Zusammenfassung
Die Vestibularisparoxysmie ist eine seltene periphere Schwindelerkrankung, die durch Sekunden bis Minuten anhaltende Schwindelattacken mit (Dreh)-Bewegungsillusion gekennzeichnet ist. Die wahrscheinlichste Ursache ist ein Gefäß-Nerven-Kontakt des vestibulären Anteils des VIII. Hirnnerven durch ein verändertes (z.B. durch Arteriosklerose elongiertes, erweitertes oder stark pulsierendes) Gefäß analog zur Trigeminusneuralgie.
Ätiologie
Kontakt des N. vestibulocochlearis zu einem Blutgefäß im Kleinhirnbrückenwinkel, der zu einer Druckläsion des Nerven mit Schädigung der Myelinscheide führt. Die klinischen Symptome können durch direkte Kompressionswirkung bei Gefäßpulsationen oder durch ephaptische Erregungsübertragung ausgelöst werden. Die häufigsten beteiligten Gefäße sind: [1]
- A. inferior anterior cerebelli (AICA), ca. 75 %
- A. vertebralis, ca. 10%
- Venöses Gefäß, ca. 10%
- A. inferior posterior cerebelli (PICA), ca. 5%
Symptomatik
- Plötzlich einsetzende und rezidivierende, Sekunden bis wenige Minuten anhaltende Drehschwindelattacken mit Bewegungsillusion der Umwelt/des eigenen Körpers
- Teilweise begleitende Ohrsymptome
- Teilweise durch horizontale Kopfdrehungen in Relation zum Körper provozierbar
- Teilweise durch Hyperventilation provozierbar
- Während der Attacke kann ein horizontaler Nystagmus (oft mit torsionaler Komponente) erkennbar sein
Diagnostik
Klinische Diagnosekriterien [2]
Für die Diagnose „sichere Vestibularisparoxysmie“ müssen die Kriterien A–E erfüllt sein:
- A: Mind. 10 Schwindelattacken
- B: Dauer weniger als 1 min
- C: Attacken sind immer gleichartig
- D: Besserung unter einer Therapie mit Carbamazepin/Oxcarbazepin
- E: Nicht besser durch eine andere Krankheit erklärbar
Zusatzdiagnostik [3]
- cMRT
- Mit CISS-Sequenz: Zeigt in >95% den Gefäß-Nerven-Kontakt
- Ausschluss anderer struktureller Läsionen
Differenzialdiagnosen
- Siehe für eine vergleichende Übersicht verschiedener Schwindelformen: Schwindel - Klinische Differenzialdiagnostik
Die Vestibularisparoxysmie zeichnet sich aus durch ihre spezifische zeitliche Charakteristik mit kurzen plötzlichen, bisweilen salvenartig rezidivierenden Schwindelattacken ohne an- und abschwellende Dynamik, i.d.R. ohne erkennbaren Auslöser. Grundsätzlich kann sich jedoch eine Ähnlichkeit zu anderen paroxysmal auftretenden Schwindelerkrankungen ergeben.
Zentral-vestibuläre Differenzialdiagnosen
- Rezidivierende stereotype TIAs im vertebro-basilären Stromgebiet bei Thrombose der A. basilaris: Attackenartig auftretender zentral-vestibulärer Schwindel
- Vorgehen bei V.a. TIAs im vertebro-basilären Stromgebiet
- Bei hochdynamischer klinischer Präsentation Vorgehen gemäß: Bildgebung bei V.a. akuten Schlaganfall - AMBOSS-SOP
Peripher-vestibuläre Differenzialdiagnosen
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
Medikamentöse Therapie [3]
- Carbamazepin
- Oxcarbazepin
Chirurgische Therapie
- Wenn möglich, chirurgische Dekompression durch Gefäßumstellung bei Versagen der konservativen Therapie
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- H93.-: Sonstige Krankheiten des Ohres, anderenorts nicht klassifiziert
- H93.3: Krankheiten des N. vestibulocochlearis [VIII. Hirnnerv]
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.