rauchenden Frauen)
- Plattenepithelkarzinom (ca. 28%, häufigstes NSCLC bei Männern)
- Großzelliges Karzinom und undifferenzierte Karzinome (ca. 6%)
- Neuroendokrine Karzinome und Tumoren (ca. 5%)
- Adenosquamöse Karzinome (ca. 2%)
- Nicht eindeutig einzuordnen (ca. 7%)
- Kleinzelliges Lungenkarzinom (SCLC, ca. 15% aller Lungenkarzinome)
Das NSCLC und das SCLC unterscheiden sich in Diagnostik, Therapie und Prognose – die Differenzierung ist daher entscheidend!
Zusatzfragen
Was unterscheidet das kleinzellige (SCLC) von dem nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) grundsätzlich?
Welche Neoplasie der Lunge ist nach Asbest-Exposition typisch?
Staging
Fortsetzung Fallbericht
Frau Lungo wird zur weiteren Abklärung stationär aufgenommen und die bereits in der Notaufnahme angemeldete Bronchoskopie mit endobronchialem Ultraschall (EBUS) mit transbronchialer Biopsie findet am nächsten Tag komplikationslos statt. Die histopathologischen und molekulargenetischen Befunde werden einige Tage dauern. Die Hämoptysen traten nicht erneut auf.
Da die pneumologische Station wegen COVID-19-Patient:innen gesperrt ist, bist du für das weitere Vorgehen zuständig und der onkologische Oberarzt bittet dich, das Staging bei Lungenkarzinom bereits zu vervollständigen und die Patientin für das Tumorboard in der kommenden Woche anzumelden.
Frage 5a: Nenne die bildgebenden Untersuchungen zur Komplementierung des Stagings bei Lungenkarzinom!
Frage 5b: Für das weitere Vorgehen ist die Einteilung der Lungenkarzinome relevant. Nach welchen Klassifikationen kann diese vorgenommen werden?
Frage 5c: Wieso erfolgt eine molekulare bzw. immunologische Testung des Tumorgewebes?
Antwort 5a
- CT-Thorax/Abdomen mit Kontrastmittel (inkl. Oberbauch, Becken)
- FDG-PET/CT
- Alternativ: Ganzkörper-MRT oder Knochenszintigrafie + CT-Abdomen
- MRT des Schädels
Bei Personen mit Lungenkarzinom soll eine Kontrastmittel-CT von Thorax und Oberbauch (inkl. Leber und Nebennieren) zur Beurteilung des Primärtumors durchgeführt werden!
Zusatzfragen
Wohin metastasiert das Lungenkarzinom üblicherweise?
Antwort 5b
- Tumorstadium: TNM-Klassifikation
- Staging: Stadieneinteilung des Lungenkarzinoms nach UICC8
- Grading: Differenzierungsgrad
Jedes Lungenkarzinom muss exakt nach TNM klassifiziert werden!
TNM-Klassifikation
-
TNM ist ein Akronym aus „Tumor“, „Nodus“ und „Metastasen“
- T: Ausdehnung und Verhalten des Primärtumors
- Tis: Carcinoma in situ (Basalmembran intakt, Submukosa nicht infiltriert)
- T1–4 je nach Ausmaß des Tumors
- T4 bezeichnet Infiltration der Nachbarorgane
- N: Befallstatus regionärer Lymphknoten
- N0: Kein Lymphknotenbefall
- N1–3 je nach Art des Tumors und Ausmaß des Lymphknotenbefalls
- M: Vorhandensein von Metastasen
- M0: Keine Fernmetastasen
- M1: Vorhandensein von Fernmetastasen
- Mx: Status der Fernmetastasierung unklar
- Zusätzlich kann durch einen dreistelligen Code die Lokalisation der Metastasen angegeben werden, z.B.
