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Fokale Epilepsien und Syndrome

Letzte Aktualisierung: 20.2.2023

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Wenn von einer fokalen Epilepsie gesprochen wird, dann ist damit gemeint, dass sich das Geschehen auf einen Fokus konzentriert (im Gegensatz zur generalisierten Epilepsie, die das gesamte Großhirn erfasst). Die Identifizierung einer zugrundeliegenden Ursache unterscheidet dabei idiopathische von symptomatischen Epilepsien. Je nach Lokalisation des Geschehens ergeben sich mehr oder weniger typische Symptomatiken. Bei der Temporallappenepilepsie handelt es sich um die häufigste fokale Epilepsie. Pathomorphologisches Korrelat ist meist eine Sklerosierung des Ammonshorns (eine Struktur im Hippocampus). Auch fokale Epilepsien können mit Bewusstseinsstörungen einhergehen (= komplex-fokal) und sekundär generalisieren. Die Einteilung der lokalisationsbezogenen Epilepsien und Syndrome in diesem Kapitel folgt der Klassifikation der ILAE.

Eine generelle Übersicht gibt das Kapitel Epileptische Anfälle und Epilepsien.

Idiopathische fokale Epilepsien mit altersgebundenem Beginntoggle arrow icon

Rolando-Epilepsie

  • Definition: Benigne Epilepsie des Kindesalters mit zentrotemporalen Spikes
  • Epidemiologie
    • Häufigste Epilepsie des Kindesalters (ca. 15%) [1]
    • Altersgipfel: 5.–9. Lebensjahr
  • Klinik
    • Meist schlafgebundene Anfälle mit tonischen Gesichtskrämpfen, vermehrter Salivation und Sprachunfähigkeit während des Anfalls und häufig auch postiktal
    • Interiktal können milde und temporäre kognitive Teilleistungsstörungen bestehen [2][3]
    • Selten Auftreten im Wachzustand
    • Anfälle des Armes oder einer ganzen Körperhälfte sowie eine sekundäre Generalisation sind möglich
  • EEG: Fokale zentrotemporale Spikes und Sharp Waves
  • Prognose: Heilt i.d.R. mit Erreichen der Pubertät ohne Residuen aus [1][2]
  • Therapie: Medikamentöse Therapie i.d.R. bei ≥2 Anfällen pro Halbjahr: Sultiam [3][4]

Seltene idiopathische, fokale Epilepsien [1]

  • Epilepsie des Kindesalters mit okzipitalen Paroxysmen
    • Klinik: Anfall zunächst mit visuellen, dann mit motorischen und psychomotorischen Symptomen
  • Autosomal-dominante nächtliche Frontallappenepilepsie und familiäre Temporallappenepilepsie [5]
    • Epidemiologie und Verlauf: Sehr selten, beginnen in der Adoleszenz und sind meist auch im Erwachsenenalter therapiebedürftig
    • Klinik: Einfach-fokale motorische Anfälle aus dem Schlaf heraus

Symptomatische fokale Epilepsientoggle arrow icon

Häufigste Ursachen fokaler Epilepsien

Temporallappenepilepsie [5][6]

  • Synonyme: Mesiobasal-limbische/rhinenzephale/psychomotorische Epilepsie
  • Epidemiologie: Häufigste Epilepsieform (ca. 40% aller Epilepsien, ca. 70% der fokalen Epilepsien)
  • Ursache
    • Hippokampussklerose (Ammonshornsklerose)
    • Enzephalitis, Entwicklungsstörung, neurodegenerative Erkrankungen, Tumoren
  • Klinik
    • Anfälle treten meist gruppiert auf und haben folgenden Ablauf
      1. Zunächst Aura
      2. Dann komplex-fokale Anfälle mit motorischen Symptomen (typisch sind oro-alimentäre Automatismen (z.B. Schmatzen), aber auch Nesteln, sich Strecken und Treten auf der Stelle), vegetativen Symptomen , und Bewusstseinsveränderung
        • Seltener auch Geruchs- und Geschmacksmissempfindungen oder Aphasie
        • Sekundäre Generalisierung möglich
      3. Postiktale Reorientierungsphase mit Amnesie für das Anfallsgeschehen
    • Interiktal kommt es teilw. zur Beeinträchtigung des limbischen Systems und des Gedächtnisses
  • Prognose: Ungünstig, 40% Anfallsfreiheit unter medikamentöser Therapie
  • Therapie: Lamotrigin, Levetiracetam, bei Pharmakoresistenz ggf. OP (→ siehe Therapie der Epilepsien)

