- Klinik
Prävention
Abstract
Maßnahmen unter dem Oberbegriff der „Prävention“ lassen sich je nach Zielmechanismus in Primär- (z.B. Impfung), Sekundär- (z.B. Früherkennung) und Tertiärprävention (Rehabilitation) unterscheiden. Darüber hinaus wird die Veränderung von gesellschaftlichen Risikofaktoren (z.B. Jodzusatz zum Speisesalz) als Primordialprävention bezeichnet. Paradox an den Vorsorgeuntersuchungen ist, dass die für die Gesamtbevölkerung effektivsten Maßnahmen dem Einzelnen keinen oder nur einen geringen persönlichen Vorteil bringen.
Allgemeines
- Präventionsparadoxon (nach Geoffrey Rose)
- Hintergrund: Eine hohe Fallzahl (bspw. einer bestimmten Erkrankung) findet sich trotz eines nur geringen Risikos, wenn die Gruppe sehr groß ist (bspw. die Bevölkerung eines Landes).
- Paradoxon der Prävention
- Präventive Maßnahmen, die für eine große Gruppe von Nutzen sein können, bieten dem Einzelnen oft nur einen geringen oder keinen persönlichen Vorteil.
- Präventive Maßnahmen, die für eine kleine Gruppe von Vorteil sein können, haben nur einen geringen positiven Nutzen für die große Gruppe.
- Theoretisches Beispiel aus der Medizin
- Werden alle Personen der Gesamtbevölkerung bei Auftreten eines grenzwertig erhöhten Bluthochdrucks einer präventiven Maßnahme unterzogen, kann bei vielen Personen das Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen (z.B. Schlaganfall) reduziert werden. Eine einzelne Person, die nur ein sehr geringes Risiko für die Komplikation aufweist, profitiert dagegen eher nicht von der präventiven Maßnahme. Anders verhält es sich dagegen, wenn nur das kleine Kollektiv an Patienten der Prävention unterzogen wird, das bereits eine Komplikation erlitten hat. Hier profitiert der Einzelne mehr von der Prävention, der Nutzen für die Gesamtbevölkerung ist aber geringer.
Primordialprävention
- Ziel: „Veränderungen von gesellschaftlichen Risikofaktoren, die zu einem erhöhten Krankheitsrisiko beitragen“ (Strasser, 1978)
- Beispiele
- Jodzusatz zum Speisesalz zur Vorbeugung des Jodmangels
- Fluoridzusatz zu Zahnpasta, Trinkwasser und Salz zur Verringerung des Kariesrisikos
Primäre Prävention
- Ziel: Soll das Neuauftreten einer Krankheit verhindern
- Beispiele
- Impfung, auch postexpositionelle Impfung, sofern indiziert (z.B. bei Hepatitis B, Rabies)
- Maßnahmen zur Änderung der Lebensgewohnheiten (z.B. Rauchen, Essgewohnheiten, Zahnpflege)
- Abzugrenzen von Primärpräventionsprogrammen sind Tauglichkeitsuntersuchungen wie die Schuleingangsuntersuchung
Sekundäre Prävention („Früherkennung“)
- Ziel: Soll Krankheiten in therapierbaren Frühstadien erkennen, um einer Chronifizierung vorzubeugen
- Beispiele für Maßnahmen, deren kostenlose Durchführungen jedem Versicherten zusteht
- Allgemeiner Gesundheitscheck (Gesundheitsuntersuchung zur Früherkennung von Krankheiten, ugs. "Check-up-Untersuchung")
- Ziel: Früherkennung häufig auftretender Krankheiten
- Früherkennung muss durch diagnostische Maßnahme möglich sein
- Erkrankung muss durch Früherkennung behandelbar bzw. besser behandelbar sein
- Inanspruchnahme: Ab 35 Jahren, alle 2 Jahre
- Inhalt: Anamnese, körperliche Untersuchung, Labor (Cholesterin, Glucose, Urin-Stix)
- Ziel: Früherkennung häufig auftretender Krankheiten
- Früherkennung von Krebserkrankungen
- Beide Geschlechter
- Ab 35 Jahren: Alle 2 Jahre Untersuchung der gesamten Körperoberfläche (Hautkrebsfrüherkennung)
- Ab 50 Jahren: 1×/Jahr Stuhltest auf okkultes Blut und digital-rektale Untersuchung
- Ab 55 Jahren: Koloskopie zur Darmkrebsfrüherkennung (Wiederholung nach 10 Jahren) oder alle 2 Jahre bei okkultem Blut