- OSS: Ossäre Metastasen
- PUL: Pulmonale Metastasen
- BRA: Hirnmetastasen
- L: Lymphgefäßinvasion
- L0: Keine Lymphgefäßinvasion
- L1: Lymphgefäßinvasion
- V: Veneninvasion
- V0: Keine Veneninvasion
- V1: Veneninvasion
- Pn: Perineurale Invasion
- T: Ausdehnung und Verhalten des Primärtumors
UICC8-Klassifikation
- Entwicklung klinischer Stadien basierend auf TNM-Klassifikation unter Berücksichtigung von Therapiemöglichkeiten und Prognosen einzelner maligner Tumoren
- Einteilung in Stadien 0–IV, weitere Unterteilung mit Buchstaben (bspw. Stadium IIa)
- Stadium 0: Carcinoma in situ
- Stadium I: Kleine Tumoren, die innerhalb der Organgrenzen wachsen
- Stadium II: Mittelgroße bis große Tumoren, die innerhalb der Organgrenzen wachsen
- Stadium III: Lokale Ausdehnung mit Lymphknotenbefall
- Stadium IV: Fernmetastasierung
Zusatzfragen
Wofür stehen die Kleinbuchstaben „c“ bzw. „p“ in der TNM-Klassifikation?
Wofür steht der Kleinbuchstabe „u“ in der TNM-Klassifikation? Welche anderen Buchstaben kennst du noch in diesem Zusammenhang?
Was versteht man unter Lymphangiosis carcinomatosa?
Antwort 5c
Die Immunhistologie und die molekulare Diagnostik beim NSCLC sind von diagnostischer und therapeutischer Bedeutung. Der Nachweis bestimmter molekularbiologischer Marker oder „Treibermutationen“ im Tumorgewebe liefert im Rahmen der Targeted Therapy neben den klassischen Chemotherapeutika eine Vielzahl an weiteren Therapiemöglichkeiten. Dies hat die Therapie des Lungenkarzinoms revolutioniert. Die Testung ist abhängig vom Tumorstadium.
- Molekularbiologische Testung
- ALK-Translokationen/Fusionen
- EGFR-Mutationen in den Exonen 18–21
- BRAF-V600E-Mutation
- HER2-Mutationen
- KRAS-G12C-Mutation
- ROS1-Translokationen
- c-MET-Exon-14-Skipping-Mutationen
- c-MET-Alterationen mit Amplifikation und Translokationen
- Translokationen von NTRK1–3
- RET-Translokationen
- NRG1-Translokationen
- Immunhistologische Testung
- PD-L1-Expression
Die immunhistochemische und die molekularbiologische Untersuchung des Tumorgewebes sind feste Bestandteile der Diagnostik!
Therapie
Fortsetzung Fallbericht
Nach einigen Tagen erhältst du zeitgleich den Befund der CT-Abdomen mit den bereits bekannten Lebermetastasen und ansonsten unauffälligem Befund sowie das cMRT (siehe Bilder). Der histopathologische Befund inkl. Molekulardiagnostik bestätigt ein nicht-kleinzelliges Lungenkarzinom (NSCLC) bei gering differenziertem Adenokarzinom mit PD-L1 >50% ohne weitere Treibermutationen. Frau Lungo hat eine Erkrankung im UICC8-Stadium IV mit Metastasierung in Leber und Gehirn.
Dein onkologischer Oberarzt bittet dich, die Patientin im Tumorboard vorzustellen und eine Therapie vorzuschlagen.
Frage 6a: Welche Therapiesäulen gibt es beim nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom?
Frage 6b: Welche Therapie schlägst du für Frau Lungo vor?
Frage 6c: Welche operativen Verfahren werden zur Resektion von Lungenkarzinomen bei lokalisierten Stadien angewendet?
Antwort 6a
In den letzten Jahren hat die Anwendung von Immuncheckpoint-Inhibitoren (insb. PD-L1- und PD-1-Inhibitoren) sowie Tyrosinkinase-Inhibitoren (z.B. bei EGFR-Mutation) die Prognose des Lungenkarzinoms deutlich verbessert. Therapeutisch wird daher häufig ein multimodales Konzept mit verschiedenen Therapiesäulen eingesetzt:
- Chemotherapie
- Meist platinbasiert (bspw. Cis-/Carboplatin + Etoposid)
- Abnehmender Einsatz durch zielgerichtete Tumortherapie (Targeted Therapy)
- Targeted Therapy
- Insb. durch Tyrosinkinase-Inhibitoren und PD-1-Inhibitoren/PD-L1-Inhibitoren
- Abhängig von Treibermutationen (z.B. EGFR, ALK, BRAF, ROS1, KRAS)
- Bestrahlung, bspw.