Frontallappenepilepsie

  • Epidemiologie: 10% der fokalen Epilepsien
  • Ursache: Siehe Ursachen fokaler Epilepsien
  • Klinik: Vielgestaltig, je nach betroffenem Gebiet innerhalb des Frontallappens
    • Häufig mit Aura als erstem Symptom
    • Meist einfach-fokale Anfälle mit verschiedenen motorischen Symptomen: Tonisierung , Vokalisation, Blick- oder Kopfwendung zur gesunden Seite (vom epileptischen Herd weg)
    • I.d.R. nur geringe postiktale Verwirrtheit
    • Meist kurze Anfälle (≤30 s) in Serie und häufig aus dem Schlaf heraus
    • Bei Beteiligung des motorischen Kortex sind ein march of convulsion und postiktal Todd'sche Paresen möglich
    • Häufig sekundäre Generalisierung
  • Subtyp: Motorischer Jackson-Anfall
    • Tonische bzw. klonische Zuckungen, die sich von einer Körperregion auf benachbarte Bezirke ausbreiten (sog. march of convulsion)
    • Häufig Todd'sche Parese: Vorübergehende postiktale Lähmungen im Anfall betroffener Muskelgruppen, lässt häufig Folgerung auf den Anfallsursprung zu

Geht ein fokaler, epileptischer Anfall mit einem march of convulsion einher, nennt man ihn unabhängig von seinem Ursprung Jackson-Anfall!

Parietallappenepilepsie [5]

Okzipitallappenepilepsie [2]

Alle symptomatischen, fokalen Epilepsien sollten i.d.R. mit Lamotrigin oder Levetiracetam behandelt werden!

Epilepsia partialis continua (Kojevnikov)

  • Ursache: Meist kortikale Schädigung/Läsion (z.B. Narbe, Enzephalitis, Tumor)
  • Klinik: Klonische Zuckungen einer umschriebenen Körperregion ("partialis"), z.B. des Mundes oder eines Fingers über mehrere Tage ("continua")

Kodierung nach ICD-10-GM Version 2023toggle arrow icon

Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.

Quellentoggle arrow icon

  1. Hacke (Hrsg.): Neurologie. 14. Auflage Springer 2016, ISBN: 978-3-662-46891-3.
  2. Schmidt, Elger: Praktische Epilepsiebehandlung. Georg Thieme Verlag 2005, ISBN: 978-3-131-16823-8.
  3. Fröscher: Die Epilepsien. Schattauer 2004, ISBN: 978-3-794-52131-9.
  4. Neubauer, Hahn: Dooses Epilepsien im Kindes- und Jugendalter. Springer 2014, ISBN: 978-3-642-41954-6.
  5. Rolando-Epilepsie.
  6. Neubauer et al.:Epilepsy in Childhood and AdolescenceIn: Deutsches Aerzteblatt Online. 2008, doi: 10.3238/arztebl.2008.0319 . | Open in Read by QxMD.
  7. Masuhr, Neumann: Duale Reihe Neurologie. 6. Auflage Thieme 2007, ISBN: 978-3-131-35946-9.
  8. Berlit: Klinische Neurologie. 3. Auflage Springer 2011, ISBN: 978-3-642-16920-5.

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