- Siehe hierzu auch Empfehlungen der S3-Leitlinie „Kolorektales Karzinom“ (Darmkrebsvorsorge)
- Frauen
- Ab 20 Jahren: Genitaluntersuchung, Abstrich Gebärmutterhals
- Ab 30 Jahren: Untersuchung von Mamma
- Zwischen 50 und 70 Jahren: Alle 2 Jahre Mammographie
- Männer
- Ab 45 Jahren: Genitaluntersuchung, Prostata (digital-rektal)
- Beide Geschlechter
- Allgemeiner Gesundheitscheck (Gesundheitsuntersuchung zur Früherkennung von Krankheiten, ugs. "Check-up-Untersuchung")
Tertiäre Prävention
- Ziel: Soll das Rezidivrisiko einer Erkrankung senken (z.B. Maßnahmen zur Verhinderung einer Restenosierung nach Herzinfarkt) und typischen Folgen/Komplikationen einer Erkrankung vorbeugen
- Beispiele
- Rehabilitationsmaßnahmen
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Träger zur Rehabilitation können allgemein sein
- Gesetzliche Krankenversicherung (z.B. bei Patienten außerhalb des Erwerbslebens zur Verbesserung der gesundheitlichen Situation)
- Gesetzliche Rentenversicherung (bei Erwerbstätigen im Falle einer Bedrohung der Erwerbstätigkeit)
- Gesetzliche Unfallversicherung (nach Arbeitsunfall oder bei Berufskrankheit)
- Sozialhilfe (z.B. bei psychiatrischen oder suchtspezifischen Reha-Maßnahmen)
- Bundesagentur für Arbeit
- Die Auswahl einer Heilanstalt erfolgt dabei durch den Kostenträger und nicht durch den Arzt. Dieser erstellt einen Befundbericht. Der Patient muss zur Erstellung des Antrages sein Einverständnis geben und die Leistung beantragen
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Träger zur Rehabilitation können allgemein sein
- Selbsthilfegruppen: Helfen Erkrankten, mit ihrer Krankheit umzugehen und sich förderlich zu verhalten
- Freiwillige, regelmäßige Treffen von Betroffenen
- Leitung der Gruppe durch einen Betroffenen
- Hilfe zur Bewältigung der Erkrankung und ihrer Folgen im Austausch
- Zum Teil werden Aufgaben der Öffentlichkeitsarbeit übernommen und Patientenvertreter aus den Selbsthilfegruppen rekrutiert, die die Interessen der Betroffenen vor dem Gesundheitswesen vertreten
- Finanzielle Förderung durch Sozialversicherungsträger (Krankenkassen, Rentenversicherungsträger sowie Träger der gesetzlichen Pflegeversicherung), die öffentliche Hand (Kommunen, Bund, Länder) oder private Geldgeber (z.B. Sponsoren) [1]
- Sonderform Angehörigenselbsthilfegruppen : Unterstützung für Angehörige, die durch die Erkrankung einer nahestehenden Person in ihrer psychischen oder körperlichen Gesundheit belastet sind
- Weitere Beispiele
- Tumornachsorge
- Maßnahmen zur Vermeidung von Komplikationen einer Erkrankung (z.B. Blutdruckeinstellung und Sport bei bestehendem Diabetes mellitus)
- Rehabilitationsmaßnahmen
Verhaltensprävention und Verhältnisprävention
- Verhaltensprävention
- Annahme: Das individuelle (Fehl‑)Verhalten kann dazu beitragen, dass Krankheiten entstehen
- Beispiel: Der Patient wird durch einen Arzt darüber aufgeklärt, dass Rauchen schädlich ist. Im besten Fall hört der Patient auf zu rauchen
- Vorteil: Hohes Maß an persönlicher Freiheit bezüglich des eigenen Lebensstils
- Nachteil: Der Patient muss einen Eigenanteil leisten, also gesund kochen, mit dem Rauchen aufhören, Sport treiben
- Verhältnisprävention
- Annahme: Lebensumstände können zur Entstehung von Krankheiten beitragen
- Beispiele
- Anschnallpflicht im Auto
- Verkehrsvorschriften
- Arbeitsschutzstandards
- Lebensmittelkontrolle
- Vorteil: Der Patient muss keinen Eigenanteil beitragen
- Nachteil: Persönliche Freiheit wird eingeschränkt
Die Kombination verhaltenspräventiver und verhältnispräventiver Maßnahmen verspricht größeren Erfolg als die alleinige Durchführung einer der beiden Maßnahmen!