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Dranginkontinenz

Letzte Aktualisierung: 17.7.2024

Zusammenfassungtoggle arrow icon

Bei der Drang- oder auch Urgeinkontinenz handelt es sich um einen unwillkürlichen Harnverlust in Kombination mit imperativem (plötzlichem) Harndrang. Die überaktive Harnblase (ÜAB, „overactive bladder“ OAB) beschreibt einen Symptomkomplex, welcher neben Pollakisurie, Nykturie und imperativem Harndrang mit einer Inkontinenz einhergehen kann. Als weitere Formen der Dranginkontinenz sind zum einen die nicht-neurogene Detrusorhyperaktivität mit Harninkontinenz (früher Detrusorinstabilität) sowie die neurogene Detrusorhyperaktivität mit Harninkontinenz (früher Reflexinkontinenz) zu sehen. Neben einer ausführlichen Anamnese und körperlichen Untersuchung stellt die urodynamische Untersuchung ein wichtiges diagnostisches Mittel dar. Therapeutisch stehen neben der konservativen Therapie die medikamentöse Therapie mittels Anticholinergika sowie interventionelle Therapien wie die Injektionstherapie mit Botulinum Toxin A im Vordergrund. Operative Therapien sind meist als Ultima Ratio zu betrachten.

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Definitiontoggle arrow icon

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Epidemiologietoggle arrow icon

Prävalenz der Harninkontinenz: > [1][3]

    • Lineare altersabhängige Steigerung bis 50 Jahre auf ca. 30%, erneuter Anstieg ab 70 Jahren
    • In jüngeren Jahren überwiegt die Belastungsinkontinenz, im Alter eher die Mischinkontinenz
    • 3–11% aller Männer unabhängig von der Inkontinenzform
    • Belastungsinkontinenz <10%, Dranginkontinenz (40–80%) und Mischinkontinenz (10–30%)
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Ätiologietoggle arrow icon

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Pathophysiologietoggle arrow icon

  • Detrusorhyperaktivität [1][2]
    • Inkontinenz aufgrund spontaner unwillkürlicher Detrusorkontraktionen durch Missverhältnis zwischen Stärke der afferenten Impulse und der zentralen Hemmung des Miktionsreflexes
      • Defizit der zentralnervösen Hemmung des Miktionsreflexes (z.B. bei Erkrankung des ZNS)
      • Gesteigerte Erregbarkeit des Detrusors (nicht-neurogene Detrusorhyperaktivität), durch anatomische oder funktionelle Veränderung des Detrusors selbst verursacht
      • Vermehrte afferente Impulse

Neuronale Regulation der Miktion: Aktivierung der Dehnungsrezeptoren bei Füllung der HarnblaseAfferenzen ins pontine und sakrale Miktionszentrum → Aktivierung Parasympathikus (Vorderwurzel S2–S4) → Nn. splanchnici pelvici → Kontraktion des M. detrusor vesicae → Willkürliche Entspannung des M. sphincter urethrae externus über N. pudendus → Entleerung der Harnblase

  • Blasenhypersensitivität
    • Gesteigerte Blasenempfindung aufgrund vermehrten Anflutens sensorischer Reize bzw. erniedrigter Reizschwelle der Harnblase
    • Hypersensitivität auch durch lokale Atrophie bei Östrogenmangel möglich

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Symptomatiktoggle arrow icon

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Diagnostiktoggle arrow icon

Für Details zur Basisdiagnostik bei Inkontinenz siehe: Diagnostik bei Harninkontinenz

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Differenzialdiagnosentoggle arrow icon

AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

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Therapietoggle arrow icon

Konservative Therapie [4]

  • Gewichtsreduktion (bei Adipositas)
  • Trinkverhalten (ausreichende Trinkmenge, Reduktion von koffein-, alkohol- und kohlensäurehaltigen Getränken )
  • Miktionstraining („Blasentraining“)
    • Ziele: Korrektur fehlerhafter Gewohnheitsmuster, Verlängerung der Miktionsintervalle, bessere Kontrolle über die Miktion
    • Aufbau
  • Beckenbodentraining ggf. in Kombination mit Biofeedback
  • Kombination mit medikamentöser Therapie

Medikamentöse Therapie [3][4][5]

Anticholinergika (Antimuskarinika)

Anticholinergika sind Mittel der 1. Wahl in der Therapie der Dranginkontinenz! [6]

Bei kognitiven Störungen sollte Oxybutynin nicht gegeben werden! Hingegen ist eine Gabe von Trospiumchlorid bei kognitiven Störungen möglich.

