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Organische psychische Störungen (F00 - F09)
Abstract
Bei den organischen psychischen Störungen handelt es sich um Krankheiten, bei denen eine nachweisbare Ätiologie einer zerebralen oder systemischen Krankheit vorliegt. Auch die Demenzen werden zu dieser Gruppe gezählt. Bei einer akuten Störung des Bewusstseins, der Aufmerksamkeit, der Wahrnehmung, des Denkens, des Gedächtnisses, der Psychomotorik und des Schlaf-Wach-Rhythmus wird von einem „Delir“ gesprochen. Abhängig von dem Auslöser sind viele Formen möglich. Es kann sich z.B. um ein postoperatives Delir, ein Fieberdelir oder ein Entzugsdelir handeln. Therapeutisch stehen die Stabilisierung des Patienten und die Beseitigung der Ursache im Vordergrund.
Eine organische Störung kann sich aber auch klinisch wie jede andere psychiatrische Erkrankung darstellen (z.B. Angststörung, wahnhafte Störung, dissoziative Störung, Halluzinose) oder sich als Persönlichkeitsstörung mit Veränderung der Persönlichkeitszüge präsentieren (z.B. Frontalhirnsyndrom, Lobotomiesyndrom).
Ätiologie
Hirneigene Ursachen
- Neurodegenerative Erkrankungen: Demenz, atypische Parkinson-Syndrome, Multiple Sklerose
- Andere hirnorganische Prozesse: Epilepsie, Hirntumoren, Schädelhirntrauma
- Systemische Erkrankungen mit schwerem Verlauf: Bspw. Autoimmunerkrankungen wie ein systemischer Lupus erythematodes, Vaskulitiden mit zerebraler Beteiligung
Körperliche Ursachen
- Elektrolytverschiebungen: Bspw. Hyperkalzämie, Hyperkaliämie
- Exsikkose: Häufigster Grund für akute psychiatrische Symptome
- Stoffwechselstörungen: Diabetes mellitus, Urämie, Hypothyreose
- Infektionskrankheiten: Bspw. schwere Pneumonien bzw. Sepsis
- Endokrinologische Störungen: Insb. Hyperthyreose, Hypothyreose
- Drogen und Medikamente
- Entzug bei Abhängigkeit
- Intoxikationen (z.B. Drogen)
- Unerwünschte Arzneimittelwirkungen: Bspw. Glukokortikoide, Fluorchinolone
Verlaufs- und Sonderformen
Organisches amnestisches Syndrom (F04)
- Ursache: Strukturelle Schädigung des Gehirns, die nicht durch Alkohol bedingt ist (z.B. durch Hypoxie über längeren Zeitraum)
- Klinik
- Meist nur zeitliche und örtliche Desorientierung bei erhaltener Orientierung zur Person
- Deutliche Beeinträchtigung des Kurz- und Langzeitgedächtnisses, meist bei erhaltenem Immediatgedächtnis (auch sensorisches Gedächtnis)
- Ggf. Konfabulationen und Zeichen eines Korsakow-Syndroms
Andere psychische Störungen aufgrund einer Funktionsstörung des Gehirns (F06)
Alle hier genannten Störungen sind auf eine akute oder chronische nicht-Alkohol-bedingte Hirnschädigung (z.B. Infarkte, Tumoren, Medikamente, Infektionen, etc.) zurückzuführen. Klinisch präsentieren sie sich ähnlich wie die vergleichbaren psychiatrischen Krankheitsbilder
- Organische Halluzinose (F06.0): Die organische Halluzinose ist meist durch optische (seltener akustische) Halluzinationen bei klarer Bewusstseinslage geprägt. Diese Halluzinationen können als „echte“ oder auch als Pseudohalluzinationen vorliegen, da sie in einigen Fällen vom Patienten als irreal wahrgenommen werden. Wahnsymptome können vorkommen, stehen aber nicht im Vordergrund
- Organische katatone Störung (F06.1): Klinisch ähnlich wie eine katatone Schizophrenie, aber mit organischer Ursache
- Organische wahnhafte Störung (F06.2): Klinisch ähnlich wie eine paranoide Schizophrenie oder eine wahnhafte Störung, aber mit organischer Ursache
- Organische affektive Störungen (F06.3): Klinik einer Depression oder einer bipolaren Störung, aber mit organischer Ursache
- Organische Angststörung (F06.4): Klinik einer Angststörung, aber mit organischer Ursache
- Organische dissoziative Störung (F06.5): Dissoziative Störung, aber mit organischer Ursache
- Weitere Störungen mit organischer Ursache
Organische Persönlichkeitsstörung (F07)
Eine organische Persönlichkeitsstörung bezeichnet eine auffällige Veränderung des Verhaltens und der Affekte als Folge einer zerebralen Schädigung (z.B. nach Hirnblutungen, Traumen). Abhängig von der Lokalisation der Schädigung können Kognition, Denkvermögen und viele andere Fähigkeiten beeinträchtigt sein. Die Patienten erleben diese Störung nicht als eigen, sondern als fremd, d.h. sie distanzieren sich von ihrem Verhalten und versuchen, ihr verändertes Verhalten zu vermeiden.
