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Tendinopathie

Letzte Aktualisierung: 7.3.2023

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Eine Tendinopathie bezeichnet persistierende Beschwerden und Funktionseinschränkungen einer Sehne aufgrund mechanischer Belastung. Der Begriff wird im klinischen Alltag ohne ätiologische oder histologische Differenzierung genutzt und schließt dadurch inflammatorische und degenerative Veränderungen der Sehne ein. Die Diagnosestellung basiert auf der typischen Anamnese und klinischen Präsentation mit bspw. Druckschmerz oder Schwellung, ggf. unterstützt durch radiologische Bildgebung. Die Therapie kann symptombezogen erfolgen (z.B. durch Schonung, Analgesie, extrakorporale Stoßwellentherapie) oder durch aktiv modifizierende Ansätze (z.B. progressive Belastung der Sehne, Aufklärung hinsichtlich des Krankheitsbildes). Operative Maßnahmen werden nur nach frustranem konservativen Therapieversuch in Erwägung gezogen.

Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.

  • Intrinsische Risikofaktoren [1]
    • Biomechanische Dysfunktion (Fehlstatik)
    • Systemische Vorerkrankungen, bspw.
    • Übergewicht
    • Genetische Faktoren (familiäre Häufung)
    • Alter (degenerative Veränderungen)
    • Muskuläre Schwäche
  • Extrinsische Risikofaktoren [1]
    • Lokale muskuläre Überbelastung (Mikrotraumatisierung)
    • Plötzliche Aktivitätssteigerung
    • Repetitive Belastung
    • Ungewohnte Aktivitäten
    • Fehlende Erholung
    • Nicht-ergonomischer Arbeitsplatz
    • Medikamente, bspw.
  • Sehnenaufbau
  • Grundlegende Pathophysiologie [1][2]
    • Chronische Belastung (qualitativ oder quantitativ) → Überschreiten der Belastungsgrenze → Strukturelle Verletzung der Kollagen(I)-Fibrillen bzw. Mikrotraumatisierung
    • Zyklus aus mikroskopischer Verletzung, Inflammation und Reparaturmechanismen
    • Physiologischer Verlauf: Abbau des Kollagens Typ III und Ersatz durch Kollagen Typ I → Heilung
    • Bei ausbleibender bzw. insuffizienter Heilung: Akkumulation von Ersatzgewebe schlechterer Qualität → Tendinopathie
  • Merkmale der Tendinopathie

Bei einer Tendinopathie stellt sich die Sehne verdickt dar, hat jedoch eine reduzierte Energiespeicherkapazität!

  • Belastungsschmerz (Dehnungs- und Anspannungsschmerz)
  • Lokaler Druckschmerz (ggf. mit Ausstrahlung nach distal und/oder proximal)
  • Reduzierter Bewegungsumfang
  • Funktionseinschränkung
  • Ggf. Überwärmung

Anamnese

  • Vorbestehendes Trauma
  • Begleiterkrankungen und Vormedikation
  • Sozialanamnese
  • Beginn (typischerweise subakut), Auslöser und Verlauf der Beschwerden

Körperliche Untersuchung und klinische Tests [3]

Apparative Diagnostik

  • Röntgen
    • Indikation: Ausschluss knöcherner Veränderungen
    • Möglicher Befund: Meist unauffällig, ggf. Arthrose, Osteophyten, Verkalkungen
  • Sonografie
  • MRT
    • Indikation: Chronischer Verlauf
    • Möglicher Befund: Bspw. pathologische Veränderungen der Muskulatur, Gelenkbinnenschäden
  • CT
    • Indikation: In Ausnahmefällen
    • Möglicher Befund: Meist unauffällig, ggf. knöcherne Veränderungen wie Osteophyten
  • Labordiagnostik
    • Indikation: Bei V.a. entzündliche Genese
    • Möglicher Befund: Bspw. Veränderung des CRP oder Nachweis von Antikörpern
  • Neurophysiologische Untersuchungen
    • Indikation: Ausschluss einer peripheren Nervenkompression oder zentralen Nervenläsion
    • Möglicher Befund: Bspw. Veränderung der Nervenleitgeschwindigkeit

Allgemeine Therapieansätze

  • Konservatives Vorgehen (Akutphase)
  • Konservatives Vorgehen (Spätphase)
    • Physiotherapie
    • Stoßwellentherapie
  • Operatives Vorgehen: Ausschließlich nach frustranem konservativen Therapieversuch erwägen

Eine länger andauernde Ruhigstellung gilt als obsolet!

NSAR sollten im Rahmen der Therapie einer Tendinopathie nur temporär genutzt werden, da sie die intrinsischen Veränderungen der Sehne nicht beeinflussen, sondern ggf. eine Heilung vortäuschen und infolgedessen die Belastung möglicherweise zu früh wieder gesteigert wird!

