Zusammenfassung
Die Gabe von Infusionen ist ein wesentlicher Bestandteil stationärer und ambulanter Behandlungen jeglicher Fachrichtungen. Im Gegensatz zu Injektionen wird hierbei über einen längeren Zeitraum eine Flüssigkeit appliziert. Dies dient insb. dem Ausgleich von Flüssigkeits- und/oder Volumendefiziten, zudem gibt es jedoch zahlreiche weitere Anwendungsgebiete, bspw. die Gabe von Infusionen als Trägerlösung für Medikamente. Typische Indikationen für die intravasale Volumentherapie sind bspw. eine Hypovolämie bei hämorrhagischem Schock oder eine Dehydratation bei reduzierter enteraler Resorption.
Zentrale Punkte bei der Gabe von Infusionen sind die richtige Indikationsstellung, das Etablieren eines sinnvollen Applikationsweges sowie die Auswahl der am besten geeigneten Infusionslösung in der korrekten Dosierung. Zur Erfolgskontrolle stehen verschiedene klinische Parameter zur Verfügung. In der Behandlung von Volumenmangelzuständen kommen meist kristalloide, seltener kolloidale Infusionslösungen zum Einsatz. Bei größeren Blutverlusten werden Erythrozytenkonzentrate, Frischplasma oder Thrombozytenkonzentrate verwendet (siehe dazu: Transfusionen).
Die Inhalte dieses Kapitels beziehen sich ausschließlich auf Erwachsene. Für die Flüssigkeits- und Volumentherapie bei Kindern siehe: Perioperative Infusionstherapie im Kindesalter
Definition
Sowohl in der klinischen Praxis als auch in der Fachliteratur werden Begriffe aus diesem Themenbereich oft inkonsistent und unscharf voneinander abgetrennt verwendet. Um Eindeutigkeit und ein erleichtertes Verständnis zu ermöglichen, werden im Folgenden präzisere Definitionen genutzt: [1]
- Infusionstherapie: I.v. Gabe von Infusionslösungen
- Flüssigkeitstherapie: I.v. Gabe von Infusionslösungen zum Ausgleich von Flüssigkeitsverlusten
- Volumentherapie: I.v. Gabe von Infusionslösungen zum Ausgleich von intravasalen Volumenverlusten (Hypovolämie)
Indikation
Indikationen zur Flüssigkeits- und Volumentherapie [2][3]
- Ausgleich von Flüssigkeitsverlusten: Isotone, hypertone oder hypotone Dehydratation
- Ausgleich von Volumenverlusten: Intravasaler Volumenmangel oder -verschiebungen (Hypovolämie)
- Deckung des Erhaltungsbedarfs: Prävention eines Flüssigkeits- und Volumendefizits
Eine Flüssigkeits- und Volumentherapie ist generell indiziert, wenn der Flüssigkeitsbedarf die (orale bzw. enterale) Flüssigkeitszufuhr übersteigt! [4]
Weitere Indikationen zur Gabe von Infusionen
Folgende Anwendungen von Infusionen zählen im weiteren Sinne zur Infusionstherapie, diese Themen werden jedoch nicht in diesem Kapitel abgehandelt:
- Gabe von Infusionslösungen, bspw.
- Als Trägerlösung für Medikamente
- Zum Offenhalten von Zugängen
- Für Korrekturen von Störungen des Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts, bspw.
- Infusion von Medikamenten, bspw.
- Transfusionen: Infusion von Blutprodukten
- Künstliche Ernährung
- Infusion von Nährstofflösungen
- Siehe: Parenterale Ernährung
- Osmotherapie
- Infusion von hyperosmolaren Flüssigkeiten
- Siehe: Osmodiuretika und Osmotherapeutika zur Hirndrucksenkung
Physiologische Grundlagen
Flüssigkeits- und Volumenhaushalt [5]
- Anteil des Körperwassers: Bei gesunden Erwachsenen ca. 60% des Körpergewichts
- Verteilung des Körperwassers auf zwei voneinander abgrenzbare Kompartimente
- Intrazellulärraum (ca. 40% des Körpergewichts)
- Extrazellulärraum (ca. 20% des Körpergewichts) = Extravasalraum (Transzellulärraum + Interstitieller Raum) + Intravasalraum
- Einflussfaktoren auf die Verteilung des Körperwassers
- Natriumgradient (maßgeblich beteiligt am osmotischen Druck )
- Onkotischer Druck
- Barriere der Kapillarwände [1][6]
- Endothelzellen (variieren je nach Kapillartyp)
- Glykokalyx des endothelialen Lumens („Endothelial Surface Layer“)
- Regulation des Flüssigkeits- und Volumenhaushalts
- Physiologisch: Gesamtzufuhr = Gesamtausfuhr
- Ausgleich durch verschiedene Regulationsmechanismen
- Blutvolumen recht konstant durch Rückresorption von interstitieller Flüssigkeit in den Intravasalraum [7]
Flüssigkeits- und Volumenverluste
Unterscheidung von Flüssigkeits- und Volumenverlusten [7] | ||||
---|---|---|---|---|
Betroffenes Kompartiment | Pathophysiologie | Beispiele | Therapie | |
Flüssigkeitsmangel bzw. -verlust |
|
|
| |
Volumenmangel bzw. -verlust |
|
|
Diagnostik eines Flüssigkeits-/Volumenmangels
Perioperative, intensivmedizinische und stationäre Diagnostik [4][8]
- Anamnese
- Auslösende Faktoren
- Medikamentenanamnese
- Subjektive Symptome einer Dehydratation
- Körperliche Untersuchung
- Vitalparameter: Hypotension, Tachykardie
- Hautturgor
- Inspektion der Zungenschleimhaut
- Prüfen der Venenfüllung
- Rekapillarisierungszeit
- Auskultation der Lunge, Perkussion des Thorax
- Palpation und Perkussion des Abdomens
- Inspektion der unteren Extremität
- Siehe auch: Klinik der Dehydratation
- Prüfen der Volumenreagibilität
- Bevorzugt: Lagerungsmanöver zur Autotransfusion
