Abstract
Die Amöbiasis ist eine Infektionskrankheit, die durch das Protozoon Entamoeba histolytica ausgelöst wird. Die Übertragung erfolgt zumeist fäkal-oral durch Aufnahme von Erregerzysten (z.B. über kontaminiertes Trinkwasser).
Während 90% der Infektionen asymptomatisch verlaufen, muss bei der symptomatischen Amöbiasis ein intestinaler (Amöbenruhr) von einem extraintestinalen Verlauf (Amöbenabszesse) unterschieden werden. Nach einer Inkubationszeit von 1–4 Wochen kommt es bei der intestinalen Amöbiasis zu himbeergeleeartigen Stühlen und schmerzhaften Stuhlentleerungen. Bei der extraintestinalen Amöbiasis bilden sich nach Wochen bis Monaten Amöbenabszesse (zumeist in der Leber), die sich klinisch durch Schmerzen und Druckgefühl im rechten Oberbauch bemerkbar machen. Diagnostisch bedeutsam ist v.a. die Untersuchung des Stuhls auf die verschiedenen Amöbenformen und die Sonografie der Leber zum Ausschluss einer extraintestinalen Verlaufsform. Die medikamentöse Therapie wird mit Metronidazol zur Beseitigung der aktiven Amöben und Paromomycin zur Beseitigung persistierender Amöben sowie deren Zysten durchgeführt. In einigen Fällen ist bei der extraintestinalen Form die Punktion des Amöbenleberabszesses indiziert.
Definition
Nach der oralen Aufnahme von Amöbenzysten werden bei symptomatischen Verläufen zwei Formen der Amöbiasis unterschieden:
- Amöbenruhr: Intestinale Verlaufsform, bei der es nach 1–4 Wochen zu himbeergeleeartigen Stühlen und schmerzhaften Stuhlentleerungen kommt
- Amöbenabszess: Extraintestinale Verlaufsform, bei der es nach einer Inkubationszeit von Wochen bis Monaten zu Amöbenabszessen (zumeist in der Leber) kommt, die sich klinisch durch Schmerzen und Druckgefühl im rechten Oberbauch bemerkbar machen.
Epidemiologie
- Verbreitung der Amöbiasis
- Inzidenz: Weltweit jährlich mehr als 50 Millionen Menschen
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
- Erreger: Entamoeba histolytica in zwei Erscheinungsformen (siehe: Pathogenese)
- Trophozoiten in:
- Minuta-Form
- Magna-Form
- Zysten
- Trophozoiten in:
- Infektionsweg: Fäkal-orale Aufnahme der Zysten (siehe: Pathogenese)
Pathophysiologie
- Entwicklungsstadien des Erregers
- Zystenstadium: Resistente Dauerform des Erregers, die in der Außenwelt z.T. über Monate überlebensfähig bleibt
- Vegetatives Stadium (mit sog. Trophozoiten): Während der Kolonpassage entwickelt sich aus den Zysten ein „Vier-Kern-Stadium“, aus dem sich 8 Trophozoiten entwickeln, die in eine Minuta- und eine Magna-Form eingeteilt werden
- Minuta-Form (Nicht-invasive Trophozoiten): Harmlose Trophozoiten, die die asymptomatische Amöbiasis verursachen
- Magna-Form (Invasive Trophozoiten): Pathogene Trophozoiten, die ins Gewebe eindringen und das klinische Bild einer Amöbenruhr oder Amöbenabszesse verursachen können
- Lebenszyklus (siehe: Darmamöben)
Symptome/Klinik
Inkubationszeit
- Amöbenruhr: 1–4 Wochen
- Amöbenabszess: Wenige Wochen bis mehrere Jahre
Verlaufsformen
Mehr als 90% der Infektionen verlaufen asymptomatisch. Eine asymptomatische Amöbiasis kann jederzeit in eine intestinale oder extraintestinale Amöbiasis übergehen. Erreger ist die Magna-Form der Entamoeba histolytica.
- Akute Amöbenruhr („intestinale Amöbiasis“)
- Fieber und Schwächegefühl
- Himbeergeleeartige Diarrhö
- Schmerzhafter Stuhlgang (Tenesmen), Bauchschmerzen, Krämpfe
- Hohes Rezidivrisiko
- Amöbenabszess („extraintestinale Amöbiasis“)
- Meist akutes Krankheitsbild mit Fieber, aber auch seltener subakuter Verlauf möglich
- Zu 95% Leberabszesse
- Schmerzen und Druckgefühl im rechten Oberbauch, evtl. atemabhängig
- Thoraxkompressionsschmerz, Pleuraschmerz
- Perforationsgefahr mit Durchwanderung von subphrenischen Leberabszessen in die Pleurahöhle
- Akut schmerzhaft, schokoladensoßenartige Pleuraergüsse
- Zu 5% Abszesse in anderen Organen
Einem Amöbenabszess geht nur in einem Drittel der Fälle eine akute Amöbenruhr voraus!