Beispielhafter Behandlungsalgorithmus [5]

Behandlungsalgorithmus basierend auf dem Ausmaß der Sehnenveränderungen [5]
Grad Pathoanatomie Behandlungsprinzip Behandlungsoption
1
  • Entlastung
  • Modifikation der Belastung
  • Physiotherapie
2
  • Mechanische Anregung der intrinsischen Reparaturmechanismen
  • Anregung der Ausschüttung von Zytokinen
  • Physiotherapie (exzentrische Belastung)
  • Eigenbluttherapie (Platelet-rich Plasma oder Vollblut)
3
  • Anregung der Sehnenvorläuferzellen (Reparaturmechanismen)
  • Eigenbluttherapie (Vollblut)
4
  • Makroskopische Ruptur bzw. Sehnenabriss vom Knochen
  • Chirurgische Therapie
  • Operation

Spezifische Therapieansätze

Die Therapieoptionen für die einzelnen Krankheitsbilder werden jeweils dort aufgeführt, siehe:

Tendinopathien können prinzipiell jede mechanisch belastete Sehne betreffen. Im Folgenden sind wichtige Lokalisationen getrennt nach oberer und unterer Extremität aufgeführt. Zudem gibt es weitere Formen, bspw.:

Epicondylitis humeri radialis (Tennisellenbogen) [5][7][8][9]

  • Definition: Tendinopathie der dorsalseitigen Extensoren des Unterarms
  • Epidemiologie: 1–3% der Gesamtbevölkerung
  • Ätiologie: Übermäßige Belastung der Extensoren des Unterarms, bspw. durch
    • Wiederholte, monotone Bewegungsmuster für ≥2 h pro Tag (insb. durch Sportarten wie Tennis oder Spielen eines Instruments)
    • Arbeiten mit schwerer Last (Gewicht >20 kg)
  • Symptome/Klinik
  • Klassifikation: Akute und chronische Form
  • Provokationstests
    • Chair Test: Auslösen von Schmerzen durch Hochheben eines Stuhls mit gestrecktem und proniertem Unterarm
    • Coenen-Zeichen: Auslösen von Schmerzen durch „Schnipsen“ mit den Fingern
    • Thomsen-Zeichen: Auftreten von Dehnungsschmerzen durch passive Flexion des Handgelenks bzw. der Finger
  • Therapie
  • Prognose
    • Meist selbstlimitierende Erkrankung, jedoch Dauer bis zu 2 Jahren
    • Bei korrekter Indikationsstellung zur Operation: Gute Ergebnisse
  • Prävention
    • Vermeiden repetitiver Überbelastung
    • Belastungsmodifikation beim Auftreten von Beschwerden
    • Arbeitsplatzmodifikation
    • Modifikation der Spieltechnik

Epicondylitis humeri ulnaris (Golferellenbogen) [7][10]

  • Definition: Tendinopathie der ventralseitigen Flexoren des Unterarms
  • Epidemiologie: Ca. 1% der Gesamtbevölkerung [8]
  • Ätiologie: Übermäßige Belastung der Flexoren des Unterarms, bspw. durch
    • Wiederholte, monotone Flexion und Pronation, ggf. mit Valgusstress des Ellenbogens (insb. bei Sportarten wie Golf oder Tennis)
    • Arbeiten mit schwerer Last
    • Überkopfbelastung
  • Symptome/Klinik
  • Provokationstest
    • Flexion des Handgelenkes gegen Widerstand
  • Therapie

Gluteale Tendinopathie (Bursitis trochanterica) [11][12]

Als effektivste Behandlung bei glutealer Tendinopathie gilt die Physiotherapie!

Tractus-iliotibialis-Syndrom (ITBS, Läuferknie) [13][14][15]

Patellaspitzensyndrom (Jumper's Knee) [16][17][18]

  • Definition: Belastungsabhängige Beschwerden im Bereich der Patella- und Quadrizepssehne
  • Epidemiologie
    • 14,2% aller Sportler:innen
    • Häufigste Überlastungsverletzung im Bereich des Kniegelenkes
    • Häufigste Tendinopathie bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen
    • >
  • Ätiologie
    • Repetitives Springen
    • Ligamentäre Instabilität des Kniegelenkes
    • Risikofaktoren, bspw. Übergewicht, Beinlängendifferenz oder muskuläre Dysbalance
  • Symptome/Klinik
    • Druckschmerz patellar
    • Belastungsabhängige Beschwerden
  • Provokationstests
    • Single Leg Decline Squat: (Einbeinige) Kniebeuge auf einer abschüssigen Fläche, Beschwerden treten isoliert im Bereich der Patellasehne auf
    • Royal-London-Hospital-Test: Beschwerden bei gestrecktem Kniegelenk, Schmerzreduktion bei flektiertem Kniegelenk
  • Therapie

Achillodynie [19][20][21]

  • Definition: Sammelbezeichnung für Beschwerden im Bereich der Achillessehne
  • Epidemiologie
    • 6% der Bevölkerung
    • <9,5% aller laufbedingten Verletzungen
    • Keine eindeutige Assoziation hinsichtlich Alter und Geschlecht
  • Ätiologie
  • Symptome/Klinik
    • Schwellung und ggf. Rötung und Überwärmung
    • Schmerzen und fehlende Belastbarkeit
    • Druckschmerz
    • Reduziertes Bewegungsausmaß und/oder Morgensteifigkeit
  • Provokationstests
  • Therapie

Plantarfasziitis [22][23][24]

Die Plantarfasziitis ist zwar keine klassische Tendinopathie, da die betroffene Struktur eine Faszie bzw. Aponeurose ist. Jedoch sind Ätiologie, Histopathologie und Therapie so ähnlich, dass dieses Krankheitsbild hier abgehandelt wird.