- Stereotaktische oder postoperative bzw. konsolidierende Bestrahlung des Primärtumors
- Bestrahlung von Metastasen (z.B. zerebral, ossär)
- Operation
- Resektion des Primärtumors, insb. in lokalisierten Stadien
- Metastasenresektion
Die Therapie des Lungenkarzinoms ist komplex und sollte daher nach dem Staging inkl. der Stadieneinteilung des Lungenkarzinoms nach UICC8, der PD-L1-Expression, der Treibermutationen und des individuellen Allgemeinzustands in interdisziplinären Tumorboards besprochen werden!
Therapie des NSCLC
Therapie des NSCLC | |||
---|---|---|---|
Tumorstadium | Therapieansatz | Maßnahmen | |
Stadium I–II | Potenziell kurativ |
| |
Stadium III | Bis Stadium IIIA |
| |
Ab Stadium IIIA3 oder Stadium IIIB mit T3 N2 |
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Stadium IIIA4 oder Stadium IIIB (außer T3 N2) oder Stadium IIIC |
| ||
Stadium IV | Oligometastatisch und Lungentumor max. Stadium IIIAU |
| |
Multiple Metastasen | Palliativ |
| |
Pancoast-Tumoren: Werden außerhalb dieser Einteilung bis zum Stadium IIIB mit einer neoadjuvanten Radiochemotherapie und anschließenden Operation behandelt |
Die Therapieansätze des NSCLC sind inkl. des Stadiums IV mit wenigen solitären Metastasen potenziell kurativ!
Ab dem Stadium IB wird i.d.R. eine systemische Kombinationstherapie mit Chemotherapeutika und Targeted Therapies abhängig von PD-L1-Expression und Treibermutationen geprüft!
Systemische Therapie des NSCLC
- Indikation: Ab UICC-Stadium IB ist Indikation zu prüfen
- Adjuvant: In operablen Stadien als adjuvante Chemotherapie
- Neoadjuvant bzw. Induktionschemotherapie: Bei grenzwertig operablen Lungenherden, um eine Operabilität zu erreichen
- Definitiv: In höheren Stadien als definitive, meist simultane Radiochemotherapie, abhängig von Treibermutationen und PD-L1-Expression
- Substanzen
- Chemotherapeutika: Cisplatin (alternativ: Carboplatin) in Kombination mit Vinorelbin, Docetaxel, (nab‑)Paclitaxel, Etoposid, Gemcitabine oder Pemetrexed
- Cisplatin kann bspw. bei Nierenschädigung durch Carboplatin ersetzt werden
- Targeted Therapies: Alternative Kombinationspartner bzw. Ersatz der Chemotherapie bei bestimmten Markern bzw. Treibermutationen
- Insb. bei PD-L1-Expression : Immuncheckpoint-Inhibitoren, bspw. Atezolizumab, Cemiplimab, Pembrolizumab, Nivolumab
- Bei EGFR-Mutation: Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI), bspw. Afatinib, Erlotinib, Gefitinib, Osimertinib, Dacomitinib
- Einsatz verschiedener Substanzen in Abhängigkeit von der genauen EGFR-Mutation (del19, L858R, T790M, Exon20-Insertionen)
- Sehr häufiges (bis zu 90%) Auftreten von Hautreaktionen (z.B. akneiforme Ausschläge)
- Bei ALK-Translokation: ALK1-Inhibitoren (Tyrosinkinase-Inhibitoren), bspw. Alectinib, Brigatinib, Lorlatinib, Crizotinib und Ceritinib
- Bei BRAF-Mutation: BRAF-Kinase-Inhibitoren (Tyrosinkinase-Inhibitoren), bspw. Dabrafenib, Trametinib
- MetExon-14-Skipping-Mutation: Capmatinib, Tepotinib
- NTRK-Translokation: Entrectinib, Larotrectinib
- RET-Translokation: Pralsetinib, Selpercatinib
- ROS1-Translokation: Crizotinib, Entrectinib
- HER2-Mutation: Trastuzumab, Deruxtecan
- KRAS-Mutation: Sotorasib
- Andere Substanzen: CTLA4-Antikörper (Ipilimumab)
- Angiogenesehemmung: Wirkstoffe mit Effekt auf den VEGF-Signalweg effektiv einsetzbar, bspw. Bevacizumab, Nintedanib, Ramucirumab
- Chemotherapeutika: Cisplatin (alternativ: Carboplatin) in Kombination mit Vinorelbin, Docetaxel, (nab‑)Paclitaxel, Etoposid, Gemcitabine oder Pemetrexed
In der systemischen Therapie des NSCLC werden platinhaltige Chemotherapien zunehmend mit zielgerichteter Tumortherapie kombiniert – in einigen Fällen kann die Chemotherapie auch vollständig ersetzt werden!
