Zusammenfassung
Die Fallot-Tetralogie ist der häufigste zyanotische angeborene Herzfehler. Die Fehlbildung besteht aus einer Pulmonalstenose, einer rechtsventrikulären Hypertrophie, einem Ventrikelseptumdefekt (VSD) und einer nach anterior und rechts verlagerten, über dem VSD „reitenden“ Aorta. Klinisch werden zwei Verlaufsformen unterschieden:
Beim „Pink Fallot“ mit milder Pulmonalstenose und kleinem VSD reicht die antegrade Lungendurchblutung durch die Pulmonalklappe initial aus, um eine ausreichende Oxygenierung zu gewährleisten. Über den VSD besteht ein Links-rechts-Shunt. Die Neugeborenen sind initial asymptomatisch, ggf. kann es jedoch auch zu einer pulmonalen Überflutung kommen. Mit zunehmender Pulmonalstenose nimmt der Blutfluss durch die Pulmonalklappe in den ersten Lebensmonaten jedoch ab und es entsteht ein Rechts-links-Shunt über den VSD.
Beim „Blue Fallot“ sind Pulmonalstenose und VSD so ausgeprägt, dass bereits zu Beginn eine verminderte Lungendurchblutung und ein Rechts-links-Shunt mit zentraler Zyanose bestehen. Das Auftreten und das Ausmaß der Zyanose ist also abhängig von der Obstruktion des rechtsventrikulären Ausflusstraktes. Bei Stress oder körperlicher Anstrengung kann es zu plötzlichen, hypoxämischen Anfällen kommen, die potenziell lebensbedrohlich sind und Sofortmaßnahmen erfordern.
Die Diagnose einer Fallot-Tetralogie wird echokardiografisch gestellt. Eine Korrektur-OP ist grundsätzlich ab der Geburt möglich, bei stabilem Verlauf wird sie aufgrund besserer Ergebnisse jedoch elektiv im Alter von 4–9 Monaten angestrebt. Zuvor sind ggf. medikamentöse, interventionelle oder chirurgische Maßnahmen zur Verbesserung der Lungendurchblutung notwendig.
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Dieses Kapitel ist im Rahmen unserer Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie und Angeborene Herzfehler e.V. (DGPK) unter Mitautorenschaft von Prof. Dr. med. Robert Dalla Pozza entstanden.
Definition
- Definition: Komplexer, angeborener zyanotischer Herzfehler mit einer Kombination aus
- Rechtsventrikulärer Hypertrophie
- Nach anterior und rechts verlagerter, über dem VSD „reitender“ Aorta
- Ventrikelseptumdefekt (VSD)
- Pulmonalstenose
- Mögliche Begleitfehlbildungen
- ASD oder offenes Foramen ovale (=Fallot-Pentalogie)
- AVSD
- Anomalien der Koronararterien oder des Aortenbogens
- Stenosen oder Hypoplasien der peripheren Pulmonalarterien
- Aortopulmonale Kollateralen
Epidemiologie
- Häufigster zyanotischer Herzfehler [1]
- Ätiologie: Unklar
- Wiederholungsrisiko
- Betroffenes Geschwisterkind: 2,5%
- Betroffener Elternteil: 1,2–8,3%
- Assoziation mit Fehlbildungssyndromen und Chromosomenanomalien
Die Fallot-Tetralogie ist der häufigste angeborene zyanotische Herzfehler und in ca. 30% aller Fälle mit Syndromen assoziiert!
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Pathophysiologie
- Hämodynamik und klinisches Bild: Abhängig vom Ausmaß des VSD und der Pulmonalstenose
- Pink Fallot: Kleiner VSD und milde/moderate Pulmonalstenose
- → Links-rechts-Shunt, ggf. mit pulmonaler Überflutung → Moderate Druckbelastung des rechten Ventrikels → Rechtsventrikuläre Hypertrophie
- → Pulmonaler Blutfluss(↓) und Links-rechts-Shunt → Keine Zyanose
- Verlauf : Pulmonalstenose↑ → Rechts-links-Shunt → Zentrale Zyanose
- Blue Fallot: Größerer VSD und ausgeprägte Pulmonalstenose
- → Ausgeprägte Druckbelastung des rechten Ventrikels → Rechtsventrikuläre Hypertrophie
- → Pulmonaler Blutfluss↓↓ und Rechts-links-Shunt → Zentrale Zyanose
- Verlauf : Physiologischer Verschluss des Ductus arteriosus → Zentrale Zyanose↑↑
- Pink Fallot: Kleiner VSD und milde/moderate Pulmonalstenose
Der Rechts-links-Shunt und die zentrale Zyanose sind abhängig vom Ausmaß der Obstruktion der rechtsventrikulären Ausflussbahn!