  • Definition: Beschwerden im Bereich der Fußsohle, meist der medialen Ferse
  • Epidemiologie
    • 10% der Bevölkerung
    • <20% der Sportler:innen
    • Erhöhte Prävalenz in der Altersgruppe 40–60 Jahre und bei erhöhtem BMI
  • Ätiologie
    • Biomechanische Faktoren, bspw. Pes planus
    • Trainingsfehler: Ungeeignetes Schuhwerk oder Laufuntergrund
  • Symptome/Klinik
    • „Anlaufschmerz“, bspw. nach längerem Sitzen oder beim morgendlichen Aufstehen
    • Plantarer Druckschmerz im Bereich des medialen Calcaneus
    • Belastungsabhängige Beschwerden
  • Provokationstests
  • Therapie
    • Konservativ
    • Operativ
      • Indikation: Nur bei frustranem konservativen Therapieverlauf zu erwägen
      • Vorgehen: Offenes oder endoskopisches Ablösen der Plantarfaszie

Zu unterscheiden von den eigentlichen Tendinopathien sind u.a. entzündliche Prozesse in der unmittelbaren Umgebung der Sehnen!

AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.

  1. Millar et al.: Tendinopathy In: Nature Reviews Disease Primers. Band: 7, Nummer: 1, 2021, doi: 10.1038/s41572-020-00234-1 . | Open in Read by QxMD .
  2. Cook et al.: Revisiting the continuum model of tendon pathology: what is its merit in clinical practice and research? In: British Journal of Sports Medicine. Band: 50, Nummer: 19, 2016, doi: 10.1136/bjsports-2015-095422 . | Open in Read by QxMD p. 1187-1191.
  3. Choi et al.: Treatment of osteitis pubis and osteomyelitis of the pubic symphysis in athletes: a systematic review In: British Journal of Sports Medicine. Band: 45, Nummer: 1, 2011, doi: 10.1136/bjsm.2008.050989 . | Open in Read by QxMD p. 57-64.
  4. Hawi et al.: Tendinopathien an Schulter und Ellenbogen In: Der Unfallchirurg. Band: 120, Nummer: 3, 2017, doi: 10.1007/s00113-017-0328-z . | Open in Read by QxMD p. 184-191.
  5. Bhabra et al.: Lateral Elbow Tendinopathy In: Orthopaedic Journal of Sports Medicine. Band: 4, Nummer: 11, 2016, doi: 10.1177/2325967116670635 . | Open in Read by QxMD p. 232596711667063.
  6. S2k-Leitlinie Epicondylopathia radialis humeri. Stand: 31. Juli 2019. Abgerufen am: 25. August 2021.
  7. Keijsers et al.: Tennis elbow In: Shoulder & Elbow. Band: 11, Nummer: 5, 2018, doi: 10.1177/1758573218797973 . | Open in Read by QxMD p. 384-392.
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  9. Grimaldi et al.: Gluteal Tendinopathy: A Review of Mechanisms, Assessment and Management In: Sports Medicine. Band: 45, Nummer: 8, 2015, doi: 10.1007/s40279-015-0336-5 . | Open in Read by QxMD p. 1107-1119.
  10. Ladurner et al.: Treatment of Gluteal Tendinopathy: A Systematic Review and Stage-Adjusted Treatment Recommendation In: Orthopaedic Journal of Sports Medicine. Band: 9, Nummer: 7, 2021, doi: 10.1177/23259671211016850 . | Open in Read by QxMD p. 232596712110168.
  11. Charles, Rodgers: A LITERATURE REVIEW AND CLINICAL COMMENTARY ON THE DEVELOPMENT OF ILIOTIBIAL BAND SYNDROME IN RUNNERS. In: International journal of sports physical therapy. Band: 15, Nummer: 3, 2020, p. 460-470.
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  21. Luffy et al.: Plantar fasciitis In: Journal of the American Academy of Physician Assistants. Band: 31, Nummer: 1, 2018, doi: 10.1097/01.jaa.0000527695.76041.99 . | Open in Read by QxMD p. 20-24.
  22. Wearing et al.: The Pathomechanics of Plantar Fasciitis In: Sports Medicine. Band: 36, Nummer: 7, 2006, doi: 10.2165/00007256-200636070-00004 . | Open in Read by QxMD p. 585-611.
  23. Cassel et al.: Tendinopathien der unteren Extremität im Sport – Diagnostik und Therapie In: OP-Journal. Band: 32, Nummer: 01, 2016, doi: 10.1055/s-0042-111250 . | Open in Read by QxMD p. 44-54.
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