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Rabies

Letzte Aktualisierung: 6.3.2023

Abstracttoggle arrow icon

Die Tollwut (Rabies) ist eine Zoonose, die durch das neurotrope Rabiesvirus hervorgerufen wird. Das Virus gelangt durch Bisse – meist Hundebisse – in den Körper und über einen retrograden axonalen Transport ins ZNS, wo es zu einer Enzephalitis und/oder Myelitis kommt. Nach einem Prodromalstadium mit unspezifischen Symptomen gehören episodische Erregungszustände, Muskelkrämpfe, Hydrophobie und zunehmende Vigilanzminderung zum klinischen Bild. Die Erkrankung verläuft praktisch immer tödlich. Durch eine präexpositionelle Impfung (empfohlen für Risikoberufsgruppen und Reisende in Endemiegebiete) und eine postexpositionelle Immunprophylaxe kann der Ausbruch der Krankheit zuverlässig verhindert werden. Aufgrund der Immunisation von Wild- und Haustieren ist die durch das Rabiesvirus hervorgerufene Tollwut in Teilen Europas, darunter auch Deutschland, Österreich und die Schweiz, ausgerottet. In anderen Teilen der Welt, insbesondere in Südasien, stellt die Tollwut weiterhin ein großes Gesundheitsproblem dar.

Epidemiologietoggle arrow icon

  • Vorkommen
    • Deutschland gilt neben anderen west- und mitteleuropäischen Ländern (darunter Österreich und die Schweiz) als frei von terrestrischer („klassischer“) Tollwut
    • Verbreitung insbesondere in Afrika, Süd- und Ostasien sowie Südamerika
  • Fallzahlen
    • 15 Millionen Postexpositionsprophylaxen pro Jahr weltweit
    • Anteil von Kindern unter Bissopfern tollwutverdächtiger Tiere: 40 %
    • Schätzungsweise 59.000 Tote/Jahr, größtenteils in Ländern Afrikas und Asiens

Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.

Ätiologietoggle arrow icon

  • Erreger
  • Erregerreservoir
    • Silvatische Tollwut : In Deutschland zuletzt vor allem Füchse, daneben auch Dachse, Rehe und andere Wildtiere
    • Urbane Tollwut: Vor allem streunende Hunde (in Ländern des Globalen Südens weit verbreitet), andere Haustiere
  • Infektionsweg
    • Übertragung insbesondere durch Bissverletzungen tollwütiger Tiere (seltener über Kontakt von Speichel mit Hautverletzungen oder Schleimhäuten), darunter:
      • Hunde (99% der Tollwutfälle beim Menschen gehen auf Hundebisse zurück)
      • Füchse
      • Affen
      • Fledermäuse
    • Sehr seltene Einzelfälle: Übertragung durch Organtransplantation oder durch virushaltige Aerosole
    • Nicht beschrieben ist die Übertragung durch den Verzehr infizierter Tiere oder von Mensch zu Mensch

Ein Infektionsrisiko besteht für in Deutschland lebende Menschen nahezu ausschließlich bei Reisen in Endemiegebiete!

  • Infektiosität
    • Ort und Schwere der Bissverletzung bestimmt das Risiko eines Ungeimpften, an Tollwut zu erkranken [1]
      • Kopfbisswunden 50–80%
      • Armbisswunden 15–40%
      • Beinbisswunden 3–10%

Pathophysiologietoggle arrow icon

  1. Virushaltiger Speichel des tollwütigen Tieres gelangt in die Bisswunde (Inokulation)
  2. Replikation des Virus im Muskelgewebe
  3. Eintritt in Neurone (insbesondere an der neuromuskulären Endplatte) → Schneller retrograder axonaler Transport der Viren über periphere Nerven zum ZNS (meistens Rückenmark)
  4. Ausbreitung im ZNS entlang von Nervenbahnen → Im Gehirn Infektion von Neuronen insbesondere der grauen Substanz
  5. Streuung in die Peripherie (Kornea, Speicheldrüsen und andere Organe)
  6. Über Infektion der Speicheldrüsen Exkretion von Viren in den Speichel und Weiterverbreitung infolge infektionsbedingter Verhaltensänderungen der Vektoren

Symptome/Kliniktoggle arrow icon

Diagnostiktoggle arrow icon

Die Tollwut ist primär eine klinische Diagnose!