Targeted Therapies haben die Prognose vieler Patient:innen mit Lungenkarzinom wesentlich verbessert!
Zusatzfragen
Wie wird das kleinzellige Lungenkarzinom (SCLC) im Vergleich zum NSCLC therapierelevant eingeteilt?
Wie wird das SCLC therapiert?
Antwort 6b
- Systemische Therapie in palliativer Intention [5]
- Monotherapie mit einem Immuncheckpoint-Inhibitor, z.B. Pembrolizumab, Atezolizumab oder Cemiplimab
- Immunchemotherapie: Immuncheckpoint-Inhibitor + platinhaltige Chemotherapie (z.B. Cis-/Carboplatin + Etoposid)
- Palliativmedizinische Anbindung
- Ggf. stereotaktische Bestrahlung der Hirnmetastase
- Ggf. Evaluation einer zusätzlichen Lokaltherapie für die Lebermetastasen
Verträglichkeit und Nebenwirkungen sind unter Immuncheckpoint-Inhibitoren deutlich besser als unter konventioneller Chemotherapie!
Zusatzfragen [6]
Was sind Immuncheckpoint-Inhibitoren und wie wirken sie?
Welche Nebenwirkungen treten unter Immuncheckpoint-Inhibitoren auf?
Antwort 6c
- Methode der Wahl: Lobektomie, inkl. systematischer mediastinaler Lymphknotendissektion (radikale Resektion)
- Lymphknotenresektion: Standard ist komplette Entfernung aller interlobären, hilären und mediastinalen Stationen
- Alternativ
Die anatomische Resektion mittels Lobektomie inkl. systematischer, mediastinaler Lymphknotendissektion ist die Therapie der Wahl!
Bei funktioneller Inoperabilität kann auch die stereotaktische Strahlentherapie durchgeführt werden!
Zusatzfragen
Welche Voraussetzungen zur Operabilität müssen erfüllt sein?
Welche Komplikationen können nach Lob-/Pneumektomie postoperativ auftreten?
Verlauf
Das Tumorboard bestätigt deinen Vorschlag: Die Patientin soll eine Monotherapie mit dem PD-1-Inhibitor Pembrolizumab alle 3 Wochen inkl. einer stereotaktischen Bestrahlung der zerebralen Metastase erhalten. Du sollst das Gespräch mit der Patientin über die Diagnose und deren Konsequenzen führen und möchtest dich bestmöglich vorbereiten.
Frage 7a: Hierzu führst du dir vor dem Gespräch die Tipps für das Überbringen schlechter Nachrichten (Breaking Bad News) vor Augen. Welche kennst du? Was ist das SPIKES-Modell?
Antwort 7a
Allgemeine Tipps
- Investiere Zeit in die Vorbereitung
- Beachte die inhaltliche und zeitliche Beschränkung und sprich diese vorab auch an
- Gewinne Angehörige als Verbündete und Unterstützung, wenn diese für die Patient:innen wichtig sind (aber frag die Patient:innen, ob sie diese Allianz auch wollen)
- Stelle viele offene Fragen und unterbrich nur, wenn unbedingt nötig
- Respektiere subjektive Erklärungsmodelle, bewerte sie nicht
- Gib eine Warnung, bevor du eine negative Information oder Botschaft überbringst
- Lass dem Gegenüber nach der Kernbotschaft Zeit, diese anzunehmen und nutze die Pause, die eigenen und die Emotionen des/der Patient:in wahrzunehmen
- Besprich praktisch Handhabbares
- Hebe das Gute hervor, schließe mit etwas Positivem
Insb. bei geringerer Berufserfahrung ist es wichtig, sich selbst und das Gegenüber ausreichend auf das Gespräch vorzubereiten und den Ablauf nicht einfach nur „dem gesunden Menschenverstand“ zu überlassen!