Neugeborene mit ausgeprägter Pulmonalstenose sind zum Überleben auf einen offenen Ductus arteriosus angewiesen!
Symptomatik
- Zentrale Zyanose: Zeitpunkt und Ausmaß abhängig vom Schweregrad
- Siehe: Pink Fallot und Blue Fallot
- Ggf. hypoxämischer Anfall
- Allgemeinsymptome
- Trinkschwäche, Gedeihstörung
- Müdigkeit, Erschöpfung, Blässe
- Rezidivierende bronchopulmonale Infekte
- Tachydyspnoe
- Weitere mögliche Symptome
- Hockende Körperhaltung (ab dem Kleinkindalter)
- Symptome einer chronischen Herzinsuffizienz im Kindesalter
- Zeichen einer chronischen Zyanose (selten)
Initial können Neugeborene mit einer Fallot-Tetralogie asymptomatisch sein!
Hypoxische Anfälle mit plötzlich zunehmender zentraler Zyanose sind potenziell lebensbedrohlich!
Diagnostik
Initiale Diagnostik
- Siehe auch: Abklärung einer Zyanose bei Neugeborenen und Kindern
- Auskultation
- Singulärer 2. Herzton
- Systolikum mit p.m. über dem 2. bis 3. ICR links parasternal
- Pulsoxymetrie: Objektivierung der Zyanose bzw. Hypoxämie
- Echokardiografie: Mittel der 1. Wahl
- Pränatal: Fetale Echokardiografie (Diagnosestellung ab Ende des 1. Trimenons möglich )
- Postnatal: Transthorakale Echokardiografie
- Pulmonalstenose
- Ventrikelseptumdefekt (VSD)
- Nach anterior und rechts verlagerte, über dem VSD „reitende“ Aorta
- Rechtsventrikuläre Hypertrophie
- Begleitanomalien (bspw. ASD, AVSD, Veränderungen des Aortenbogens oder Koronararterienabgänge)
Die Diagnose einer Fallot-Tetralogie wird echokardiografisch gestellt!
Weitere Basisdiagnostik
- Röntgen-Thorax
- 12-Kanal-EKG: I.d.R. unspezifischer Befund
Spezielle Diagnostik
- Kardio-MRT: Goldstandard in der Bildgebung zur postoperativen Verlaufskontrolle bei Jugendlichen und Erwachsenen
- CT-Angiografie: Bevorzugte Bildgebung zur Planung operativer oder interventioneller Folgeeingriffe
- Herzkatheteruntersuchung: Indikation bei speziellen Fragestellungen
- Genetische Diagnostik: Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung für Mikrodeletion 22q11.2 (Di-George-Syndrom)
Ab dem Jugendalter ist neben der Echokardiografie und klinischen Befunden das Kardio-MRT diagnostischer Goldstandard zur Verlaufskontrolle!
Differenzialdiagnosen
- Bei auffälligem klinischen Bild: Siehe Differenzialdiagnosen zyanotischer Herzfehler
- Bei spezifischen echokardiografischen Auffälligkeiten: VSD mit rechtsverlagerter Aorta
- Truncus arteriosus communis
- Double Outlet right Ventricle (DORV) [2]
- Pulmonalatresie mit VSD
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
Vorgehen bei hypoxämischem Anfall
Vorgehen bei Fallot-Tetralogie
Akutmaßnahmen
- Indikation: Starke Beeinträchtigung
- Ziel: Sicherung bzw. Verbesserung der Lungenperfusion
- Maßnahme: Abhängig von der Hämodynamik
- Bei ductusabhängiger Perfusion: Offenhalten des Ductus arteriosus durch intravenöse Gabe von Prostaglandin E1 (siehe auch: Prostaglandin E1-Dauerinfusion)
- Bei ductusunabhängiger Perfusion: Palliativtherapie
Bei Neugeborenen mit spO2 <80% sind Akutmaßnahmen zur Sicherung der Lungenperfusion notwendig!
