Patientenvorstellung
Die 7-jährige Sophie wird von ihren Eltern mit stärksten Schmerzen am ganzen Körper in der Ambulanz einer Kinderklinik vorgestellt. Die Schmerzen seien so stark, dass sie nicht mehr aufstehen, essen oder trinken könne. Zudem habe sie am Tag der Vorstellung mehrmals erbrochen und Durchfall gehabt.
Vor 4 Tagen sei aufgrund von Fieber bis 40 °C und purulenter Otorrhö rechts bereits eine lokale Behandlung mit Ciprofloxacin-Ohrentropfen eingeleitet worden, die bislang nicht zu einer Besserung geführt habe. 4 Wochen zuvor sei Sophie außerdem wegen Halsschmerzen und rechtsseitigen Ohrenschmerzen unter dem Verdacht auf eine Infektion mit Gruppe-A-Streptokokken 6 Tage lang mit Cefaclor p.o. behandelt worden.
Sophie habe keine bekannten Vorerkrankungen oder Allergien. Die Impfungen seien nach den aktuellen Empfehlungen der STIKO durchgeführt worden.
Das vorliegende Fallbeispiel ist in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für pädiatrische Infektiologie (DGPI) entstanden. Der Fall wurde in enger Zusammenarbeit für die ärztliche Aus- und Weiterbildung didaktisch aufgearbeitet.
An welche Differenzialdiagnosen solltest du denken?
- Infektion [1]
- Metabolische/endokrinologische Erkrankung
- Diabetische Ketoazidose [7][8]
- Addison-Krise [9]
- Rheumatische Erkrankung
- Rheumatisches Fieber [1][10]
- Vaskulitis [11][12]
- Systemischer Lupus erythematodes [13]
- Maligne Erkrankung
- Akute Leukämie [14][15]
- Hirntumor [16]
Bei Kindern mit Hinweisen für eine schwere systemische Infektion (bspw. Fieber oder Hypothermie, Tachypnoe, Tachykardie, verlängerte Rekapillarisationszeit) sollte an das Vorliegen einer Sepsis gedacht werden! [17]
Zwischenfragen
Sophie hat wegen des Verdachts auf eine Infektion mit Streptokokken eine systemische antibiotische Therapie erhalten.
Wann und wie sollte bei einer Tonsillopharyngitis durch Streptokokken antibiotisch behandelt werden? [1][18][19]
Wie ist die Gabe von Cefaclor in diesem Zusammenhang zu bewerten? [1][18][19]
Zudem erhielt Sophie eine lokale antibiotische Therapie.
Wann und wie sollte bei einer akuten Otitis media behandelt werden? [1][20]
Wie ist die lokale antibiotische Therapie mit Ciprofloxacin in diesem Zusammenhang zu bewerten? [1][20]
Fortsetzung Fallbericht
Sophie ist zum Zeitpunkt der Vorstellung in einem deutlich reduzierten Allgemeinzustand und zeigt ein blass-graues Hautkolorit, eine generalisierte Berührungsempfindlichkeit und starke Schmerzen. Auffällig ist ein steifer Nacken mit eingeschränkter Beweglichkeit des Kopfes. Das Mastoid stellt sich inspektorisch unauffällig dar. Das Abdomen ist weich, mit lebhaften Darmgeräuschen und leichtgradigem Druckschmerz im Mittelbauch. Die sonstige klinische Untersuchung ergibt unauffällige Befunde.
- Körpertemperatur: 36,8 °C
- Herzfrequenz: 84/min [2]
- Blutdruck: 90/42 mmHg [2]
- Körpergewicht: 25,4 kg [21]
- Körpergröße: 124 cm [21]
Welche Verdachtsdiagnose steht im Vordergrund und wie äußert sich diese typischerweise?
Leitbefund der Untersuchung ist ein steifer Nacken mit eingeschränkter Beweglichkeit des Kopfes. In Zusammenschau mit der Anamnese (Fieber und Schmerzen) sollte die Verdachtsdiagnose einer Meningitis im Vordergrund stehen. Das klinische Bild der Meningitis ist abhängig vom Alter des Kindes.