- Alternativ: Volumengabe als Bolus
- Reaktion prüfen durch Blutdruckmessung, Bestimmung von dynamischen Vorlastparametern oder Herzschlagvolumen
- Laborchemische Analyse
- Lactat, Base Excess (BE)
- Lactat-Clearance
- Hämatokrit
- Zentralvenöse Sauerstoffsättigung
- Harnstoff-Kreatinin-Verhältnis: Abschätzung des Volumenverlusts
- Natrium: Insb. wichtig bei schwerer Dehydratation
- Intensivmedizinisch: Ggf. zusätzlich erweiterte Diagnostik
Für die Indikationsstellung und Steuerung einer Volumentherapie eignen sich evidenzbasierte Lagerungsmanöver zur Autotransfusion besser als die nicht-evidenzbasierte Messung des ZVD! [4]
Im intensivmedizinischen und normalstationären Setting ist eine orientierende körperliche Untersuchung obligat für die Abklärung wichtiger Differenzialdiagnosen, insb. Sepsis, Blutung und Dehydratation! [4]
Notfallmedizinische Diagnostik [9]
- Fokussierte Notfallanamnese, bspw. nach dem cABCDE-Schema
- Körperliche Untersuchung
- Beurteilung des Flüssigkeitshaushalts: Hautturgor, Inspektion der Zungen- und Mundschleimhaut
- Beurteilung des Volumenstatus: Periphere und zentrale Pulse tasten
- Apparative Untersuchungen zur Beurteilung des Volumenstatus
- Herzfrequenz, Blutdruck
- Schocklagerung oder Anheben der Beine: Veränderung von Herzfrequenz und/oder Blutdruck?
- Pulsoxymetrie: Undulierende Kurve mit der In- und Exspiration vorhanden?
Passive Leg Raising Test
- Prinzip: Rückstrom von ca. 300 mL venösem Blut aus den unteren Extremitäten und dem Splanchnikusgebiet durch Anheben der Beine (passive Autotransfusion)
- Einfache, nicht-invasive Methode zur Abschätzung der Volumenreagibilität
- Sowohl bei Spontanatmung als auch bei maschineller Beatmung möglich
- Auch bei Kindern anwendbar und aussagekräftig [13][14]
- Messverfahren: „Volume Challenge“ (Volumentest) durch Autotransfusion
- Interpretation: Folgende Veränderungen innerhalb der 1. Minute sprechen für einen Volumenbedarf
- Anstieg des Herzzeitvolumens um 8–12% des Ausgangswerts [15]
- Relevante Abnahme der Pulsdruckvariation [16]
- Praktische Hinweise zur Durchführung
- Ausgangsposition 45° Oberkörperhochlagerung → Anheben der Beine um mind. 45° bei gleichzeitiger Flachlagerung des Oberkörpers
- Gleichzeitig Messung des Herzzeitvolumens und des Schlagvolumens oder des arteriellen Blutdrucks
- Limitationen
- Mögliche klinische Verschlechterung bei kardiogenem Schock durch Volumenbelastung (Vorlast↑)
- Kontraindiziert bei Rechtsherzversagen, intrakranieller Druckerhöhung [17]
Mögliche Fehlerquellen des Passive Leg Raising Test („LIMITS“) [18] | ||
---|---|---|
Aspekt | Beschreibung | Testergebnis |
L („Leg Raising“) | Falsche Ausgangsposition bzw. generell inkorrekte Durchführung | Falsch-positiv oder falsch-negativ |
I („Intervall“) | Zu langes oder zu kurzes Zeitintervall zwischen Durchführung und Auswertung des Tests | Falsch-negativ |
M („Myocardial Function“) | Rechtsherzinfarkt bzw. -versagen | |
I („Increased Pressure“) | Intrathorakaler bzw. intraabdomineller Druck >15 mmHg | |
T („Thoracic Compartment“) | Thorakales Kompartmentsyndrom (bspw. Spannungspneumothorax), Perikardtamponade | |
S („Stimulation“) | Vegetative Stressreaktion (Sympathikusaktivierung) | Falsch-positiv |
Der Passive Leg Raising Test kann einfach mit einer invasiven arteriellen Blutdruckmessung durchgeführt werden, kombiniert mit einer Echokardiografie ermöglicht er jedoch eine genauere und verlässlichere Aussage! [12]
Die Ausgangsposition ist eine 45° Oberkörperhochlagerung, keine flache Rückenlagerung!
Sonografie der Vena cava inferior
- Prinzip: Nicht-invasive sonografische Bestimmung des Durchmessers der V. cava inferior zur Beurteilung des Volumenstatus
- Messverfahren: Sonografie
- Interpretation: Vorhersage der Volumenreagibilität anhand des Füllungszustands der V. cava inferior (als Anhalt für intravasales Volumen)
- Ansprechen auf Volumengabe wahrscheinlich bei
- Endexspiratorischem Gefäßdurchmesser ≤13 mm [20]
- Respiratorischer Variation des Gefäßdurchmessers >12% (bei maschineller Beatmung)
- Ansprechen auf Volumengabe unwahrscheinlich bei endexspiratorischem Gefäßdurchmesser ≥25 mm [20]
- Ansprechen auf Volumengabe wahrscheinlich bei
- Praktische Hinweise zur Durchführung
- Ebenen: Querschnitt des Oberbauchs, Längsschnitt des Oberbauchs
- Messung des Gefäßdurchmessers direkt unterhalb des Diaphragmas
- Siehe auch: Sonografische Untersuchung der abdominellen Gefäße, POCUS Vena cava inferior
- Limitationen
- Beeinflussung durch rechtsventrikuläre Funktion und Atemzyklus
- Elliptische Form der V. cava inferior [21]
- Genauigkeit und Aussagekraft der Untersuchung umstritten [22][23][24][25]
Ablauf/Durchführung
- Indikation zur Gabe einer Infusion stellen
- Auswahl der geeigneten Infusionslösung
- Auswahl des geeigneten Applikationssystems
- Schwerkraftinfusion
- Druckinfusion
- Pumpengesteuerte Infusion (Spritzenpumpe oder Infusionspumpe)
- Auswahl des geeigneten Gefäßzugangs, bspw.
