Abstract
Als Nahrungsmittelallergie werden immunologisch vermittelte Typ-I- oder Typ-IV‑Reaktionen gegen Allergene bezeichnet, die über Nahrungsmittel in das Immunsystem gelangen. Häufige Auslöser sind u.a. Hühnereiweiß, Milcheiweiß, Weizenmehl, Erdnuss, Soja, Haselnuss und Fisch – zusätzlich können auch Kreuzallergien zu Pollen bestehen. Klinisch zeigen sich Symptome der Atemwege (z.B. Asthma), der Haut (z.B. Urtikaria) und des Kreislaufs (z.B. Hypotonie, Tachykardie) bis hin zur Anaphylaxie. Insb. bei Nahrungsaufnahme ist darüber hinaus das Auftreten einer gastrointestinalen Symptomatik mit oralem Juckreiz, Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö und Bauchkrämpfen typisch.
Diagnostisch ist v.a. die Anamnese wegweisend. Zur Verifizierung dient insb. der IgE-Nachweis in Haut oder Blut. Ggf. ist eine Provokationstestung sinnvoll. Wichtigste therapeutische Maßnahme ist die Expositionskarenz. Ist diese nicht ausreichend möglich, kommen Antihistaminika und ggf. systemische Glucocorticoide zum Einsatz. Bei schweren anaphylaktischen Reaktionen ist die Versorgung mit einem Notfallset indiziert.
Epidemiologie
Ätiologie
Multifaktorielle Genese [1][3]
- Begünstigende Faktoren
- Genetische Prädisposition
- Veränderungen des gastrointestinalen Immunsystems
- Schnittentbindung: Veränderung der postpartalen Darmbesiedlung
- RSV-Infektion: Erhöhtes Sensibilisierungsrisiko gegen Milch und Ei
- Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen: Aufgrund der erhöhten Permeabilität der Darmschleimhaut
- Fehlende Toleranzentwicklung: Nur einmaliger Verzehr von Nahrungsmittelallergenen mit anschließender längerer Karenzzeit [4]
- Bestehende atopische Dermatitis [3]
- Tabakexposition prä- und/oder postpartal
- Protektive Faktoren
- Hygienehypothese
- Kontakt zu (Bauernhof‑)Tieren
- Wenig Antibiotikaexposition
- Kontakt mit orofäkal übertragenen Infektionskrankheiten und Endotoxinen
- Stillen
- Wachstumsfaktoren in der Muttermilch: Begünstigen Barrierefunktion der Darmmukosa
- Hygienehypothese
Klassifikation der Nahrungsmittelallergie (NMA)
- NMA Klasse I: Primäre Nahrungsmittelallergie
- Allergene mit großer Stabilität gegenüber saurem Milieu und Verdauungsenzymen
- Insb. Kleinkinder betroffen durch
- Erhöhte Permeabilität des kindlichen Darmes
- Unreife des kindlichen Immunsystems
-
Häufige Primärallergene
- Im Kleinkindalter: Hühnereiweiß, Milcheiweiß, Erdnuss, Haselnuss, Weizenmehl, Sojabohne [3]
- Bei Erwachsenen: Fisch, Weizenmehl, Erdnuss, Sojabohne, Haselnuss, Garnele, Kiwi, Karotte, Sellerie
- NMA Klasse II: Pollenassoziierte Nahrungsmittelallergie
- Kreuzreaktion: Ähnliche Molekülstrukturen in Pollen und pflanzlichen Nahrungsmitteln
- Erhitzte Allergene häufig verträglich
- Insb. Schulkinder und Erwachsene betroffen
Jedes Nahrungsmittel kann eine Allergie auslösen!
Pathophysiologie
- Häufig: Typ-I-Allergie (IgE-vermittelte Reaktion vom Soforttyp) [5]
- Seltener: Typ-IV-Allergie (verzögerte T-Zell-vermittelte Reaktion)
- Kombinierte Typ-I- und Typ-IV-Reaktion: Verzögerter Beginn und oft chronischer Verlauf
Im Rahmen von Nahrungsmittelallergien zeigt sich typischerweise eine Störung der intestinalen Barriere!