Bei einer anhaltenden Diarrhö nach Tropenaufenthalt muss immer auch an eine Amöbiasis und eine Lambliasis gedacht werden!
Diagnostik
- Reiseanamnese (Aufenthalt in Tropen oder Subtropen )
- Amöbenruhr (intestinale Amöbiasis)
- Warme Stuhlprobe : Nur der mikroskopische Nachweis der Magna-Form Trophozoiten ist beweisend für eine intestinale Amöbiasis
- Weitere Untersuchungen (zur Abgrenzung von der apathogenen Entamoeba dispar)
- Amöbenabszess (extraintestinale Amöbiasis)
- Serologie mit Antikörpernachweis
- Leberwerte (AST, ALT, Bilirubin): Nur leicht erhöht
- Bildgebung: Sonografie, CT oder MRT der Leber
Da sich die apathogenen Entamöben (bspw. Entamoeba dispar und moshkovskii) mikroskopisch nicht von der Minuta-Form der pathogenen Entamoeba histolytica unterscheiden lassen, zählt nur der mikroskopische Nachweis der Magna-Form als beweisend für eine intestinale Amöbiasis!
Differenzialdiagnosen
Differenzialdiagnosen der Amöbenruhr
- Infektiös: Durchfallerkrankungen, die mit blutigen Stühlen einhergehen (siehe auch: Bakterielle Durchfallerkrankungen und Durchfall)
- Shigellose
- Campylobacter-Enterokolitis
- Salmonellose
- Enterohämorrhagischer E. coli (EHEC)
- Yersinia enterocolitica
- Nicht-infektiös
Differenzialdiagnosen des Amöbenabszesses
- Leberabszess anderer Ätiologie (häufig bakterieller Genese)
- Echinokokkuszysten
- Hepatozelluläres Karzinom
- Typhus
- Gallenblasenempyem
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
- Medikamentös
- Metronidazol zur Beseitigung der Trophozoiten
- Nachbehandlung aller Patienten mit Paromomycin (= Aminoglykosid) zur Beseitigung verbleibender Amöben und deren Zysten
- Invasive Verfahren
- Bei Perforationsgefahr eines Amöbenabszesses → Sonografie- oder CT-gesteuerte Punktion
Um einen Therapieerfolg sicherstellen zu können, sollten regelmäßige Stuhluntersuchungen veranlasst werden!
Komplikationen
- Amöbenruhr: Toxisches Megakolon mit Kolonruptur
- Amöbenabszess: Abszessruptur mit Peritonitisgefahr
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Prävention
Lebensmittel- und Trinkwasserhygiene
- Kein Verzehr von ungeschältem Obst und Gemüse, wenn die Gefahr einer fäkalen Verunreinigung mit Zysten von Entamoeba histolytica besteht (Endemiegebiet mit niedrigem hygienischen Standard)
- Auch chloriertes Wasser kann hohe Konzentrationen an Amöben enthalten und sollte unbedingt abgekocht werden
Cook it, peel it or leave it!
Meditricks
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2022
- A06.-: Amöbiasis
- Inklusive: Infektion durch Entamoeba histolytica
- Exklusive: Sonstige Darmkrankheiten durch Protozoen (A07.‑)
- A06.0: Akute Amöbenruhr
- Akute Amöbiasis
- Amöbenkolitis o.n.A.
- A06.1: Chronische intestinale Amöbiasis
- A06.2: Nichtdysenterische Kolitis durch Amöben
- A06.3: Amöbom des Darmes
- Amöbom o.n.A.
- A06.4†: Leberabszess durch Amöben (K77.0*)
- Amöbenhepatitis
- A06.5†: Lungenabszess durch Amöben
- A06.6†: Hirnabszess durch Amöben (G07*)
- A06.7: Amöbiasis der Haut
- A06.8: Amöbeninfektion an sonstigen Lokalisationen
- Appendizitis
- Balanitis† (N51.2*)
- A06.9: Amöbiasis, nicht näher bezeichnet
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2022, DIMDI.