Therapietoggle arrow icon

Prognosetoggle arrow icon

Die Tollwut verläuft praktisch immer tödlich!

Präventiontoggle arrow icon

Immunisierung von potenziellen Wirtstieren

  • Durch die orale Immunisierung von Füchsen (Impfköder ) und die Impfung von Haustieren wurde die terrestrische Tollwut in Deutschland ausgerottet

Präexpositionelle Maßnahmen

  • Expositionsprävention: Kontakt zu Hunden und Wildtieren in Tollwutgebieten vermeiden, insb. bei Verhaltensauffälligkeiten und toten Tieren

Präexpositionelle Tollwut-Impfung [3]

  • Indikation: Keine generelle Impfempfehlung, nur als reise- oder berufsbedingte Impfung
  • Impfstoff: Monovalenter Totimpfstoff (siehe auch: Tollwut-Impfstoff)
  • Grundimmunisierung: 3 Impfdosen: Tag 0, 7 und 21 oder 28 [4][5][6]
  • Auffrischung: Bei anhaltender Exposition alle 2–5 Jahre [7]
    • Bei Tollwutimpfstoff HDC®: Eine Impfdosis nach 1 Jahr, dann alle 5 Jahre
    • Bei Rabipur®: Eine Impfdosis alle 2–5 Jahre
    • Antikörperbestimmung bei beruflichem Kontakt indiziert: Bei Antikörpertitern <0,5 IE/mL Auffrischung angezeigt
      • Halbjährliche Testung bei hoher Exposition, etwa im Labor
      • Zweijährliche Testung bei normaler Exposition, etwa Jäger oder Tierärzte
  • Reiseimpfung [8]
    • Reisende in Regionen mit hoher Gefährdung, bspw. durch streunende Hunde [7]
    • Regionen: Afrika, weite Teile Asiens, Mittel- und Südamerika
    • Weitere reisemedizinische Empfehlungen siehe DTG-Reiseimpfungen-Tollwut
  • Berufsbedingte Impfung
    • Laborpersonal in der Tollwutdiagnostik
    • Tierärzte, Jäger, Forstpersonal in Gebieten mit neu aufgetretener Wildtiertollwut
    • Personen mit engem Kontakt (insb. beruflich) zu Fledermäusen

Postexpositionelle Maßnahmen

Lokale Behandlung (Bissstelle)

  • Auswaschen mit Seifenlösung und Wasser über ≥15 min, weiterhin antiseptische Waschlösungen (iod- oder alkoholhaltig)
  • Exzision der Wundränder
  • Kein Wundverschluss durch Naht

Postexpositionelle Immunprophylaxe bei Tollwut-Verdacht [3][9][10]

  • Indikation und Umfang der Prophylaxe abhängig von Expositionsgrad und präexpositioneller Tollwut-Impfung (siehe Tabelle)
  • Einschätzung des Tollwutrisikos beim Tier, das die Bisswunde zugefügt hat
    • Tiere ohne Symptome mit Aufenthalt in tollwutfreiem Gebiet: unbedenklich
    • Tiere ohne Symptome unbekannter Herkunft bzw. in/aus nicht-tollwutfreiem Gebiet
      • Postexpositionelle Prophylaxe beim Gebissenen
      • Tier in Quarantäne
        • Hund, Katze: 10 Tage
        • Bleiben die Tiere in der Zeit der Quarantäne symptomfrei, kann eine Infektion im Nachhinein ausgeschlossen werden
    • Fledermäuse: Prophylaxe nach Kontakt (gemäß Tabelle)
  • Schutzrate von fast 100 % bei unverzüglicher Immunisierung
  • Inkubationszeit sehr variabel (<10 Tage bis >1 Jahr), daher Postexpositionsprophylaxe auch Wochen bis Monate nach Exposition sinnvoll
  • Wurde eine indizierte Immunglobulin-Gabe beim ersten Impftermin versäumt, Nachholen bis zu 7 Tage nach der ersten Aktivimpfung noch sinnvoll
Postexpositionelle Immunprophylaxe bei Tollwut-Verdacht
Grad der Exposition Art der Tollwut-Exposition [11] Immunprophylaxe
Keine/unvollständige präexpositionelle Tollwut-Impfung Vollständige präexpositionelle Tollwut-Impfung