Palliativtherapie
- Indikationen
- Starke Beeinträchtigung
- Initial milde Beeinträchtigung mit Verschlechterung im Verlauf
- Ziel: Verbesserung der Lungenperfusion bis zur Korrektur-OP
- Maßnahmen
- Medikamentös
- Bei ductusabhängiger Lungendurchblutung: Prostaglandin E1-Dauerinfusion
- Bei rechtsventrikulärer Ausflusstraktstenose↑: Betablockertherapie [1]
- Interventionell
- Bei ductusabhängiger Lungendurchblutung: Stentimplantation in den Ductus arteriosus
- Bei höhergradiger Pulmonalklappenstenose: Ballonvalvuloplastie
- Bei subvalvulärer Pulmonalstenose: Stentimplantation in den rechtsventrikulären Ausflusstrakt
- Chirurgisch
- Modifizierter Blalock-Taussig-Shunt
- Erweiterung der rechtsventrikulären Obstruktion ohne VSD-Verschluss
- Sano-Shunt
- Medikamentös
Ziel der Palliativtherapie ist die Verbesserung der Lungenperfusion bis zur Korrektur-OP!
Korrektur-OP
- Indikation: Alle Kinder mit Fallot-Tetralogie
- Zeitpunkt: Abhängig vom Verlauf
- Bei stabilem Verlauf: Elektiv im Alter von 4–9 Monaten
- Bei hypoxämischem Anfall oder ausbleibender Besserung durch Palliation: Frühzeitig
- Maßnahmen: Erweiterung der rechtsventrikulären Ausflussobstruktion und VSD-Patchverschluss
Falls es die klinische Situation erlaubt, erfolgt die Korrektur-OP im Alter von 4–9 Monaten!
Weitere interventionelle Maßnahmen
- Coiling oder Pfropf-Verschluss von Kollateralen
- Indikation: Kollaterale mit dualer Durchblutung des betroffenen Lungensegments
- Zeitpunkt: Vor oder nach der Korrektur-OP
- Perkutane transluminale Angioplastie
- Indikationen
- Periphere Pulmonalstenose
- Ausgeprägte Hypoplasie der zentralen Pulmonalarterien
- Zeitpunkt: I.d.R. nach Korrektur-OP
- Indikationen
Endokarditisprophylaxe
- Indikation: Alle Kinder mit Fallot-Tetralogie
- Beginn: Ab der Geburt
- Dauer
- Bis 6 Monate nach Korrektur-OP
- Langfristig bei Residualshunt im Bereich von implantiertem Material oder nach Pulmonalklappenersatz
Komplikationen
Hypoxämischer Anfall
- Definition: Plötzliche, potenziell lebensbedrohliche Komplikation der Fallot-Tetralogie mit schwerer, anfallsartiger Zyanose
- Auslöser: Psychischer Stress oder körperliche Anstrengung (z.B. Weinen), Hypovolämie, Fieber
- Pathophysiologie: Peripherer Gefäßwiderstand↓ und/oder Obstruktion des rechtsventrikulären Ausflusstraktes↑ → Plötzliche Zunahme des Rechts-links-Shunts
- Symptome
- Leitsymptom: Zentrale Zyanose↑↑
- Im Verlauf: Metabolische Azidose und Schocksymptomatik , ggf. Vigilanzstörung und epileptischer Anfall
- Therapie hypoxämischer Anfälle
- Ziel: Peripherer Widerstand↑ und/oder rechtsventrikuläre Obstruktion der Ausflussbahn↓
- Akutmaßnahmen
- Intensivmedizinische Maßnahmen: Intubation, Noradrenalin [1], Betablocker i.v. [1]
- Nach Stabilisierung: Einleitung weiterer Therapiemaßnahmen (siehe: Fallot-Tetralogie - Therapie )
Eine Sedierung (insb. bei i.v. Applikation) kann die zentrale Zyanose initial sogar verstärken, sodass zusätzliche Maßnahmen notwendig sind!