Diagnostik
- Ausschlussdiagnostik bei organischem Psychosyndrom: Bei Verdacht auf eine organische psychische Störung soll zügig eine Differentialdiagnostik eingeleitet werden, um die Ursache zu bestimmen
- Vollständige körperliche und neurologische Untersuchung
- Labordiagnostik
- Blutbild und Differentialblutbild
- Elektrolyte: Natrium, Kalium, Calcium, Phosphat, Magnesium, Chlorid, Albumin
- Kreatinin und Harnstoff
- Transaminasen, GGT, AP, Bilirubin, INR
- CRP bzw. PCT
- Vitamin B12, Folsäure
- TSH
- Drogen-Screening (i.d.R. als Urindiagnostik)
- Infektionsdiagnostik: Fokussuche bei erhöhtem CRP bzw. PCT veranlassen
- Röntgen-Thorax, U-Status, Abdomensonographie
- Bei entspr. Verdacht: HIV-Test, Lues-Serologie
- Orientierende zerebrale Bildgebung: MRT, CT
- Liquorpunktion: Zum Ausschluss intrazerebraler Infektionen bzw. ZNS-Erkrankungen (bspw. Multiple Sklerose)
- Ggf. EEG: Ausschluss epilepsietypischer Potentiale
- Bei beeinträchtigtem Bewußtsein: Auftreten eines Delirs beachten, regelmäßiges Delir-Screening
Delir/Delirium
Das Delir ist ein akutes, komplexes, hirnorganisches Syndrom, das durch eine Störung des Bewusstseins, der kognitiven Funktionen, der Psychomotorik, des Schlaf-Wach-Rhythmus und der Emotionalität gekennzeichnet ist. Es handelt sich um eine der häufigsten Ursachen für kognitive Defizite bei geriatrischen Patienten. Die Diagnose wird anhand der Klinik gestellt, wobei die Ursachensuche essentiell ist. Ein Delir kann sehr unterschiedlich stark ausgeprägt sein und es gibt vielfältige Auslöser, die bisweilen eine ausführliche, weiterführende Diagnostik erfordern. Therapeutisch stehen, wenn möglich, eine kausale Therapie mit Eliminierung der Ursache sowie eine Flüssigkeits- und ggf. Antipsychotikagabe im Vordergrund. Eine wichtige Differentialdiagnose ist die Demenz.
Das auch als Delirium tremens bezeichnete Delir im Rahmen eines Alkoholentzugs wird aufgrund seiner klinischen, diagnostischen und therapeutischen Besonderheiten gesondert behandelt, siehe: Alkoholentzugsdelir.
Epidemiologie
Ätiologie
Ursachen
Die Ursachen für ein Delir sind vielfältig. Vereinfachend gesagt, können alle Faktoren zu einem Delir führen, die auf den Patienten körperlich oder geistig als „Stressfaktoren“ wirken.
