Abstract
Das Marfan-Syndrom ist eine Bindegewebserkrankung mit defekter Mikrofibrillen-Synthese, die autosomal-dominant vererbt wird oder als Neumutation auftritt und zu multiplen pathologischen Veränderungen verschiedener Organsysteme führt. Charakteristisch sind dabei ein Hochwuchs, eine Hyperelastizität der Gelenke sowie Fehlbildungen von Herz und Aorta (insbesondere Aneurysmata, Dissektionen).
Beim Ehlers-Danlos-Syndrom kommt es ebenfalls zu einer fehlerhaften Synthese des Bindegewebes. Die autosomal-dominant/-rezessiv oder X-chromosomal vererbte, heterogene Gruppe von Erkrankungen manifestiert sich unter anderem durch Hyperelastizität der Haut und der Gelenke sowie durch Fehlbildungen des Herz-Kreislauf-Systems.
Beide Krankheitsentitäten werden mittels interdisziplinärer symptomadaptierter Therapie der Komplikationen behandelt, während eine kausale Therapie nicht zur Verfügung steht.
Definition
Marfan-Syndrom
Beim Marfan-Syndrom handelt es sich um eine Bindegewebserkrankung mit Defekt der Mikrofibrillen. Die Erkrankung kann autosomal-dominant vererbt werden oder als Neumutation auftreten.
Ehlers-Danlos-Syndrom
Beim Ehlers-Danlos-Syndrom handelt es sich um eine heterogene Gruppe (sechs Hauptformen) von angeborenen Störungen der Kollagensynthese. Es gibt sowohl einen autosomal-dominanten und -rezessiven als auch einen X-chromosomalen Erbgang.
Ätiologie
Marfan-Syndrom
Ursächlich handelt es sich um einen Gendefekt auf dem langen Arm des Chromosom 15. In der Folge kommt es zu einem Defekt der Mikrofibrillen des Bindegewebes.
Ehlers-Danlos-Syndrom
Verschiedene Gendefekte in unterschiedlicher Ausprägung sind Grundlage der sechs Hauptformen des Ehlers-Danlos-Syndroms.
Symptome/Klinik
Marfan-Syndrom
- Herz- und Gefäßsystem (sehr häufig betroffen)
- Herzklappenfehler
- Aortenaneurysmata/-dissektionen/-ektasien
- Auge
- Insbesondere Lockerung des Halteapparats der Linsen → Linsenluxation, -subluxation, häufig nach nasal-oben
- Kurzsichtigkeit
- Glaukom
- Katarakt
- Netzhautablösung
- Skelettsystem, Muskulatur und äußere Zeichen
- Schnelles Körperwachstum (Hochwuchs)
-
Faziale Auffälligkeiten
- Senkrechte Überentwicklung des Kopfes (Dolichozephalie = Langschädel)
- Enophthalmus
- Lateral abfallende Lidachsen
- Molarhypoplasie
- Retrognathie
- Hyperlaxizität der Gelenke, hoher Gaumen (Gotischer Gaumen)
- Gelenkdislokationen: Bspw. Protrusio acetabuli
- Arachnodaktylie (Spinnenfingrigkeit)
- Steinberg-Zeichen (syn. Daumenzeichen): Legt der Patient den Daumen in die Handfläche und schließt die Hand zur Faust, überragt der eingeschlagene Daumen den ulnaren Handrand
- Walker-Zeichen (syn. Murdoch-Zeichen, Walker-Murdoch-Zeichen, Handgelenkzeichen): Umgreift der Patient mit einer Hand das Handgelenk der anderen Hand, überragt das Endglied des kleinen Fingers das Endglied des Daumens
- Verschmälerte Finger (Madonnenfinger)
- Trichter- oder Kielbrust (Pectus excavatum bzw. carinatum)
- Verformungen der Wirbelsäule (Skoliose, Hyperkyphose)
- Schwach entwickelte Muskulatur (Muskelhypotrophie mit Haltungsschwäche)
- Scapula alata
- Habituelle Luxationen (insb. Patella, Schulter)
- Plattfüße
- Samtartige Haut mit Neigung zu Striae (Dehnungsstreifen)
- Sekundäre Osteoporose
- Sonstige
- Häufigeres Auftreten von Spontanpneumothoraces
- Lumbosakrale Duraektasie
Ehlers-Danlos-Syndrom
-
Herz- und Gefäßsystem
- Herzklappenfehler
- Herz-/ Aortenaneurysmata/-dissektionen/-ektasien
- Skelettsystem
- Dermatologisch
- Überdehnbarkeit der Haut
- Hämatomneigung
- Hernien
Therapie
Marfan-Syndrom
- Keine kausale Therapie verfügbar
- Interdisziplinäre symptomadaptierte Therapie der Komplikationen
- Regelmäßige orthopädische, ophthalmologische und kardiologische Kontrollen
- Betablocker und ggf. kardiochirurgische Therapie (bspw. Ersatz von Aorta ascendens oder descendens)
Ehlers-Danlos-Syndrom
- Keine kausale Therapie verfügbar
- Therapie von Komplikationen (bspw. Hernien, rupturierte Gefäße)
Prognose
- Marfan-Syndrom
- Eingeschränkte Lebenserwartung aufgrund der kardiovaskulären Veränderungen
- Bei rechtzeitiger Diagnose und adäquater Therapie jedoch normale Lebenserwartung möglich
- Ehlers-Danlos-Syndrom
- Milde Ausprägungen mit normaler Lebenserwartung
- Vaskuläre Form mit reduzierter durchschnittlicher Lebenserwartung aufgrund von Gefäßrupturen
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2023
- Q87.-: Sonstige näher bezeichnete angeborene Fehlbildungssyndrome mit Beteiligung mehrerer Systeme
- Q87.4: Marfan-Syndrom
- Q79.-: Angeborene Fehlbildungen des Muskel-Skelett-Systems, anderenorts nicht klassifiziert
- Exklusive: Torticollis congenitus (muscularis) (Q68.0)
- Q79.6: Ehlers-Danlos-Syndrom
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.