Grad I

Intakte Haut

Keine Impfung

Grad II

Nicht-intakte Haut

Aktivimpfung (an Tag 0, 3, 7, 14 und 28 nach Exposition oder mit 2 Impfdosen an Tag 0, dann jeweils 1 Impfdosis an Tag 7 und 21)

Aktivimpfung mit 2 Impfdosen (Tag 0 und 3)

Grad III

Tiefere Verletzungen oder Schleimhautkontakt

Simultanimpfung: Aktivimpfung und Passivimpfung (Tollwut-Immunglobulin) an Tag 0

Auch vollständig geimpfte Patienten sollten nach Tollwutexposition behandelt werden. In diesem Fall erfolgt eine Aktivimpfung an Tag 0 und 3. Auf die Gabe von (je nach Aufenthaltsort nur unzureichend verfügbaren) Immunglobulinen kann verzichtet werden!

Bei einer Bissverletzung muss immer auch an eine Tetanusprophylaxe gedacht werden!

Meldepflichttoggle arrow icon

  • Arztmeldepflicht nach § 6 IfSG
    • Namentliche Meldepflicht
      • bei Verdachts-, Krankheits- oder Todesfällen
      • bei Verletzung eines Menschen durch ein tollwutkrankes, -verdächtiges oder -ansteckungsverdächtiges Tier sowie die Berührung eines solchen Tierkörpers
  • Labormeldepflicht nach § 7 IfSG

Meditrickstoggle arrow icon

In Kooperation mit Meditricks bieten wir durchdachte Merkhilfen an, mit denen du dir relevante Fakten optimal einprägen kannst. Dabei handelt es sich um animierte Videos und Erkundungsbilder, die auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend sind. Die Inhalte liegen meist in Lang- und Kurzfassung vor, enthalten Basis- sowie Expertenwissen und teilweise auch ein Quiz sowie eine Kurzwiederholung. Eine Übersicht aller Inhalte findest du im Kapitel „Meditricks“. Meditricks gibt es in unterschiedlichen Paketen – für genauere Informationen empfehlen wir einen Besuch im Shop.

Tollwut (Rabies)

Inhaltliches Feedback zu den Meditricks-Videos bitte über den zugehörigen Feedback-Button einreichen (dieser erscheint beim Öffnen der Meditricks).

Kodierung nach ICD-10-GM Version 2023toggle arrow icon

  • A82.-: Tollwut [Rabies]
    • A82.0: Wildtier-Tollwut
    • A82.1: Haustier-Tollwut
    • A82.9: Tollwut, nicht näher bezeichnet
  • Z20.3: Kontakt mit und Exposition gegenüber Tollwut
  • Z24.2: Notwendigkeit der Impfung gegen Tollwut

Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.

Quellentoggle arrow icon

  1. Jackson: Rabies: Scientific Basis of the Disease and Its Management. 3. Auflage Elsevier 2013, ISBN: 978-0-123-96547-9.
  2. Jackson:Current and future approaches to the therapy of human rabiesIn: Antiviral Research. Band: 99, Nummer: 1, 2013, doi: 10.1016/j.antiviral.2013.01.003 . | Open in Read by QxMD p. 61-67.
  3. Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) beim Robert Koch-Institut 2023.
  4. Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) beim Robert Koch-Institut 2021.
  5. Rabies vaccines: WHO position paper.Stand: 20. April 2018. Abgerufen am: 4. November 2020.
  6. Neue Empfehlungen der WHO zur prä-expositionellen Tollwutimpfung - Stellungnahme des Ständigen Ausschusses Reisemedizin (StAR).Stand: 28. Juli 2018. Abgerufen am: 4. November 2020.
  7. International travel and health: Rabies.Stand: 1. Januar 2020. Abgerufen am: 31. Oktober 2020.
  8. Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) zu Reiseimpfungen.
  9. Rabipur® Fachinformation.Stand: 1. November 2019. Abgerufen am: 15. September 2020.
  10. Tollwut-Impfstoff (HDC)® inaktiviert Fachinformation.Stand: 1. Mai 2020. Abgerufen am: 20. September 2020.
  11. Tollwut, RKI-Ratgeber für Ärzte.Stand: 1. Februar 2013. Abgerufen am: 17. Oktober 2017.