- Neugeborene und Säuglinge [1][3]
- Überwiegend unspezifische Symptomatik
- Atemstörungen (bspw. Apnoen)
- Auffälliges Hautkolorit
- Fieber oder Hypothermie
- Trinkschwäche und Erbrechen
- Irritabilität und schrilles Schreien
- Lethargie
- Meningitische Zeichen fehlen häufig
- Überwiegend unspezifische Symptomatik
- Kinder (≥1 Jahr) [1][3]
- Typische Trias: Fieber, Kopfschmerz, Meningismus
- Meningitische Zeichen
- Lasègue-Zeichen und Bragard-Zeichen
- Brudzinski-Zeichen
- Kernig-Zeichen
- Kniekuss nicht möglich
- Nackensteifigkeit
- Meningitische Zeichen
- Weitere mögliche Symptome: Erbrechen, Bewusstseinsstörung, Krampfanfälle, fokal-neurologisches Defizit
- Typische Trias: Fieber, Kopfschmerz, Meningismus
Bei einer Meningitis im Neugeborenen- und Säuglingsalter können typische meningitische Zeichen fehlen!
Welche diagnostischen Maßnahmen führst du durch?
Dringlichste und wichtigste diagnostische Maßnahme zum Ausschluss bzw. zur Bestätigung einer Meningitis ist die Lumbalpunktion. Parallel werden i.d.R. zügig ergänzende und weniger invasive Untersuchungen durchgeführt (bspw. Abstriche und venöse Blutentnahme).
- Lumbalpunktion
- Makroskopische Beurteilung
- Mikroskopische Beurteilung
- Bestimmung der Zellzahl
- Differenzierung der Zellen
- Laborchemische Untersuchung
- Direkter und indirekter Erregernachweis
- Gramfärbung
- Kultur
- PCR, ggf. Multiplex-PCR auf virale und bakterielle Erreger
- Serologie
- Abstriche zur Erregerdiagnostik
- Rachenabstrich
- Ohrabstrich
- Ggf. Streptokokken-A-Schnelltest
- Venöse Blutentnahme
- Blutbild inkl. Differenzialblutbild
- CRP, Procalcitonin
- Elektrolyte, Glucose, Leber- und Nierenwerte
- Blutgasanalyse
- Gerinnung
- Direkter und indirekter Erregernachweis
- Blutkulturen
- Serologie
Zwischenfrage
Welche Kontraindikationen bestehen bei der Durchführung einer Lumbalpunktion? [22]
Fortsetzung Fallbericht
Sophie wird Blut abgenommen und es werden Abstriche aus dem Rachen und dem rechten Gehörgang entnommen. Aufgrund der starken Kopfschmerzen und der deutlich schmerzhaft eingeschränkten Beweglichkeit des Kopfes wird noch vor der Durchführung einer Lumbalpunktion die Indikation zur CT gestellt. Es werden die folgenden Befunde erhoben.
Venöse Blutentnahme | |||
---|---|---|---|
Parameter | Befund | Referenzbereich [3] | |
Blutbild | Erythrozyten | 3,74×106/μL | 4,5–5,5×106/μL |
Hb | 9,8 g/dL (6,1 mmol/L) | 11,9–14,7 g/dL (7,4–9,1 mmol/L) | |
Hk | 28% | 33–43% | |
Leukozyten | 13.200/μL | 8.000–12.000/μL | |
Thrombozyten | 84.000/μL | 200.000–350.000/μL | |
Neutrophile | 81% | 35–70% | |
Lymphozyten | 10% | 25–50% | |
Monozyten | 8% | 1–6% | |
Entzündungsparameter | CRP | 225 mg/L | <6 mg/L |
Procalcitonin | 84,9 ng/mL | <0,5 ng/mL | |
Klinische Chemie | Kalium | 3,4 mmol/L | 3,6–5,5 mmol/L |
Calcium | 2,0 mmol/L | 2,1–2,7 mmol/L | |
Eiweiß | 44 g/L | 60–83 g/L | |
Gerinnung | Fibrinogen | 425 mg/dL | 156–400 mg/dL |
Antithrombin III | 61% | 79–131% | |
D-Dimere | 3,8 mg/L | <0,4 mg/L | |
Infektionsserologie | Antistreptolysin O | 1.310 IU/mL | <150 IU/mL [23] |
EBV, CMV, HSV-1/-2, Masern | IgG und IgM negativ | — | |
Varizellen, Mumps, Röteln | IgG positiv, IgM negativ | — | |
Blutkultur | Negativ | — | |
Blutzucker, Natrium, Kreatinin, γGT, Quick/INR, aPTT normwertig |
Liquordiagnostik | ||
---|---|---|
Parameter | Befund | Referenzbereich [3] |
Zellzahl | 9/μL | <5/μL |
Eiweiß | 190 mg/L | 100–500 mg/L |
Glucose | 3,6 mmol/L (65 mg/dL) | 2,1–3,6 mmol/L (38–65 mg/dL) |
Lactat | 1,2 mmol/L | 0,8–1,9 mmol/L |
Pathologie | Unauffälliger zytologischer Befund | — |
Liquorkultur | Negativ | — |
Abstriche | |
---|---|
Abstrichort | Befund |
Rachen | Nachweis von Streptococcus pyogenes |
Gehörgang rechts | Nachweis von Streptococcus pyogenes |
Befund CT |
---|
Geringgradig flüssigkeitsgefüllte Mastoidzellen rechtsseitig |
Beurteile die wegweisenden Befunde und stelle die Diagnose!
