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Anfallssuppressiva

Letzte Aktualisierung: 21.11.2023

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Zu den Anfallssuppressiva wird eine heterogene Gruppe von Arzneistoffen gezählt, die zur symptomatischen Dauerbehandlung epileptischer Anfälle (v.a. der verschiedenen Epilepsieformen) eingesetzt werden. Die anfallssuppressive Wirkung erfolgt je nach Substanz über unterschiedliche Rezeptoren und Ionenkanäle, grundsätzlich bestehen die Wirkmechanismen jedoch in einer Verstärkung der neuronalen Hemmung und einer Hemmung der neuronalen Erregung.

Generell kann zwischen klassischen und neueren Anfallssuppressiva unterschieden werden, wobei klassische Anfallssuppressiva meist eine engere therapeutische Breite und geringere Verträglichkeit besitzen als neuere Anfallssuppressiva. Die Auswahl der geeigneten Substanz richtet sich nach dem vorliegenden Anfallstyp, da nicht alle Anfallssuppressiva gegen alle Formen der Epilepsie gleich gut wirksam sind. Mittel der Wahl bei fokalen Epilepsien sind so z.B. Lamotrigin und Levetiracetam, bei generalisierten Epilepsien Valproat. Als unerwünschte Wirkung können bei allen Anfallssuppressiva dosisabhängige zentralnervöse Störungen auftreten (z.B. Somnolenz, Schwindel), einzelne Substanzen besitzen zudem speziellere Nebenwirkungen (z.B. Phenytoin: Gingivahyperplasie).

Neben dem Einsatz in der Epilepsietherapie kann das Wirkspektrum einiger Anfallssuppressiva auf weitere Indikationen ausgeweitet werden: So werden z.B. Carbamazepin oder Gabapentin als Koanalgetika in der Schmerztherapie eingesetzt, Valproat erfährt Anwendung in der Phasenprophylaxe bipolarer Störungen.

Übersichttoggle arrow icon

Klassische Anfallssuppressiva

Klassische Anfallssuppressiva zeigen meistens eine enge therapeutische Breite, stärkere Nebenwirkungen und vermehrte Arzneimittelinteraktionen.

Substanz

Kürzel

Indikationen Charakteristika Wichtige Nebenwirkungen
Carbamazepin CBZ
Ethosuximid ESM
  • Unwirksam bei anderen Epilepsieformen
Phenytoin PHT

Valproat (Valproinsäure)

VPA
  • Einschleichen nicht nötig bzw. rasche Aufdosierung möglich
  • Im Vergleich zu anderen Substanzen relativ wenige Nebenwirkungen → Häufig verwendete Substanz
  • Rote-Hand-Brief zu Valproat: Teratogenität und Intelligenzminderung des Kindes bei mütterlicher Einnahme während der Schwangerschaft [1]
  • Hepatotoxizität
Es wird zunächst immer eine Monotherapie angestrebt. Erst bei Therapierefraktärität sollte eine Kombinationstherapie begonnen werden.

Neuere Anfallssuppressiva

Neuere Anfallssuppressiva zeigen meistens eine größere therapeutische Breite, weniger Nebenwirkungen und Interaktionen.

Substanz

Kürzel

Indikationen Charakteristika Wichtige Nebenwirkungen
Gabapentin GBP
Lacosamid LCM
  • Mono- und Kombinationstherapie fokaler Anfälle mit oder ohne sekundäre Generalisierung
Lamotrigin LTG
Levetiracetam LEV
  • Als Mono- und Kombinationstherapie einsetzbar
Pregabalin

PGB

  • Somnolenz, Schwindel
  • Sehstörungen (insb. Diplopie und unscharfes Sehen)
  • Gewichtszunahme
  • Missbrauchs- und Abhängigkeitspotenzial [2]
Topiramat TPM
Vigabatrin VGB
  • Kein Einsatz als Anfallssuppressivum
  • Irreversible Gesichtsfeldstörungen bei bis zu 40% der Patienten → Starke Indikationseinschränkung!

Zonisamid

ZNS
  • Mono- und Kombinationstherapie fokaler Epilepsien (mit oder ohne sekundäre Generalisierung) bei Erwachsenen mit neu diagnostizierter Epilepsie
  • Zusatztherapie bei fokalen Anfällen (ab 6 Jahre)
  • Lange HWZ (60 h)
  • Zentralnervöse Störungen
  • Hautexantheme
Es wird zunächst immer eine Monotherapie angestrebt. Erst bei Therapierefraktärität sollte eine Kombinationstherapie begonnen werden.

Wirkungtoggle arrow icon

Wirkmechanismus

Anfallssuppressiva wirken je nach Substanz an unterschiedlichen Rezeptoren und Ionenkanälen, um eine Senkung der neuronalen Aktivität (neuronale Erregung↓, neuronale Hemmung↑) und somit eine Erhöhung der epileptischen Anfallsschwelle zu erreichen.

Substanz Wirkmechanismus
  • Glutamatfreisetzungsinhibitoren: Blockade exzitatorischer Glutamatrezeptoren

Die meisten Anfallssuppressiva (vor allem die klassischen) wirken über eine Blockade von spannungsabhängigen Natriumkanälen!

Nebenwirkungtoggle arrow icon

Es werden die wichtigsten Nebenwirkungen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.

Therapieempfehlungentoggle arrow icon

Besondere Patientengruppentoggle arrow icon

Schwangerschaft und Stillzeit

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Klassische Anfallssuppressiva

Neuere Anfallssuppressiva

Neuere Anfallssuppressiva – Teil 1

Neuere Anfallssuppressiva – Teil 2

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Quellentoggle arrow icon

  1. Rote-Hand-Brief zu Valproat: Neue Anwendungsbeschränkungen; Aktualisierung des Schwangerschaftsverhütungsprogramms 2018.Stand: 9. November 2018. Abgerufen am: 13. November 2018.
  2. S3-Leitlinie Medikamentenbezogene Störungen.Stand: 1. August 2020. Abgerufen am: 11. Juli 2023.
  3. Neue Beschränkungen zur Verhinderung einer Exposition während der Schwangerschaft.Stand: 2. November 2023. Abgerufen am: 14. November 2023.
  4. Lüllmann et al.: Pharmakologie und Toxikologie. 15. Auflage Thieme 2002, ISBN: 3-133-68515-5.
  5. S1-Leitlinie Erster epileptischer Anfall und Epilepsien im Erwachsenenalter.Stand: 30. April 2017. Abgerufen am: 30. Oktober 2017.
  6. Aktories et al.: Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie. Elsevier 2017, ISBN: 978-3-437-42525-7.
  7. Herold et al.: Innere Medizin 2020. Herold 2020, ISBN: 978-3-981-46609-6.
  8. Karow, Lang-Roth: Allgemeine und Spezielle Pharmakologie und Toxikologie 2020. 28. Auflage Eigenverlag 2019, ISBN: 978-3-982-12230-4.

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