Symptome/Klinik
Haut [1][3][4][5][6]
Atemwege
- Rhinokonjunktivitis
- Asthma bronchiale
- Larynxödem
- Husten, Heiserkeit, Stridor
- Zyanose, ggf. komplette Verlegung der Atemwege
Gastrointestinaltrakt
- Mundwinkelrhagaden, Aphten, Fütterungsstörung
- Übelkeit, Erbrechen , Reflux, Bauchschmerzen, Meteorismus, Diarrhö oder Obstipation
- Malabsorption mit Eisenmangelanämie
- Gedeihstörung
- Eosinophile Ösophagitis oder eosinophile Gastroenteropathie
- Proktokolitis im Säuglingsalter
- Kontakturtikaria der Mundschleimhaut: Schwellung und Juckreiz von Lippen, Zunge, Gaumen, Ohren und/oder Rachen, ggf. pelziges Gefühl im Mundraum, Heiserkeit, Dysphagie oder Dyspnoe
Herz-Kreislauf-System
- Blutdruckabfall
- Tachykardie
- Anaphylaktischer Schock
ZNS
- Innere Unruhe, Angst
- Lethargie
- Schlafstörung
- Kopfschmerzen, ggf. Migräne
- Zerebrale Krampfanfälle
Diagnostik
Anamnese [1][7]
- Eigen- und Familienanamnese
- Ernährungstagebuch
- Ausschluss anderer gastrointestinaler Erkrankungen
Körperliche Untersuchung
- Beurteilung der Beteiligung von Organsystemen, insb. Haut, Atemwege und Gastrointestinaltrakt
Eliminationsdiät
- Meiden von 1–3 Nahrungsmitteln über mind. 3–4 Wochen
- Alternativ: Elementardiät über mind. 3–4 Wochen
- Kriterien einer Nahrungsmittelallergie
- Symptombesserung während der Diät
- Wiederauftreten der Symptomatik: ≤48 h nach Wiedereinführung des verdächtigten Nahrungsmittels
Hauttest
- Pricktest oder Intrakutantest
Labor
- Differenzialblutbild: Ggf. Eosinophilie
- CAP-Test: Spezifische IgE-AK im Serum
- Nicht mehr verwendet: RAST (Radio-Allergo-Sorbent-Test)
- Gesamt-IgE im Serum (unspezifisch) Die Bestimmung des Gesamt-IgE ist wichtig zur Planung einer Anti-IgE-Therapie. Die Konzentration korreliert nicht mit der von spezifischen IgE-Antikörpern.
- Molekulare Allergiediagnostik: Zur Differenzierung zwischen primärer Nahrungsmittelallergie und Kreuzreaktion
- Erhöhte Tryptasekonzentration im Serum: Hinweis auf gesteigertes Risiko schwerer Reaktionen
- Basophilenallergenstimulationstest
- Indikation: Verdacht auf Nahrungsmittelallergie vom Soforttyp ohne Nachweis im Hauttest oder im Labor
- Methode: Indirekter Nachweis der auf basophilen Leukozyten gebundenen IgE-Antikörper
- Durchführung: Allergenstimulation (in-vitro-Provokationstestung) der Basophilen
- Positives Resultat: Nachweis von freigesetztem Histamin, Sulfidoleukotrienen und CD63
- Nicht empfohlen: Nahrungsmittelspezifisches IgG oder IgG4 [8][9]
Nur ein sehr kleiner Anteil des IgE zirkuliert frei im Blut, sodass die Bestimmung des (freien) Gesamt-IgE bzw. des spezifischen IgE keine Aussage über die Ausprägung der Reaktion zulässt!
Oraler Provokationstest [3]
- Indikationen
- Fehlende Übereinstimmung zwischen Anamnese und Antikörpernachweis
- Absicherung der Diagnose
- Nachweis einer Sensibilisierung bei bisher nicht oder nur in kleinen Mengen konsumiertem Nahrungsmittel
- Evaluation einer natürlichen Toleranzentwicklung
- Reevaluierung nach Besserung der Klinik unter diagnostischer Eliminationsdiät
- Voraussetzung: Mind. 7 d nach Absetzen von Antihistaminika und systemischen Glucocorticoiden
- Schleimhautprovokation: Zu testende Nahrung wird an die Lippe gehalten, ggf. in den Mund genommen und sofort wieder ausgespuckt
- Systemische Provokation: Zu testende Nahrung wird geschluckt (in aufsteigender Dosis)
Aufgrund des Risikos einer biphasischen Reaktion sollte insb. nach positiver oraler Provokationstestung immer eine ausreichende Nachbeobachtungszeit beachtet werden!
Bei nachgewiesener Nahrungsmittelallergie ist eine Reprovokation je nach Allergen frühestens ein Jahr später indiziert! Bei Hühnereiweiß und Nüssen sogar erst nach 2–3 Jahren!