- Venöse Blutentnahme
- Leukozytose mit Neutrophilie, erhöhte Entzündungswerte (CRP, PCT)
- Beurteilung: V.a. bakterielle Infektion
- Liquordiagnostik
- Leichte isolierte Pleozytose bei sonst unauffälligem Liquorbefund
- Beurteilung: V.a. meningeale Reizung
- Infektiologisch
- Nachweis von Streptococcus pyogenes im Abstrich des Rachens und rechten Gehörgangs
- Beurteilung: V.a. Infektion mit Streptococcus pyogenes
- CT
- Geringgradig flüssigkeitsgefüllte Mastoidzellen rechtsseitig
- Beurteilung: Mastoiditis rechts
Zusammenfassend leidet Sophie an einer Mastoiditis als Komplikation einer Otitis media. Diese wurde vermutlich durch eine Infektion mit β-hämolysierenden Streptokokken der Gruppe A (Streptococcus pyogenes) verursacht.
Zwischenfragen
Spricht der Nachweis von Streptococcus pyogenes im Rachen für eine akute Infektion als Ursache der Beschwerden? [1]
Für welche Infektionskrankheit sind β-hämolysierende Streptokokken der Serogruppe A im Kindesalter typischerweise verantwortlich? [1]
Bei Sophie wurde die Konzentration von Antistreptolysin O (ASL) im Blut bestimmt. Welche Aussagekraft hat dieser Wert bei einer akuten Tonsillopharyngitis? [18][19]
Bewerte Anämie und Thrombopenie in diesem Zusammenhang!
Der Antistreptolysin-O-Titer (ASL-Titer) und andere Streptokokken-Antikörper-Titer sollten bei akuter und rezidivierender Tonsillopharyngitis nicht bestimmt werden!
Die Relevanz eines Erregernachweises ist abhängig von der klinischen Symptomatik!
Nenne die typische Symptomatik, Diagnostik und konservative Therapie der Erkrankung!
Symptomatik
- Otalgie
- Retroaurikuläre Schwellung (druckdolent, teigig, gerötet, überwärmt), ggf. abstehende Ohrmuschel
- Schonhaltung des Kopfes (schmerzbedingt)
- Fieber
Diagnostik
- Klinischer Befund
- Palpation: Klopf- und/oder Druckschmerz retroaurikulär über dem Mastoid, ggf. Schmerzauslösung bei Zug an der Ohrmuschel
- Otoskopie (mögliche Befunde): Eitriger Paukenerguss, entzündetes Trommelfell, ggf. perforiert mit eitriger Sekretion
- Laborwerte: Entzündungsparameter↑ (z.B. Leukozyten, Neutrophile, BSG, CRP, PCT)
- Direkter Erregernachweis: Anlegen einer Kultur, ggf. PCR
- Abstrich aus dem äußeren Gehörgang (bei perforierter Otitis media oder nach Parazentese)
- Feinnadelpunktion (bei subperiostalem Abszess)
- Intraoperatives Wundmaterial (bei Mastoidektomie)
- Liquorpunktion (indiziert bei Hinweis für Meningitis)
- Blutkulturen
- Bildgebung: cMRT (Methode der Wahl) oder CT Felsenbein
Konservative Therapie
- Allgemeines
- Symptomatische Therapie
- Schmerztherapie nach Bedarf
- Abschwellende Nasentropfen
- Xylometazolin [27]
- Kalkulierte antibiotische Therapie [1]
- 1. Wahl: Ampicillin/Sulbactam (pädiatrisch)
- Alternativ: Cefotaxim (pädiatrisch) oder Ceftriaxon (pädiatrisch) , ggf. zusätzlich Clindamycin (pädiatrisch)
- Bei V.a. Infektion mit Pseudomonas aeruginosa : Ceftazidim oder Piperacillin/Tazobactam (pädiatrisch)
- Bei V.a. multiresistente Erreger: Meropenem (pädiatrisch)
Bei akuter unkomplizierter Mastoiditis ist ein konservativer Therapieversuch unter stationären Bedingungen und engmaschiger Beobachtung gerechtfertigt!