- Therapiesteuerung
- Festlegen der Menge und Laufrate/Infusionsgeschwindigkeit
- Überwachung, Kontrolle des Therapieerfolgs
Infusionslösungen
Kristalloide Infusionslösungen [26]
- Definition: Isotone, hypotone und hypertone Infusionslösungen mit Glucose und/oder Elektrolyten , ohne Zusatz von Makromolekülen
- Wirkung: Geringer intravasaler Volumeneffekt durch rasche Verteilung im gesamten Extrazellulärraum (EZR)
- Indikation: I.d.R. Flüssigkeitsersatz und Volumenersatz
Isotone Infusionslösungen
- Vollelektrolytlösungen (VEL)
- Eigenschaften
- Ähnliche Elektrolytzusammensetzung und -konzentration wie im Blutplasma
- Deutlich mehr Chlorid-Ionen als im Blutplasma
- Indikationen: 1. Wahl für
- Kurzfristigen Volumenersatz bei leichter Hypovolämie
- Flüssigkeitsersatz bei isotoner oder hypotoner Dehydratation
- Flüssigkeits- und Elektrolytersatz bei normalem Säure-Basen-Haushalt oder bei (drohender) Azidose
- Beispiele
- Ringer-Lösung
- Sterofundin®
- Eigenschaften
- Balancierte Vollelektrolytlösungen
- Eigenschaften
- Ähnliche Elektrolytzusammensetzung und -konzentration wie im Blutplasma
- Im Vergleich zu herkömmlichen VEL: Reduzierte Chloridkonzentration durch Zusatz von Anionen (Malat, Acetat oder Lactat)
- Indikationen: Analog zu Vollelektrolytlösungen
- Insb. bei größeren Infusionsmengen
- Bei Leberinsuffizienz: Präparate mit Acetat oder Malat bevorzugen
- Beispiele
- Ringer-Lactat-Lösung
- Ringer-Malat-Lösung
- Ringer-Acetat-Lösung
- Jonosteril®
- Jonosteril® Malat
- Sterofundin® ISO
- Eigenschaften
- Kohlenhydrathaltige Vollelektrolytlösungen
- Eigenschaften: Analog zum namensgebenden Präparat, zusätzlich Glucose
- Indikationen: Analog zu Vollelektrolytlösungen, insb. bei
- Kindern im perioperativen Setting
- Erwachsenen zur teilweisen Deckung des Kohlenhydratbedarfs
- Beispiele
- Jonosteril® D5
- Sterofundin® VG-5
- Kaliumfreie Elektrolytlösungen
- Eigenschaften: Unphysiologische Elektrolytzusammensetzung und -konzentration, insb. da Kalium fehlt
- Indikationen
- Flüssigkeitsersatz bei isotoner oder hypotoner Dehydratation
- Hyponatriämie [27]
- Trägerlösung für Medikamente
- Spülen von Zugängen
- Beispiel: Isotone Kochsalzlösung (NaCl 0,9%)
- ⅔-, ½- und ⅓-Elektrolytlösungen
- Eigenschaften: Vergleichsweise reduzierte Natriumkonzentration bei erhöhter Kaliumkonzentration
- Indikationen: Heutzutage selten verwendet, Indikation streng stellen
- ⅔-Elektrolytlösung: Flüssigkeitsersatz bei isotoner Dehydratation
- ½-Elektrolytlösung und ⅓-Elektrolytlösung: Flüssigkeitsersatz bei hypertoner Dehydratation
- Beispiel: Normofundin®
Hypotone Infusionslösungen
- Glucose-Lösungen
- Eigenschaften
- Hypotone Glucoselösung (Glucose 5%)
- Anteil an Glucose entscheidend für Volumeneffekt
- Indikationen
- Flüssigkeitsersatz bei hypertoner Dehydratation
- Trägerlösung für kompatible Medikamente
- Glucosegabe bei Hypoglykämie
- Eigenschaften
- Kaliumfreie Elektrolytlösungen
- Eigenschaften: Hypotone Kochsalzlösung (NaCl 0,45%)
- Indikation: Hypernatriämie mit hypertoner Dehydratation
Hypertone Infusionslösungen
- Glucose-Lösungen
- Eigenschaften
- Hypertone Glucoselösung (bspw. Glucose 20%)
- Anteil an Glucose entscheidend für Volumeneffekt
- Indikationen
- Eigenschaften
- Kaliumfreie Elektrolytlösungen
- Eigenschaften: Hypertone Kochsalzlösung (bspw. NaCl 10%)
- Indikationen
- Osmotherapie zur Hirndrucksenkung
- Ausgleich einer schweren Hyponatriämie (siehe auch: Hyponatriämie als Notfall)
Kristalloide verteilen sich im gesamten Extrazellulärraum, also auch im Interstitium! Nur ca. ¼ des Volumens verbleiben intravasal.
Als Trägerlösung für Medikamente sind bspw. Glucose 5%, Aqua ad injectabilia und NaCl 0,9% geeignet. Vollelektrolytlösungen sollten wegen ihres Calciumgehalts nicht dafür verwendet werden!