SPIKES-Modell für die ärztliche Gesprächsführung
Die Übermittlung eingreifender Diagnosen ist eine wichtige ärztliche Aufgabe, die für die weitere onkologische Behandlung essenziell ist. Hierbei kann z.B. das SPIKES-Modell hilfreich sein, das Hilfestellungen für die Gesprächsführung vermittelt und das Gespräch strukturiert.
- Situation
- Zeitpunkt: Möglichst bald nach Vorliegen der Befunde, gemeinsam Termin vereinbaren
- Gespräch (mehrmals) ankündigen
- Gesprächsinhalte vorher planen
- Auf Fragen der Betroffenen und Angehörigen inhaltlich vorbereitet sein
- Angenehme Atmosphäre und Zeit für das Gespräch schaffen (z.B. Telefon ausschalten, Mitpatient:innen rausbitten)
- Angehörige einbeziehen
- Patientenwissen
- Kenntnisstand erfragen
- Invitation
- Einladen zum Gespräch bzw. Gesprächsbereitschaft klären
- Informationsbedarf erfragen (wie viel, wie detailliert)
- Kenntnisvermittlung
- Vorwarnen, dass schlechte Nachrichten folgen
- Geringe Informationsmengen
- Pausen
- Mögliche Handlungsoptionen und Heilungschancen
- Empathischer Umgang mit Emotionen
- Reaktion von Patient:in abwarten
- Nonverbale Kommunikation: Offene entspannte Körperhaltung, Hinlehnen zum Gegenüber, direkter Augenkontakt
- Eingehen auf Emotionen: Benennen wahrgenommener Emotionen
- Verständnis und Respekt dafür ausdrücken, offen Gefühle und Ursachen erfragen, Unterstützung anbieten
- Siehe auch: NURSE-Modell
- Summary
- Zusammenfassung des Gesprächs
- Nächste Schritte besprechen
- Positives Ende des Gesprächs
- Palliativversorgung
- Palliativmedizinisches Behandlungskonzept entwickeln
- Therapieziele besprechen
Oberärztlicher Kommentar
Das Lungenkarzinom ist bei Frauen der dritt-, bei Männern der zweithäufigste maligne Tumor in den deutschsprachigen Ländern. Das nicht-kleinzellige Lungenkarzinom (NSCLC) macht dabei ca. 80% dieser Fälle aus. Weil es wenig Frühsymptome gibt und ein Routinescreening bislang nicht etabliert ist, werden die Betroffenen meist in fortgeschrittenen Stadien diagnostiziert.
Zur Diagnosestellung ist eine genaue histopathologische Differenzierung inkl. Immunhistochemie und molekularbiologischer Untersuchung auf Treibermutationen sowie das Staging mittels CT-Thorax/Abdomen oder FDG-PET/CT und eine cMRT entscheidend. Anschließend kann gemäß der Stadieneinteilung des Lungenkarzinoms nach UICC8 therapiert werden. Hierzu kommen eine Operation, eine Bestrahlung und eine kombinierte systemische Therapie insb. aus einer platinbasierter Chemotherapie, Checkpoint-Inhibitoren und einer Targeted Therapy in Betracht.
Themen zum Vertiefen
- Chronisch-obstruktive Lungenerkrankung
- Allgemeine Onkologie
- Lungenkarzinom
- Breaking Bad News
- Nuklearmedizin und Strahlenschutz
Weitere Fälle
Dieser klinische Fall ist der dritte einer Fallserie aus drei Fällen. Die Fälle können hintereinander oder unabhängig voneinander bearbeitet werden:
- Verdammt, ich atme nicht: Frau Lungo mit Atemnot in der Praxis
- Mit Blaulicht: Frau Lungo ruft wegen Luftnot die 112
- Frau Lungo ante portas: Mit Bluthusten in der Notaufnahme