- Häufige somatische Stressfaktoren
- Exsikkose und Malnutrition
- Harnverhalt
- Zerebral (z.B. Tumor, Hirninfarkt, Hirnblutung)
- Kardiovaskulär (z.B. Herzinfarkt, Schock)
- Infektiös (z.B. Fieberdelir, Meningitis)
- Metabolisch (z.B. Hypo- und Hyperglykämien, Elektrolytstörungen ), Hypo- und Hyperthyreose)
- Medikamenteninduziert (z.B. bei Gabe von Antihistaminika, Antiparkinsonika, Antipsychotika, Kortikosteroiden, Antibiotika)
- Entzugsdelir oder Intoxikation (z.B. Opioide, Benzodiazepine)
- Polypharmazie
- Postoperatives Delir (Durchgangssyndrom )
- Häufige psychische Stressfaktoren: Insb. bei Krankenhausaufenthalt
- Schmerzen
- Ortswechsel, häufiger Wechsel von Bezugspersonen
- Schlafstörungen
- Isolation , Immobilität
- Fixierungsbedarf
- Psychosozialer Stress
- Zusätzliche Sinnesbehinderungen
- Perioperative Risikofaktoren eines Delirs: Infektionen/Fieber, Schmerzen/Analgetikatherapie, Schlafdefizit, Elektrolytstörungen, Anämie
Prädisponierende Risikofaktoren für die Entwicklung eines Delirs
- Alter
- Demenz [8]
- Alkoholismus
- Früheres Delir
Pathophysiologie
Die Pathophysiologie des Deliriums ist noch weitgehend ungeklärt. Durch „Stressoren“ scheint es zu einer akuten Störung des Hirnstoffwechsels zu kommen.
Beobachtungen auslösender Faktoren und Forschungsergebnisse deuten auf folgende Mechanismen hin:
- Stresshypothese [9]
- Auslösende Faktoren führen zu einer direkten Hirnschädigung (z.B. Medikamente) oder zu einer überschießenden Stressreaktion (z.B. Infektion) des Körpers
- Es kommt dadurch zur Aktivierung des sympathischen Systems mit Noradrenalinfreisetzung aus der Hypothalamus-Hypophysen-NNR-Achse mit erhöhter Freisetzung von Kortikosteroiden
- Entzündungshypothese [10]
- Inflammatorische Prozesse beeinflussen den Transmitterhaushalt des Hirns
Insgesamt scheint es im Gleichgewicht cholinerger, dopaminerger, adrenerger und GABA-erger Transmission im Gehirn zu einem Überwiegen exzitatorischer Erregung mit cholinergem Defizit und dopaminergem Überschuss zu kommen. [11]
Klinik und Diagnosekriterien
Diagnosekriterien nach ICD-10
- Zerebrale Störungen
- Bewusstseinsstörung und Aufmerksamkeitsstörung
- Die Bewusstseinsstörung beinhaltet
- Quantitative Störung: Von leichter Bewusstseinsminderung bis zum Koma
- Qualitative Störung: Bewusstseinseintrübung, Bewusstseinseinengung oder Bewusstseinsverschiebung
- CAVE: Auch beim wachen, klassisch hyperaktiven Delir-Patienten liegt eine (qualitative) Bewusstseinsstörung vor!
- Schwierigkeiten, die Aufmerksamkeit zu fokussieren, aufrechtzuerhalten oder zu wechseln
- Die Bewusstseinsstörung beinhaltet
- Störung kognitiver Funktionen, z.B.:
- Gedächtnisstörungen
- Auffassungs- und Denkstörung mit typischer Inkohärenz
- Wahrnehmungsstörungen (insb. optische Halluzinationen), illusionäre Verkennungen, Wahnsymptome
- Optische Halluzinationen sind häufig, akustische Halluzinationen eher untypisch aber möglich
- Orientierungsstörungen
- Störung der Psychomotorik, z.B.:
- Psychomotorische Unruhe (= hyperaktives Delirium) oder Antriebsstörung (= hypoaktives Delirium, kaum Willküraktivität) mit abrupten Wechseln zwischen den Formen
- Starke Schreckhaftigkeit
- Tremor
- Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus, z.B.:
- Umkehr des Schlaf-Wach-Rhythmus
- Störung der Affektivität, z.B. Affektlabilität, Reizbarkeit, Aggressivität, verstärkte Angst, Ratlosigkeit
- Bewusstseinsstörung und Aufmerksamkeitsstörung
- Weitere typische Merkmale
- Plötzlicher Beginn
- Dauer <6 Monate
- Schwankung der Symptomatik im Tagesverlauf
Einfluss des Delirs für den Krankheitsverlauf [12]
- Höhere Mortalität [13]
- Erschwerte Therapie der ursprünglich zur Aufnahme führenden Erkrankung
- Im Durchschnitt längere Klinikverweildauer, Gefahr der Hospitalisierung
- Erhöhtes Risiko für Entwicklung von Pflegebedürftigkeit
- Starker Risikofaktor für die Entwicklung einer Demenz [14] oder bleibender kognitiver Defizite
Diagnostik
Zweigleisige Diagnostik
Eigen- und Fremdanamnese
Eine ausführliche Anamnese dient sowohl der Diagnostik des Delirs als auch der Ursachenfindung. Angehörige sollten möglichst für eine Fremdanamnese hinzugezogen werden.