Kolloidale Infusionslösungen [26]
- Definition: Infusionslösungen mit osmotisch aktiven Makromolekülen
- Plasmaersatzstoffe: Gleicher kolloidosmotischer Druck wie Blutplasma (isoonkotisch), halten Flüssigkeit intravasal
- Plasmaexpander: Größerer kolloidosmotischer Druck als Blutplasma (hyperonkotisch), ziehen Flüssigkeit nach intravasal
- Indikation: 2. Wahl zum kurzfristigen Volumenersatz (wenn kristalloide Lösungen nicht ausreichen, bspw. bei akutem Blutverlust) [26]
- Septischer Schock: Humanalbumin oder Gelatine erwägen [28][29]
- Akute Hypovolämie im perioperativen Kontext: HES, Gelatine oder Humanalbumin erwägen [4][7][30]
- Hämodynamische Instabilität im intensivmedizinischen Kontext: Humanalbumin oder Gelatine erwägen [4]
- Verlust größerer Mengen Aszites: Albuminsubstitution bei Aszitespunktion erwägen
- Beispiele
- Hydroxyethylstärke, bspw. Voluven®, Volulyte®
- Gelatine, bspw. Gelafundin®, Gelafusal®
- Humanalbumin
- Dextrane (aufgrund häufiger allergischer Reaktionen außer Handel)
Hydroxyethylstärke (HES, HAES) [26]
- Indikation: 2. Wahl bei Hypovolämie aufgrund einer akuten Blutung
- Kurzfristiger Einsatz in niedrigster, wirksamer Dosis
- Nur bei unzureichendem Therapieerfolg kristalloider Infusionslösungen indiziert
- Bei größeren Blutverlusten: Blutprodukte verwenden , siehe: Hämorrhagischer Schock - AMBOSS-SOP
- Kontraindikationen für HES [31]
- Sepsis
- Verbrennungen
- Eingeschränkte Nierenfunktion, Nierenersatztherapie
- Intrakranielle/zerebrale Blutungen
- Kritische Erkrankung
- Hyperhydratation, inkl. Lungenödem
- Dehydratation
- Schwere Gerinnungsstörung
- Schwere Leberfunktionsstörungen
- Rote-Hand-Briefe zu HES: Ruhen der Zulassung in Deutschland aufgehoben, Einsatz jedoch weiterhin nur unter strenger Indikationsstellung [31][32][33][34]
- Pharmakokinetik
- Mittleres Molekulargewicht zwischen 70 und 450 kD, davon abhängig sind
- Volumeneffekt und intravasale Verweildauer
- Renale Ausscheidung
- Hydroxyethyl-Gruppen an C-Atomen
- Verlangsamen den schnellen Abbau durch Serumamylase
- Bestimmen den Substitutionsgrad und den Substitutionstyp [35]
- Mittleres Molekulargewicht zwischen 70 und 450 kD, davon abhängig sind
- Nebenwirkungen
- Gerinnungsstörung bei Infusion größerer Mengen
- Pruritus
- Allergische Reaktion
- Nephrotoxizität
- HES-Präparate [35]
- Benennung gibt Auskunft über mittleres Molekulargewicht, molare Substitution und Konzentration
- Bspw. Voluven® (HES 130/0,4) 6%
- 130 → Mittleres Molekulargewicht = 130.000 Dalton = 130 kD
- 0,4 → Substitutionsgrad
- 6% → Konzentration = 60 g HES in 1000 mL Infusionslösung [36][37]
- Bspw. Voluven® (HES 130/0,4) 6%
- Elektrolytzusammensetzung der Infusionslösung variiert je nach Präparat
- Generationen
- Dosisbegrenzung beachten
- Handelsübliche Präparate: HES 130/0,4–0,42, bspw. [26]
- Präparate außer Handel [26]
- Benennung gibt Auskunft über mittleres Molekulargewicht, molare Substitution und Konzentration
- Exkurs: Studienmanipulation im Zusammenhang mit Hydroxyethylstärke-Lösungen [39][40]
Derzeit sind nur noch niedermolekulare HES-Präparate der 3. Generation im Handel (130/0,4 bzw. 130/0,42)! [35]
Die potenziellen Nebenwirkungen HES-haltiger Arzneimittel erfordern einen umsichtigen Einsatz sowie eine Dosisbegrenzung!
Übersicht gängiger Infusionslösungen
Übersicht über die Zusammensetzung gängiger Infusionslösungen | ||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
mOsm/L | pH | Na+ [mmol/L] | K+ [mmol/L] | Cl- [mmol/L] | Ca2+ [mmol/L] | Mg2+ [mmol/L] | Anionen | |
Kristalloide Infusionslösungen | ||||||||
Isotone Kochsalzlösung (NaCl 0,9%) | 309 | 4,5–7 | 154 | — | 154 | — | — | — |
Ringer-Lösung | 309 | 5–7 | 147 | 4 | 156 | 2,2 | — | — |
Ringer-Lactat | 277 | 5–7 | 131 | 5,4 | 112 | 1,8 | — | Lactat |
Ringer-Acetat | 276 | 6–8 | 130 | 5,4 | 112 | 0,9 | 1 | Acetat |
Sterofundin® ISO | 309 | 5,1–5,9 | 145 | 4 | 127 | 2,5 | 1 | Acetat, Malat |
Jonosteril® | 291 | 5–7 | 137 | 4 | 110 | 1,65 | 1,25 | Acetat |
Kolloidale Infusionslösungen | ||||||||
Voluven® 6% | 308 | 4,0–5,5 | 154 | — | 154 | — | — | — |
Volulyte® 6% | 286,5 | 5,7–6,5 | 137 | 4 | 110 | — | 1,5 | Acetat |
Zum Vergleich: Zusammensetzung des Blutplasmas | ||||||||
Blutplasma (physiologisch) | 290 | 7,35–7,45 | 135–145 | 3,5–5,1 | 97–108 | 2,2–2,6 | 0,65–1,05 | U.a. Lactat, HCO3- |
„Isotonisch“ sollte man keinesfalls gleichsetzen mit „physiologisch“, Blutplasma enthält weitaus mehr Elektrolyte als bspw. eine isotone Kochsalzlösung!
Vollelektrolytlösungen haben einen physiologischen pH-Wert und weisen eine dem Blutplasma ähnliche Osmolarität sowie Elektrolytkonzentration auf (bis auf den erhöhten Anteil an Cl–)!