Langfristige Komplikationen
- Direkt postoperativ
- Junktionale ektope Tachykardie
- Kompletter Rechtsschenkelblock
- Kompletter AV-Block (selten)
- Ab dem Kindesalter
- Progrediente Pulmonalinsuffizienz [3]
- Residuelle Stenose des rechtsventrikulären Ausflusstraktes
- Ggf. residueller Septumdefekt (selten)
- Ab dem Erwachsenenalter
- Herzinsuffizienz
- Aortendilatation/-insuffizienz
- Atriale und ventrikuläre Tachykardien bzw. Tachyarrhythmien
- Plötzlicher Herztod
Postoperativ kommt es häufig zur Pulmonalinsuffizienz, sodass ggf. ein sekundärer Pulmonalklappenersatz notwendig wird!
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Nachsorge
Kinder und Jugendliche mit Fallot-Tetralogie
Kinderkardiologische Nachsorge nach Korrektur-OP einer Fallot-Tetralogie | ||
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Untersuchung | Intervall | Fokus der Untersuchung |
Pulsoxymetrie |
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12-Kanal-EKG | ||
Echokardiografie |
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Langzeit-EKG |
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Kardio-MRT |
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Spiroergometrie |
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Erwachsene mit Fallot-Tetralogie
Nachsorge nach Korrektur-OP einer Fallot-Tetralogie im Erwachsenenalter | ||
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Untersuchung | Intervall | Fokus der Untersuchung |
12-Kanal-EKG |
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Echokardiografie |
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Langzeit-EKG |
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Kardio-MRT |
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CT-Angiografie |
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Spiroergometrie |
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Prognose
- 25-Jahres-Überlebensrate: >90% [1]
- Revisionseingriffe: Ca. 50% aller Erwachsenen
Besondere Patientengruppen
Schwangere mit Fallot-Tetralogie
- Empfehlung: Humangenetische Beratung und pränatale Diagnostik inkl. fetaler Echokardiografie
- Maternale Risiken: Abhängig vom Ausmaß der Pulmonalinsuffizienz
- Bei leichter/moderater Pulmonalinsuffizienz: Gering erhöhtes Risiko für Rechtsherzinsuffizienz oder Tachyarrhythmien
- Bei schwerer Pulmonalinsuffizienz : Hohes Risiko für rechtsventrikuläre Dekompensation
- Kindliche Risiken
- Spontanabort ≤20%
- Frühgeburtlichkeit ca. 6%
- Niedriges Geburtsgewicht 9%
- Angeborener Herzfehler 3%
- Perinatale Letalität 1,4%
Je schwerer die Pulmonalinsuffizienz, desto höher das Risiko für Komplikationen während der Schwangerschaft!
Meditricks
In Kooperation mit Meditricks bieten wir durchdachte Merkhilfen an, mit denen du dir relevante Fakten optimal einprägen kannst. Dabei handelt es sich um animierte Videos und Erkundungsbilder, die auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend sind. Die Inhalte liegen meist in Lang- und Kurzfassung vor, enthalten Basis- sowie Expertenwissen und teilweise auch ein Quiz sowie eine Kurzwiederholung. Eine Übersicht aller Inhalte findest du im Kapitel „Meditricks“. Meditricks gibt es in unterschiedlichen Paketen – für genauere Informationen empfehlen wir einen Besuch im Shop.
Fallot-Tetralogie
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
Q21.-: Angeborene Fehlbildungen der Herzsepten
- Exklusive: Erworbener Herzseptumdefekt (I51.0)
- Q21.0: Ventrikelseptumdefekt
- Q21.1: Vorhofseptumdefekt
- Offen oder persistierend:
- Ostium-secundum-Defekt (ASD II)
- Sinus-coronarius-Defekt
- Sinus-venosus-Defekt
- Q21.2: Defekt des Vorhof- und Kammerseptums
- Canalis atrioventricularis communis
- Endokardkissendefekt
- Ostium-primum-Defekt (ASD I)
- Q21.3: Fallot-Tetralogie
- Ventrikelseptumdefekt mit Pulmonalstenose oder -atresie, Dextroposition der Aorta und Hypertrophie des rechten Ventrikels
- Q21.4: Aortopulmonaler Septumdefekt
- Aortopulmonales Fenster
- Defekt des Septum aorticopulmonale
- Q21.8-: Sonstige angeborene Fehlbildungen der Herzsepten
- Q21.80: Fallot-Pentalogie
- Q21.88: Sonstige angeborene Fehlbildungen der Herzsepten
- Q21.9: Angeborene Fehlbildung des Herzseptums, nicht näher bezeichnet
- (Herz‑) Septumdefekt o.n.A.
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.