- Wichtige (Fremd)anamnestische Informationen
- Charakterisierung der Symptomatik inklusive Beginn und zeitlichem Verlauf
- Risikofaktoren: Bspw. vorbestehende Demenz?
- Auslösende Ursache benennbar?
- Drogen- und Alkoholanamnese
- Medikamentenanamnese
- Vorerkrankungen/Voroperationen
- Vegetative Anamnese: Fokus auf mögliche Delir-Symptome bzw. typische Ursachen
Delir-Screening
- „Confusion Assessment Method“ (CAM) [15]→ Goldstandard im Delir-Screening
- Beschreibung
- Kurzversion:
- Akuter Beginn und/oder fluktuierender Verlauf
- Aufmerksamkeitsstörung
- Formale Denkstörung
- Veränderte Bewusstseinslage
- Kurzversion:
- Auswertung
- Zur Diagnose eines Delirs müssen die Kriterien 1 und 2 sowie zusätzlich 3 oder 4 erfüllt sein
- Vorteile
- Hohe Sensitivität und Spezifität [15]
- Zeitökonomisch (ca. 5 min)
- Leichte Auswertung
- Auch von nicht-ärztlichem und nicht-psychiatrischem Personal durchführbar
- In vielen Sprachen erhältlich
- Beschreibung
- „Confusion Assessment Method for the ICU“ (CAM-ICU): [16] Delir-Screening auf der Intensivstation
- Besonderheit: Einschluss der „Richmond Agitation and Sedation Scale“ (RASS)
- Vorab: Patient tief sediert oder nicht erweckbar? → Spätere Wiederholung des ICAM
- Einschätzung der veränderten Bewusstseinslage (= Frage 4 des CAM) mit RASS
- Besonderheit: Einschluss der „Richmond Agitation and Sedation Scale“ (RASS)
- „Nursing Delirium Screening Scale“ (Nu-DESC): [17] Pflegebasiertes Screening-Instrument
- Beschreibung
- Desorientierung?
- Unangemessenes Verhalten?
- Unangemessene Kommunikation?
- Illusionen/Halluzinationen?
- Psychomotorische Retardierung?
- Auswertung
- Für jedes Symptom können je nach Ausmaß 0, 1 oder 2 Punkte vergeben werden
- Ein Punktwert von 2 oder mehr legt das Bestehen eines Delirs nahe
- Vorteile
- Zeitökonomisch (ca. 5 min)
- Leichte Auswertung
- Speziell für Durchführung durch Pflegepersonal entwickelt
- Beschreibung
Internistisch-neurologische körperliche Untersuchung
Wichtig zur Identifikation der auslösenden Ursache:
- Internistisch
- Vitalparameter!
- Beurteilung des Flüssigkeitshaushalts
- Zeichen einer akuten organischen Erkrankung? Infektzeichen?
- Neurologisch: Hinweise auf
- Intoxikation/Entzügigkeit
- Akute zerebrale Erkrankung?
Labordiagnostik
Eine Basisdiagnostik sollte erfolgen, um akut-internistische Krankheitsbilder als Auslöser aufzudecken
- Standarddiagnostik
- Blutwerte: Blutzucker, kleines Blutbild, Kreatinin, Elektrolyte, ALT/AST, GGT, Kreatinkinase, Harnstoff, CRP, Procalcitonin, TSH, Amylase, Lipase, Gerinnungsparameter
- Urin: Urinstix und -status
- Weitere Labordiagnostik: Bei spezifischen Verdachtsdiagnosen, z.B.
- Respiratorische Insuffizienz/metabolische Entgleisung: Blutgasanalyse
- Myokardinfarkt: Troponin T und I, CK, CK-MB
- Drogeninduziertes Delir: Drogenurin
- Liquordiagnostik
Weitere mögliche Untersuchungen
Je nach Verdachtsdiagnose, z.B.