Balancierte Vollelektrolytlösungen enthalten weniger Cl– und dafür Anionen (Lactat, Malat oder Acetat), welche zu Bicarbonat verstoffwechselt werden und so den Säure-Basen-Haushalt ausgleichen!
Zugänge
- Generelles Prinzip: Hohe Flussrate wird v.a. erreicht durch
- Großen Lumenradius
- Kurze Katheterlänge
Die Flussrate eines Katheters unterliegt dem Hagen-Poiseuille-Gesetz: Ein halb so großes Katheterlumen führt deshalb zu einem 16-fach geringeren Durchfluss und ein halb so langer Katheter verdoppelt den Durchfluss!
Peripherer Venenverweilkatheter (PVK)
- Definition: In einer peripheren Vene befindlicher Katheter zur Applikation von Medikamenten und/oder Infusionen bzw. zur einmaligen periphervenösen Blutentnahme bei der Anlage
- Indikationen
- Geringer Volumenmangel: Einzelner Venenverweilkatheter mit moderater Durchflussrate, bspw. rosa (20 G) oder grün (18 G)
- Kritischer Volumenmangel bis Volumenmangelschock: Mehrere Venenverweilkatheter mit hoher Durchflussrate, mind. weiß (17 G)
- Für Details zu Durchflussraten siehe: Farbkodierung der Venenverweilkanülen
- Anlage: Siehe Anlage eines peripheren Venenverweilkatheters
Zentraler Venenkatheter (ZVK)
- Definition: In einer zentralen Vene befindlicher Katheter zur Applikation von Medikamenten und/oder Infusionen bzw. zur wiederholten zentralvenösen Blutentnahme
- Indikationen
- Geringer Volumenmangel: Alternative zum PVK bei schlechten Venenverhältnissen
- Langzeitinfusionen
- Hypertone Infusionslösungen
- Infusionen mit gefäßwandreizenden Arzneimitteln (bspw. Zytostatika)
- Länger andauernde parenterale Ernährung
- Messung des zentralen Venendrucks (ZVD)
- Anlage
- Perkutane Punktion bevorzugt der V. jugularis interna oder V. subclavia
- Einführen des Katheters in die klappenlose V. cava superior
- Platzieren der Spitze des Katheters vor rechtem Vorhof
- Lagekontrolle des ZVK über EKG-Ableitung: Veränderung der P-Welle
- Siehe auch: Anlage eines zentralen Venenkatheters
Sowohl das Infektions- als auch das Thromboserisiko sind vergleichsweise höher bei einer ZVK-Anlage über die V. femoralis als über die V. jugularis interna!
Shaldon-Katheter und High-Flow-Katheter
- Definition: Großlumiger Doppellumenkatheter zur Applikation größerer Infusionsmengen oder zur Dialyse
- Indikationen
- Kritischer Volumenmangel bis Volumenmangelschock
- Dialyse
- Anlage: Punktionsort und Anlagetechnik analog zum kleinlumigen ZVK
Intraossärer Zugang
- Definition: In der Markhöhle eines Knochens befindlicher Zugang zur dringlichen Applikation von Medikamenten und/oder Infusionen
- Indikationen
- Kritischer Volumenmangel bis Volumenmangelschock in der Notfallmedizin
- Als temporäre Alternative zu venösen Gefäßzugängen bspw. zur Applikation von Medikamenten im Notfall
- Anlage: Siehe Anlage eines intraossären Zugangs
Portkatheter-System (Vollimplantierbarer Venenkatheter)
- Definition: Subkutan implantiertes Kathetersystem mit einer von außen über die Haut punktierbaren Kammer als längerfristiger Gefäßzugang
- Indikationen: Notwendigkeit des längerfristigen Gefäßzuganges, bspw. zur
- Anlage
- Erfolgt standardmäßig in Lokalanästhesie mit oder ohne Analgosedierung, alternativ in Allgemeinanästhesie [41]
-
Goldstandard der Lage des Portsystems: Rechtsseitige V. cephalica, alternativ V. subclavia, V. jugularis interna oder externa → V. cava superior
- Meist verwendetes Verfahren: Operative Freilegung der V. cephalica und Platzierung des Katheters durch Venae sectio
- Selteneres Verfahren: Direkte Punktion der V. subclavia und Einbringen des Katheters mittels Seldinger-Technik
- Einführen des Katheters in das zu infundierende Gefäß
- Platzierung des Katheters: Unter Röntgenkontrolle, gewünschte Position der Katheterspitze knapp unterhalb der Trachealbifurkation
- Einbringen der Portkammer subkutan an den Thorax (bevorzugt Fixierung an Muskelfaszie des M. pectoralis major)
- Portsystem kann sofort benutzt werden
- Siehe auch: Portkatheter - Operatives Vorgehen
Arterieller Katheter
- Definition: In einer peripheren Arterie befindlicher Katheter zur (kontinuierlichen) invasiven Blutdruckmessung und/oder zur wiederholten Durchführung einer arteriellen BGA
- Indikationen
- Invasive Blutdruckmessung
- Wiederholte Durchführung einer arteriellen BGA (siehe: Indikationen für eine arterielle Blutentnahme)
- Pulskonturanalyse (erweitertes hämodynamisches Monitoring)
- Intraarterielle Infusion von Medikamenten
- Anlage
- Allen-Test durchführen
- Punktion einer Arterie während Allgemeinanästhesie oder mit Lokalanästhesie
- Einführen des Katheters, bspw. in Seldinger-Technik
- Fixieren des Katheters
- Siehe auch: Anlage eines arteriellen Katheters
Therapeutisches Vorgehen je nach Setting