Fortsetzung Fallbericht
Nach der CT wird eine intravenöse antibiotische Therapie mit Cefuroxim begonnen und Sophie zur weiteren Behandlung in eine Universitäts-Kinderklinik verlegt. Aufgrund des deutlich reduzierten Allgemeinzustandes mit meningealer Reizung wird die antibiotische Therapie unter dem V.a. intrazerebrale Komplikationen auf Cefotaxim, Gentamicin und Clindamycin umgestellt. In der cMRT wird die rechtsseitige Mastoiditis bestätigt. Zudem zeigt sich eine langstreckige Sinusvenenthrombose rechts am Übergang von Sinus transversus zum Sinus sigmoideus bis zur V. jugularis reichend. Nach einwöchiger antibiotischer Kombinationstherapie sind die Entzündungsparameter nicht rückläufig und die cMRT-Kontrolle zeigt eine unveränderte Entzündungsreaktion im rechten Mastoid.
Zwischenfrage
Wie kann die antibiotische Therapie mit Cefotaxim, Gentamicin und Clindamycin bewertet werden? [1]
Wie ist diese Komplikation am ehesten entstanden und wie behandelst du sie?
- Ursache: V.a. parainfektiöse Thrombose durch anatomische Nähe des Mastoids zum Sinus transversus
- Therapie: Therapeutische Heparinisierung
- Unfraktioniertes Heparin
- Dosierung: Siehe Therapeutische Antikoagulation mit unfraktioniertem Heparin
- Alter ≤1 Jahr [28]
- Alter >1 Jahr [28]
- Steuerung: Anpassung der Perfusor-Infusionsrate nach PTT
- Dosierung: Siehe Therapeutische Antikoagulation mit unfraktioniertem Heparin
- Niedermolekulares Heparin
- Dosierung: Siehe Therapeutische Antikoagulation mit niedermolekularem Heparin
- Alter <2 Monate [29][30]
- Alter >2 Monate [29][30]
- Steuerung: Laborkontrollen bei therapeutischer Antikoagulation mit NMH
- Dosierung: Siehe Therapeutische Antikoagulation mit niedermolekularem Heparin
- Unfraktioniertes Heparin
Zwischenfragen
Welche Ursachen können einer Sinusvenenthrombose im Kindesalter zugrunde liegen? [31]
Welche Symptome sind im Neugeborenen- und Kindesalter typisch für eine Sinusvenenthrombose? [32]
Welche weiteren Komplikationen können bei einer Mastoiditis auftreten? [1]
Fortsetzung Fallbericht
Zur Behandlung der Sinusvenenthrombose erhält Sophie zunächst eine aPTT-gesteuerte Therapie mit unfraktioniertem Heparin. Während der konventionellen Heparintherapie wird zusätzlich das erniedrigte Antithrombin III substituiert. Nach 10 Tagen wird die Antikoagulation auf Enoxaparin umgestellt. Der Anti-Xa-Spiegel zeigt sich unter der Enoxaparin-Therapie im therapeutischen Bereich.
Die Entzündungsparameter sind trotz therapeutischer Maßnahmen weiterhin nicht rückläufig und die cMRT-Kontrolle zeigt eine unveränderte Entzündungsreaktion im rechten Mastoid.
Wie gehst du angesichts der fehlenden Besserung vor?
- Chirurgisches Prozedere
- Indikation
- Bei klinisch eindeutiger schwerer Mastoiditis: Immer notfallmäßige Mastoidektomie
- Bei leichter Mastoiditis: Fehlendes Ansprechen auf intravenöse antibiotische Therapie je nach klinischem Befund nach 12–72 h
- Interventionsmöglichkeiten
- Parazentese mit Paukendrainage zur Entlastung des Mittelohres
- Mastoidektomie, ggf. inkl. Adenotomie
- Feinnadelpunktion zur Drainage bei subperiostalem Abszess
- Indikation
Bei schwerem klinischen Verlauf oder fehlendem Ansprechen auf eine intravenöse antibiotische Therapie ist ein chirurgisches Vorgehen indiziert!