Differentialdiagnostik
Die Diagnose eines Delirs erfordert den Ausschluss anderer Erkrankungen, die – für sich allein betrachtet – die bestehende Symptomatik ausreichend erklären würden. Wichtige Differentialdiagnosen sind insb.:
- Demenz
- Psychotische Störungen (z.B. bei Schizophrenie)
Nicht-intensivstationäre Therapie
Allgemein
- Kausale Therapie: Finden und Beseitigen des Auslösers!
- Flüssigkeitstherapie (unter Berücksichtigung insb. der Herz- und Nierenfunktion aufgrund der Gefahr der Volumenüberladung)
- Bei Eigen- und/oder Fremdgefährdung ggf. Sicherungsmaßnahmen
Nicht-medikamentöse Therapieoptionen des Delirs
- Ruhige und entspannte Umgebung schaffen
- Behandlungskontinuität schaffen
- Orientierungshilfen
- Schlaf regulieren
- Fester Tag- und Nachtrhythmus
- Frühe postoperative Mobilisierung
- Korrektur von Sinnesbeeinträchtigungen (Hörgeräte, Sehhilfen)
Medikamentöse Therapieoptionen des Delirs
- Indikationen: Hyperaktives Delir mit Eigen- oder Fremdgefährdung
- Beachte: Für die Sonderform des Delirs im Alkoholentzug gelten spezielle Therapieempfehlungen
- Siehe hierzu Alkoholentzugsdelir
- Beachte: Für die Sonderform des Delirs im Alkoholentzug gelten spezielle Therapieempfehlungen
- Mögliche Substanzen: Antipsychotika (beachte aber unbedingt bei Patienten mit gleichzeitiger Demenz: Antipsychotikagabe bei Demenz)
Sonderfall Delir bei M. Parkinson oder Lewy-Body-Demenz: Kontraindikation für alle Antipsychotika außer Clozapin!
Medikamentöse Therapieansätze sind sinnvoll, wenn die Delir-Symptomatik zu einer Eigen- oder Fremdgefährdung führt. Das Delir selbst kann aber nur durch Beseitigung der Ursache geheilt werden!
Benzodiazepine sind aufgrund ihrer delirogenen Potenz und der Gefahr der Verschleierung einer Zustandsverschlechterung nur im Benzodiazepin- und Alkoholentzug empfohlen!
Sonderfall: Delir auf Intensivstation
Auf Intensivstationen sind Delire eine besondere Herausforderung aufgrund der häufig erschwerten Diagnose und der hohen Prävalenz.
Spezifische Probleme
- Triggernde Faktoren: Umgebung erzeugt Dauerstress
- Lautstärke und Licht
- Medikamente: Sedativa, Anticholinergika häufig eingesetzt
- Gestörter Schlaf
- Zusätzliche Gefährdung: Delirante Patienten entfernen wichtige medizinische Hilfsmittel
Diagnostik eines Delirs auf der Intensivstation
- Problem: Patient ist je nach Spezialisierung i.d.R. sediert
- Lösung
- Regelmäßige, standardisierte Überprüfung aller Risikopatienten
- Kritischer Umgang mit Sedativa
- Screening-Instrumente
- „Confusion Assessment Method“ (CAM-ICU)
- „Nursing Delirium-Screening Scale“ (Nu-DESC)
Therapieansätze
- Nicht-medikamentös
- Nachtruhe einhalten
- Ohrstöpsel nachts anwenden
- Patientenaktivität tagsüber fördern
- Beatmungszeiten kurz halten (systematisches Weaning)
- Weiteres siehe: Nicht-medikamentöse Therapieoptionen des Delirs
- Medikamentös
- Sedativa: So wenig wie möglich
- Engmaschige Kontrolle der Sedierungstiefe, z.B. über den RASS-Score
- Weitere allgemeine medikamentöse Therapieoptionen siehe: Medikamentöse Therapieoptionen des Delirs
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2019
F05.-: Delir, nicht durch Alkohol oder andere psychotrope Substanzen bedingt
- Inklusive: Akut oder subakut:
- exogener Reaktionstyp
- hirnorganisches Syndrom
- psychoorganisches Syndrom
- Psychose bei Infektionskrankheit
- Verwirrtheitszustand (nicht alkoholbedingt)
- Exklusive: Delirium tremens, alkoholbedingt oder nicht näher bezeichnet (F10.4)
- F05.0: Delir ohne Demenz
- F05.1: Delir bei Demenz Soll die Art der Demenz angegeben werden, ist eine zusätzliche Schlüsselnummer zu verwenden.