Perioperative Infusionstherapie [4][6][7][30]
- Ziel: Aufrechterhaltung der präoperativen Normovolämie und Homöostase [42]
- Indikation [30]
- Ausgleich von Flüssigkeitsverlusten: Insb. bei PONV, Anlage einer Magensonde, fieberhafter Infektion oder verstärkter Diurese
- Ausgleich von Volumenverlusten: Insb. bei akuten Blutungen, Nachblutungen oder Volumenverschiebungen
- Deckung des Erhaltungsbedarfs: Insb. bei verlängerter Operationsdauer bzw. Nüchternzeit
- Durchführung
- Auswahl der geeigneten Infusionslösung
- Kristalloide Infusionslösungen: 1. Wahl
- Meist balancierte Vollelektrolytlösungen (mit Malat oder Acetat statt Lactat erwägen)
- Keine Verwendung von isotoner Kochsalzlösung zur Volumentherapie [4]
- Coloading zur Prävention einer arteriellen Hypotonie bei Spinalanästhesie zur Sectio caesarea [4]
- Kolloidale Infusionslösungen
- Bei akuter Hypovolämie und Therapieversagen kristalloider Infusionslösungen
- HES, Gelatine oder Humanalbumin erwägen [4][4]
- Patienteneigene Risikofaktoren berücksichtigen [4]
- Preloading und Coloading zur Prävention einer arteriellen Hypotonie bei Spinalanästhesie zur Sectio caesarea [4][4]
- Kristalloide Infusionslösungen: 1. Wahl
- Dosierung der Infusionslösung
- Möglichst individuell anpassen
- Intraoperative Volumenverluste berücksichtigen
- Siehe: Beispielhaftes Stufenkonzept zur perioperativen Flüssigkeits- und Volumentherapie
- Hämodynamisches Monitoring [1][4]
- Basismonitoring: Klinische Einschätzung (bspw. Hautturgor), Herzfrequenz, Blutdruck, Diurese (ggf. perioperative Bilanzierung)
-
Erweitertes hämodynamisches Monitoring
- Flussbasierte (Schlagvolumen, Herzzeitvolumen) oder dynamische Vorlastparameter (SVV, PPV) zur Einschätzung der Volumenreagibilität
- szvO2 zur Beurteilung der Gewebeoxygenierung
- Auswahl der geeigneten Infusionslösung
- Konkretes Vorgehen je nach Bedarf
- Bedarfsgerechtes und zielgerichtetes Konzept (Goal-directed Therapy) [30][43][44]
- Veraltete Konzepte
- Liberale Infusionstherapie: Keine einheitliche Definition, bspw. pauschal 4 mL/kgKG/h bei kleineren Eingriffen, 10–12 mL/kgKG/h bei großen Eingriffen [6]
- Restriktive Infusionstherapie: Keine einheitliche Definition, wird oft synonym verwendet zur aktuell empfohlenen bedarfsgerechten Infusionstherapie
- Druckinfusion für schnellen Volumenersatz [4]
- Präoperativ bzw. -interventionell bestehenden Volumenmangel möglichst vor dem Eingriff ausgleichen [4][30]
Eine Normovolämie sollte präoperativ hergestellt und intraoperativ erhalten werden! Sowohl eine Hypo- als auch eine Hypervolämie sind mit einem schlechteren Behandlungsergebnis assoziiert. [1][4][7]
Stufenkonzept
Stufenkonzept zur perioperativen Flüssigkeits- und Volumentherapie [7] | |||
---|---|---|---|
Indikation | Flüssigkeitstherapie | Volumentherapie | |
1. Stufe |
|
|
|
2. Stufe |
|
| |
3. Stufe |
|
|
Es gibt verschiedene Konzepte zur perioperativen Flüssigkeits- und Volumentherapie. Das hier abgebildete Stufenkonzept ist zielgerichtet und individualisiert! [7]
Beispielrechnung
- Angaben: Patient:in mit 70 kgKG und 2 h OP-Dauer
- Flüssigkeitsverlust
- Perspiratio insensibilis beträgt ca. 0,5 mL/kgKG/h → 0,5 mL × 70 kgKG × 2 h = 70 mL
- Harnproduktion beträgt ca. 1 mL/kgKG/h → 1 mL × 70 kgKG × 2 h = 140 mL
- Gesamter intraoperativer Flüssigkeitsverlust = 70 mL + 140 mL = 210 mL → Ausgleich durch Gabe von 210 mL balancierter Vollelektrolytlösung
- Volumenverlust
- Blutvolumen in mL = Körperoberfläche (KOF) in m2 × Normalwert des Blutvolumens pro m2KOF
- Berechnung der Körperoberfläche = √(Körpergröße in cm × Körpergewicht in kg ÷ 3600)
- Gesamter Blutverlust = Je nach Klinikstandard geschätzt oder berechnet → Ausgleich je nach initialem Blutvolumen und intraoperativem Blutverlust (siehe Stufenkonzept)
Zur Deckung des Erhaltungsbedarfs sind i.d.R. 1–1,5 mL/kgKG/h ausreichend! [6]
Perioperative Bilanzierung [7]
- Optional anwendbar zur korrekten Auswahl und Dosierung von Infusionen
- Unterscheidung in Flüssigkeits- und Volumenbilanz berücksichtigt unterschiedlichen Volumeneffekt von Infusionen
- Zu beachten: Begrenzte Aussagekraft bei der visuellen Schätzung von Blutmengen [45][46]
Flüssigkeitsbilanz [7] | |
---|---|
Einfuhr (in mL) | Ausfuhr (in mL) |
| |
Interpretation: Flüssigkeitsbilanz = Einfuhr - Ausfuhr |
Die Flüssigkeitsbilanz berücksichtigt lediglich die Menge der zu- und abgeführten Flüssigkeiten!
Volumenbilanz [7] | |
---|---|
Einfuhr (in mL) | Ausfuhr (in mL) |
|
|
Interpretation: Volumenbilanz = Einfuhr - Ausfuhr |
Die Volumenbilanz berücksichtigt zusätzlich zur Menge auch den Volumeneffekt der infundierten Flüssigkeiten, d.h. den Anteil des intravasal verbleibenden Volumens!