Fortsetzung Fallbericht
Am 8. Tag des stationären Aufenthalts wird die Indikation zur Mastoidektomie gestellt. Zusätzlich werden eine Parazentese mit Einlage eines T-Tubes sowie eine Adenotomie durchgeführt. Intraoperativ findet sich im Bereich des rechten Mastoids Granulationsgewebe ohne Hinweis auf eitriges Sekret. Das Granulationsgewebe wird entfernt und Probenmaterial für die Mikrobiologie und Histopathologie eingeschickt. Mikrobiologisch lässt sich nach antibiotischer Vorbehandlung im intraoperativen Wundabstrich kein Erreger nachweisen. Der histopathologische Befund ergibt eine mittelgradige chronische, nicht-floride Entzündung.
Die cMRT-Kontrolluntersuchung vor Entlassung zeigt zwar weiterhin eine Kontrastmittelaufnahme des flüssigkeitsverlegten Mastoids, die Entzündungsreaktion ist insg. jedoch deutlich rückläufig. Zudem zeigt sich eine Regredienz der Sinusvenenthrombose mit Teilrekanalisation des Sinus sigmoideus rechts. Im weiteren Verlauf bessern sich Sophies Beschwerden und sie kann nach Hause entlassen werden.
Welche Therapieempfehlungen solltest du bei der Entlassung geben?
- Antibiotische Sequenztherapie [1]
- Antithrombotische Sekundärprophylaxe [30]
- Niedermolekulares Heparin
- Umstellung auf prophylaktische Dosierung
- Dauer abhängig von Risikofaktoren, Befund und Verlauf
Fortsetzung Fallbericht
Bei Entlassung wird eine antibiotische Sequenztherapie mit Cefuroxim p.o. für weitere 16 Tage empfohlen. Die antithrombotische Sekundärprophylaxe mit Enoxaparin wird für 6 Wochen in therapeutischer, anschließend für 6 Monate in prophylaktischer Dosis fortgesetzt.
In der 4 Monate später durchgeführten Tonschwellenaudiometrie zeigt sich, dass die abgelaufene Mastoiditis mit Sinusvenenthrombose keinen dauerhaften Schaden des Innenohres verursacht hat.
Zwischenfrage
Wie kann die antibiotische Sequenztherapie mit Cefuroxim p.o. bewertet werden? [1][33]
Oberärztlicher Kommentar
Wer hätte das gedacht?! Sophie präsentierte sich initial mit einem schweren Krankheitsbild. Aufgrund des Untersuchungsbefundes stand zunächst die Verdachtsdiagnose einer Meningitis im Vordergrund. Durch systematische und schrittweise Diagnostik inkl. Lumbalpunktion und Bildgebung wurde klar, dass die Symptomatik auf eine akute Mastoiditis mit meningealer Reizung und parainfektiöser Sinusvenenthrombose als Komplikation einer akuten Otitis media zurückzuführen war.
Beschwerden aufgrund einer akuten Otitis media gehören zu den häufigsten Gründen einer kinderärztlichen Konsultation. Innerhalb der ersten 6 Lebensjahre leiden ca. 60% aller Kinder mind. einmal darunter. Aufgrund der hohen Selbstheilungsrate ist eine symptomatische Therapie in den meisten Fällen ausreichend. Eine antibiotische Therapie ist nur in Einzelfällen unmittelbar indiziert und kann das Auftreten einer Mastoiditis nicht sicher verhindern. Insb. bei Kindern ≥24 Monaten führte eine empfohlene verzögerte Antibiotikaverordnung in den letzten Jahren nicht zu einer Zunahme der Mastoiditis oder komplizierter Verläufe. [34][35]
Das Risiko einer akuten Mastoiditis als Komplikation ist mit 1–4 Fälle pro 100.000 Kinder und Jugendliche pro Jahr selten. Es besteht immer eine Indikation zur stationären Aufnahme und intravenösen Antibiotikatherapie. In weniger schweren Fällen ist ein konservativer Therapieversuch häufig ausreichend, bei schweren Verläufen oder fehlender Besserung unter konservativer Therapie ist jedoch eine chirurgische Sanierung notwendig. Die 13-valente Pneumokokken-Impfung zeigt einen nachgewiesenen präventiven Effekt und reduziert signifikant die durch Streptococcus pneumoniae verursachten Fälle von akuter Mastoiditis bei <5-jährigen Kindern. [1][36]
Die akute Otitis media ist häufig, eine antibiotische Therapie ist jedoch nur in Einzelfällen indiziert!
Die akute Mastoiditis ist selten, bedarf jedoch einer konsequenten intravenösen antibiotischen Therapie und ggf. chirurgischen Sanierung!