- F05.8: Sonstige Formen des Delirs
- F05.9: Delir, nicht näher bezeichnet
F06.-: Andere psychische Störungen aufgrund einer Schädigung oder Funktionsstörung des Gehirns oder einer körperlichen Krankheit
- Exklusive:
- F06.0: Organische Halluzinose
- Organisch bedingtes halluzinatorisches Zustandsbild (nicht alkoholbedingt)
- Exklusive: Alkoholhalluzinose (F10.5); Schizophrenie (F20.‑)
- F06.1: Organische katatone Störung
- Exklusive:
- Katatone Schizophrenie (F20.2)
- Stupor:
- Exklusive:
- F06.2: Organische wahnhafte [schizophreniforme] Störung
- Paranoide und paranoid-halluzinatorische organisch bedingte Zustandsbilder
- Schizophreniforme Psychose bei Epilepsie
- Exklusive: Akute vorübergehende psychotische Störungen (F23.‑); Anhaltende wahnhafte Störungen (F22.‑); Durch psychotrope Substanzen induzierte psychotische Störungen (F11–F19, vierte Stelle .5); Schizophrenie (F20.‑)
- F06.3: Organische affektive Störungen
- Exklusive: Nichtorganische oder nicht näher bezeichnete affektive Störungen (F30-F39)
- F06.4: Organische Angststörung
- Exklusive: Nichtorganisch bedingte oder nicht näher bezeichnete Angststörungen (F41.‑)
- F06.5: Organische dissoziative Störung
- Exklusive: Nichtorganisch bedingte oder nicht näher bezeichnete dissoziative Störungen [Konversionsstörungen] (F44.‑)
- F06.6: Organische emotional labile [asthenische] Störung
- Exklusive: Nichtorganisch bedingte oder nicht näher bezeichnete somatoforme Störungen (F45.‑)
- F06.7: Leichte kognitive Störung
- F06.8: Sonstige näher bezeichnete organische psychische Störungen aufgrund einer Schädigung oder Funktionsstörung des Gehirns oder einer körperlichen Krankheit
- Epileptische Psychose o.n.A.
- F06.9: Nicht näher bezeichnete organische psychische Störung aufgrund einer Schädigung oder Funktionsstörung des Gehirns oder einer körperlichen Krankheit
- Hirnorganisches Syndrom o.n.A.
- Organische psychische Störung o.n.A.
F07.-: Persönlichkeits- und Verhaltensstörung aufgrund einer Krankheit, Schädigung oder Funktionsstörung des Gehirns
- F07.0: Organische Persönlichkeitsstörung
- Frontalhirnsyndrom
- Leukotomiesyndrom
- Lobotomiesyndrom
- Organisch:
- Pseudopsychopathie
- pseudoretardierte Persönlichkeit Persönlichkeitsstörung bei limbischer Epilepsie
- Exklusive:
- Andauernde Persönlichkeitsänderung nach:
- Extrembelastung (F62.0)
- psychiatrischer Krankheit (F62.1)
- Organisches Psychosyndrom nach Schädelhirntrauma (F07.2)
- Persönlichkeitsstörungen (F60–F61)
- Postenzephalitisches Syndrom (F07.1)
- Andauernde Persönlichkeitsänderung nach:
- F07.1: Postenzephalitisches Syndrom
- Exklusive: Organische Persönlichkeitsstörung (F07.0)
- F07.2: Organisches Psychosyndrom nach Schädelhirntrauma
- Postkontusionelles Syndrom (Enzephalopathie)
- Posttraumatisches (organisches) Psychosyndrom, nicht psychotisch
- Exklusive: Akute Gehirnerschütterung (S06.0)
- F07.8: Sonstige organische Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen aufgrund einer Krankheit, Schädigung oder Funktionsstörung des Gehirns
- Rechts-hemisphärische organische affektive Störung
- F07.9: Nicht näher bezeichnete organische Persönlichkeits- und Verhaltensstörung aufgrund einer Krankheit, Schädigung oder Funktionsstörung des Gehirns
- Organisches Psychosyndrom
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2019, DIMDI.