Trotz einer positiven Flüssigkeitsbilanz kann es bei hohem intraoperativen Blutverlust und übermäßiger Gabe kristalloider Infusionen zur ausgeprägten Hypovolämie kommen!
Intensivmedizinische Infusionstherapie [2][4][47][48][49][50]
- Ziel: Wiederherstellung der Normovolämie und Homöostase
- Indikation
- Ausgleich von Flüssigkeitsverlusten: Insb. bei fieberhafter Infektion, vermehrten renalen oder extrarenalen Verlusten
- Ausgleich von Volumenverlusten: Insb. durch Volumenverschiebung bei septischem Schock
- Deckung des Erhaltungsbedarfs: Insb. bei fehlender Möglichkeit zur oralen Aufnahme von Flüssigkeiten
- Durchführung
- Auswahl der geeigneten Infusionslösung
- Kristalloide Infusionslösungen: 1. Wahl
- Meist balancierte Vollelektrolytlösungen (bevorzugt mit Malat oder Acetat statt Lactat) [51]
- Leitlinienempfehlung: Keine Verwendung von NaCl 0,9% zur Volumentherapie [4] [52][53][54][55]
- Schweres SHT: Keine hypoosmolaren Lösungen zur Volumentherapie
- Kolloidale Infusionslösungen
- Balancierte(!) kolloidale Infusionslösungen verwenden
- Patienteneigene Risikofaktoren berücksichtigen
- Generell keine HES-haltigen Arzneimittel bei kritisch Kranken verwenden [31]
- Akute Hypovolämie und Therapieversagen kristalloider Infusionslösungen: Gelatine oder Humanalbumin erwägen
- SAB und zerebraler Vasospasmus: Wiederholte Gabe von kolloidalen Infusionslösungen erwägen
- Kristalloide Infusionslösungen: 1. Wahl
- Dosierung der Infusionslösung
- Angepasst an Krankheitsphasen bzw. -verlauf
- Hämodynamisches Monitoring [4]
- Basismonitoring: Klinische Einschätzung (bspw. Hautturgor, Rekapillarisierungszeit), Herzfrequenz, Blutdruck, Diurese (inkl. Bilanzierung, i.d.R. alle 4 h) obligat
- Erweitertes hämodynamisches Monitoring je nach Situation
- Flussbasierte (Schlagvolumen, Herzzeitvolumen) oder dynamische Vorlastparameter (SVV, PPV), Passive Leg Raising Test zur Einschätzung der Volumenreagibilität
- szvO2 zur Beurteilung der Gewebeoxygenierung
- Echokardiografie zur Beurteilung des Volumenstatus und der Herzfunktion
- Auswahl der geeigneten Infusionslösung
- Konkretes Vorgehen je nach Indikation, siehe bspw.
Kritische Erkrankungen zählen zu den Kontraindikationen für HES!
Stationäre Infusionstherapie [4]
- Indikation
- Ausgleich von Flüssigkeitsverlusten: Insb. bei Dehydratation infolge von Diarrhö und/oder Erbrechen
- Ausgleich von Volumenverlusten: Insb. bei Volumenverschiebungen durch Vorerkrankungen
- Deckung des Erhaltungsbedarfs: Insb. bei längerer Nüchternheit bzw. fehlender oraler Flüssigkeitsaufnahme
- Durchführung
- Auswahl der geeigneten Infusionslösung: 1. Wahl meist balancierte Vollelektrolytlösungen
- Dosierung der Infusionslösung: Angepasst an klinische Situation und Indikation
- Bilanzierung: Insb. bei Vorerkrankungen erwägen, bspw.
- Konkretes Vorgehen je nach Indikation, siehe bspw.
Stationäre Bilanzierung [56][57] | |
---|---|
Einfuhr (in mL) | Ausfuhr (in mL) |
|
|
Interpretation: Flüssigkeitsbilanz = Einfuhr - Ausfuhr |
Notfallmedizinische Infusionstherapie [9]
- Indikation
- Ausgleich von Flüssigkeitsverlusten: Insb. bei schwerer Dehydratation
- Ausgleich von Volumenverlusten: Insb. bei akuten Blutungen infolge von Unfällen
- Deckung des Erhaltungsbedarfs: Nicht relevant in der Notfallmedizin
- Durchführung
- Auswahl der geeigneten Infusionslösung
- Kristalloide Infusionslösungen: 1. Wahl, meist balancierte Vollelektrolytlösungen (bevorzugt mit Malat oder Acetat statt Lactat)
- Kolloidale Infusionslösungen: 2. Wahl, insb. zum Volumenersatz bei therapierefraktärer Hypotonie , bspw. 6% HES 130 in balancierter Trägerlösung
- Dosierung der Infusionslösung: Abhängig von klinischer Situation und Verdachtsdiagnose und orientiert an Zielwerten für Kreislaufparameter, bspw.
- Im Regelfall: Systolischer Blutdruck >90 mmHg, Herzfrequenz <100/min
- Bei Schädel-Hirn-Trauma: Systolischer Blutdruck >120 mmHg
- Bei Indikation für permissive Hypotension: Systolischer Blutdruck ca. 70–80 mmHg
- Auswahl der geeigneten Infusionslösung
- Konkretes Vorgehen je nach Indikation, siehe bspw.
Eine präklinische notfallmedizinische Infusionstherapie ist insb. bei drohendem oder manifestem Schock notwendig! [9]
Überwachung einer Flüssigkeits- und Volumentherapie
- Kontrolle von Ein- bzw. Ausfuhr (Bilanzierung)
- Regelmäßige Evaluierung der Infusionsmenge
- Monitoring der Diurese, ggf. Messung des Körpergewichts
- Hämodynamisches Monitoring: Art und Umfang abhängig von klinischer Gesamtsituation
- Verlaufsbeurteilung der erhobenen Parameter, bspw.