β3-Adrenorezeptor-Agonist

Vanilloidrezeptoragonisten

Interventionelle Therapie [4]

  • Indikation für alle weiteren Therapien: Versagen der medikamentösen und konservativen Therapie
  • Botulinumtoxin A
    • Wirkung: Unterdrückung der Freisetzung von Acetylcholin aus präsynaptischen Nervenendigungen → Reizüberleitung unterbrochen → Irreversible Blockade cholinerger Nerven
    • Reversibler Effekt: Abbau des Toxins, Neubildung von cholinergen Synapsen („nerve sprouting“) und Proteinkomplexen (präsynaptisch)
    • Applikation
      • Transurethral
      • Injektion von insg. 200 IE (ggf. 300 IE) Botulinumtoxin A (z.B. BOTOX®) an 20 Stellen in den Detrusor
    • Erfolgsrate bei Langzeittherapie ca. 75%
    • Nebenwirkung: Restharnbildung, komplette Parese des M. detrusor vesicae mit konsekutivem Harnverhalt (5–10%), Harnwegsinfektionen
  • Sakrale Neuromodulation
    • Implantation von Nadelelektroden über Neuroforamina zur Erregung der Spinalnervenwurzeln auf Höhe S3 und eines elektrischen Impulsgebers in Lokalanästhesie
    • Wirkung: Erregung afferenter und efferenter Leitungsbahnen des quergestreiften Sphinkters und Beckenbodens (nozizeptive Leitungsbahn nur unterschwellig) → Schmerzlose reflektorische Hemmung der Detrusoraktivität
    • Vorteil
      • Testung des Prinzips über temporär platzierte Elektroden über 14 Tage ambulant möglich
      • Bei Besserung >50% der Beschwerden → Implantation permanenter Elektroden
      • Zusätzlich positiver Einfluss auf sexuelle Funktionsstörungen und Stuhlinkontinenz möglich
    • Langzeitergebnisse
      • Reduktion der Dranginkontinenz in 70% d.F. (nach 5 Jahren)
      • Reduktion des Dranggefühls und Miktionsfrequenz in 55% d.F. (jeweils nach 5 Jahren)
    • Komplikation
      • Funktionsverlust der Stimulation
      • Fremdkörperinfektion (operative Revision bis zu 40%)
      • Schmerzhafte/zu starke Stimulation mit Erregung der Beinmuskulatur (Explantationsrate bis zu 20% innerhalb von 5 Jahren)
  • Perkutane tibiale Neuromodulation
    • Prinzip: Aktivierung des N. tibialis posterior (führt Leitungsbahnen aus L4–S3) über Nadelelektrode
    • 12 Sitzung pro Woche mit je 30 Minuten
    • Subjektive Besserung der Symptomatik in 50–80% d.F.
    • Nebenwirkungen lokal und selten (Hautrötung, leichte Blutung, leichte Schmerzen)
  • „Electromotive drug application“ (EMDA)

Operative Therapie [1][3]

Eine Blasenaugmentation bei Patient:innen mit Dranginkontinenz sollte erst nach Versagen der konservativen medikamentösen Therapie, der Botulinum-Injektions-Therapie und Versagen der sakralen Neuromodulation erfolgen! [4][6]

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Verlaufs- und Sonderformentoggle arrow icon

Neurogene Detrusorhyperaktivität mit Harninkontinenz (früher Reflexinkontinenz) [1][2]

Neuronale Regulation der Miktion: Aktivierung der Dehnungsrezeptoren bei Füllung der HarnblaseAfferenzen ins pontine und sakrale Miktionszentrum → Aktivierung Parasympathikus (Vorderwurzel S2–S4) → Nn. splanchnici pelvici → Kontraktion des M. detrusor vesicae→ Willkürliche Entspannung des M. sphincter urethrae externus über N. pudendus → Entleerung der Harnblase

  • Therapie [7]
    • Ziel: Erhalt der Nierenfunktion , ausreichende Speicherkapazität der Harnblase, Wiederherstellung von Kontinenz, Verbesserung der Lebensqualität
    • Selbstkatheterisierung
      • Frühzeitige Ableitung des Urins zur Vermeidung größerer Miktionsmengen und reflektorischer Harnblasenentleerung gegen den Sphinkter
      • Mittel der Wahl
    • Medikamente zur Senkung des intravesikalen Drucks
      • Anticholinergika: Medikamente der ersten Wahl (Oxybutynin, Propiverin, Tolterodin, Trospium)
      • Injektion von Botulinumtoxin
        • Indikation: Versagen der medikamentösen Therapie
        • Injektion von insg. 200 IE (ggf. 300 IE) Botulinumtoxin A (z.B. BOTOX®) an 20 Stellen in den Detrusor
        • Erfolgsrate bei Langzeittherapie ca. 75%
        • Klinische Relevanz für Antikörperbildung noch unklar
    • Operative Therapie

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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025toggle arrow icon

Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.

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