- Ggf. differenzierte Beurteilung der Hämodynamik durch Thermodilution bzw. Pulskonturanalyse
- Wiederholtes Prüfen der Volumenreagibilität
- Verlaufskontrolle initial erhobener Befunde
- Körperliche Untersuchung
- Labordiagnostik/Blutgasanalyse
- Echokardiografie
- Röntgen-Thorax
- Siehe auch: Diagnostik eines Flüssigkeits-/Volumenmangels
Der zentrale Venendruck (ZVD) soll nicht als primärer Parameter zur Diagnose eines Volumenmangels und Steuerung einer Volumentherapie eingesetzt werden. (DGIM - Klug entscheiden in der internistischen Intensivmedizin)
Komplikationen
Hypervolämie [1][3][58]
- Definition: Erhöhung des zirkulierenden Blutvolumens
- Risikofaktoren
- Pathophysiologie
- Hypervolämie → Hydrostatischer Druck↑ und Freisetzung von ANP → Beschädigung der endothelialen Glykokalyx → Funktionseinschränkung der vaskulären Barriere, erhöhte Kapillarpermeabilität → Austritt von Flüssigkeit nach extravasal → Ödeme [59]
- Zusätzlich kardialer Effekt: Hypervolämie → Vorlasterhöhung übersteigt Kompensationsmöglichkeiten des Frank-Starling-Mechanismus → Schlagvolumen↓ → HZV↓ und Koronarperfusion↓ [1]
- Symptome/Klinik: Gestaute Venen (bspw. Halsvenen, Zungengrund), periphere Ödeme, erhöhter Hautturgor, schnelle Gewichtszunahme
- Diagnostik: Hb-Wert↓, Herzfrequenz↑ (Bainbridge-Reflex), Blutdruck↑, ggf. zentraler Venendruck↑
- Therapie
- Supportiv: Sitzende Lagerung, tief hängende Beine
- Medikamentös
- Schleifendiuretikum, bspw. Furosemid
- Zusätzlich bei hypertoner Krise und/oder Lungenödem: Nitroglycerin (Glyceroltrinitrat)
- Weitere Maßnahmen
- Bei Lungenödem: Maschinelle Beatmung mit PEEP und 100% O2
- Bei Niereninsuffizienz: Flüssigkeitsbilanz mit täglichem Wiegen und Dialyse, siehe auch
Mögliche Anzeichen von Komplikationen einer Hypervolämie | |
---|---|
Klinische Symptomatik | Komplikation |
Kopfschmerzen, Bewusstseinsstörungen, erhöhte Krampfneigung | Hirnödem |
Husten, Dyspnoe, feuchte Rasselgeräusche | Interstitielles Lungenödem („Fluid Lung“) bis hin zum ARDS |
Arterielle Hypertonie und Tachykardie | Hypertensive Entgleisung oder hypertensiver Notfall, kardiale Volumenbelastung bei verminderter Koronarperfusion bis hin zur akuten Herzinsuffizienz |
Prall gespanntes Abdomen, Oligurie, hämodynamische Instabilität, Beatmungsdrücke↑ | Darmwandödem bis hin zum abdominellen Kompartmentsyndrom [1][36] |
Eine akute Hypervolämie entsteht i.d.R. infolge eines Überangebots an Flüssigkeit kombiniert mit einer eingeschränkten Nierenfunktion! [3]
Störungen des Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts [26][60]
- Hyperchlorämische Azidose [61]
- Lactatazidose
- Hyponatriämie oder Hypernatriämie
- Siehe auch: Natriumeffekt von Infusionslösungen
Weitere Komplikationen
- Hypothermie, insb. perioperative Hypothermie
- Hämodilution, mögliche Folgen [7]
- Kompromittierte Gerinnung
- Verminderter Sauerstofftransport
- Hyper- oder Hypoosmolarität, hypotone Hyperhydratation
- Perioperative Komplikationen [7]
Die sorgfältige Indikationsstellung und adäquate Dosierung von Infusionen bestimmen, ob positive Effekte oder unerwünschte Nebenwirkungen überwiegen! [7]
Eine inadäquate, zu liberale Anwendung von Infusionen kann potenziell lebensbedrohliche Komplikationen verursachen! [7]
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Studientelegramme zum Thema
HOMe Studientelegramme Innere Medizin
- Studientelegramm 224-2022-3/3: „We call it a Klassiker“: Volumentherapie bei Sepsis
- Studientelegramm 203-2022-2/3: “Drin ist drin – egal was?” Natriumchlorid vs. Vollelektrolytlösungen auf der Intensivstation
- Studientelegramm 188-2021-2/3: PVK-Wechsel: Nach Plan oder nach Phlegmone?
- Studientelegramm 187-2021-3/3: Balancierte Elektrolytinfusion vs. isotone Kochsalzlösung
- Studientelegramm 31-2018-2/3: Big RELIEF – Liberale perioperative Flüssigkeitsgabe ist nicht schädlich
- Studientelegramm 18-2018-2/3: Kochsalz- oder balancierte Kristalloide?
One-Minute Telegram (aus unserer englischsprachigen Redaktion)
- One-Minute Telegram 69-2023-1/3: The jury is still out on the best treatment approach to early sepsis
- One-Minute Telegram 54-2022-3/3: Should we rethink resuscitation in septic shock?
- One-Minute Telegram 47-2022-2/3: Do balanced salt solutions provide a benefit over saline in ICU patients?
Interesse an wöchentlichen Updates zur aktuellen Studienlage im Bereich der Inneren Medizin? Abonniere jetzt das Studientelegramm (Beiträge zur Inneren Medizin in Kooperation mit HOMe sowie zur Überversorgung in der Inneren Medizin mit der DGIM). Zusätzlich haben wir auch das englische One-Minute-Telegram und den AMBOSS-Podcast im Angebot. Alle Links zur Anmeldung findest du am Seitenende unter "Tipps & Links".