Differenzialdiagnosen
Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen
Unverträglichkeitsreaktionen
- Lactoseintoleranz
- Fructosemalabsorption
- Glutensensitive Enteropathie (Zöliakie)
Akutes Abdomen
- Darminvagination
- Appendizitis
- Stielgedrehtes Ovar
- Hodentorsion
Sog. „Dreimonats-Koliken“ beim Säugling
- Anhaltende Schreiattacken der Säuglinge
- Zeitpunkt: Insb. nach den Mahlzeiten
- Verlauf
- Höhepunkt: Um die 6. Lebenswoche
- Abklingen: Häufig gegen Ende des 3. Lebensmonats
- Ursache: Unklar
- Aerophagie, vermehrte Gasbildung mit Meteorismus und schmerzhafte Peristaltik werden diskutiert
- Therapie: Keine erforderlich
Blutbeimengungen im Stuhl sind immer abklärungsbedürftig! Eine potenziell lebensbedrohliche Ursache wie die Darminvagination muss ausgeschlossen werden! Weitere Ursachen können Kuhmilchproteinintoleranz und infektiöse Darmerkrankungen sein.
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
- Strenge Expositionskarenz [1][2][3][4][7]
- Meiden ursächlicher Nahrungsmittel (bei schwerer Allergie auch in Spuren)
- Ernährungsberatung
- Bei voll gestillten Säuglingen mit Allergien auf bestimmte Nahrungsmittel in der mütterlichen Kost: Meiden entsprechender Nahrungsmittel durch die Stillende
- Bei jungen Säuglingen mit Kuhmilchallergie: Ersatz der Mutter- oder Folgemilch durch
- Extensiv hydrolysierte Formelnahrung (eHF)
- Bei fehlender Besserung unter extensiv hydrolysierter Formelnahrung: Aminosäureformelnahrung (AAF)
- Bei der Proktokolitis im Säuglingsalter reicht bei voll gestillten Kindern ggf. eine Karenz der Stillenden [1]
- Frühestens ab dem 1. Geburtstag kann alternativ eine Nahrung auf Soja-, Hafer- oder Reisbasis verwendet werden (nach Ausschluss einer Sensibilisierung)
- Nicht geeignet als Ersatznahrung sind andere Tiermilchsorten , Risiko einer Kreuzreaktion >90%
- Symptomatische (Notfall‑)Therapie
- Antihistaminika, bspw. Dimetinden oder Cetirizin
- Systemische Glucocorticoide, bspw. Prednisolon
- Bei schwerer Anaphylaxie oder Allergie gegen Erdnuss, Nüsse oder Sesam
- Zusätzlich Versorgung mit einem Notfallset inkl. Adrenalin-Autoinjektor und Salbutamol-Dosieraerosol
- Ausstellen eines Notfallausweises
- Durchführung einer Anaphylaxie-Schulung
- Siehe auch: Symptomatische Therapie bei Typ-I-Reaktionen
- Bei pollenassoziierten Kreuzreaktionen: Ggf. Allergie-Immuntherapie
Bei primären Nahrungsmittelallergien ist eine parenterale Allergie-Immuntherapie nicht möglich!
In Studien wird aktuell die spezifisch orale Toleranzinduktion (SOTI) als kausale Therapieoption evaluiert!
Prognose
- Nahrungsmittelallergien im Kindesalter: Verschwinden der Allergie nach jahrelanger Allergenkarenz möglich [1][3][7]
- Bei Kuhmilcheiweißallergie: 80% Toleranzentwicklung bis zum Schuleintritt
- Bei Hühnereiweißallergie: 70% Toleranzentwicklung bis zum Schuleintritt
- Bei Erdnussallergie: Nur 20% Toleranzentwicklung im Verlauf
- Neu aufgetretene Nahrungsmittelallergien im Erwachsenenalter: Häufig Persistenz der Symptomatik
- Pollenassoziierte Nahrungsmittelallergien: Häufig rückläufig nach Allergie-Immuntherapie (AIT)
Spezifische nahrungsmittelinduzierte allergische Krankheitsbilder
Spezifische nahrungsmittelinduzierte allergische Krankheitsbilder [5] | ||
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Allergie-Typ | Krankheitsbild | Häufige Allergene |
Typ I: IgE-vermittelte Soforttyp-Reaktion | Akute Urtikaria/Angioödem | |
Kontakturtikaria | Viele | |
Anaphylaxie | Alle, insb. Erdnuss, Nuss, Krustentiere, Fisch, Kuhmilch und Hühnerei | |
Weizenabhängige anstrengungsinduzierte Anaphylaxie | Weizen | |
Pollenassoziierte Kreuzallergie | (Insb. rohes) Obst und Gemüse | |
Kombinierte Typ-I-/Typ-IV-Reaktion mit verzögertem Beginn und chronischem Verlauf | Atopische Dermatitis | Hauptallergene, insb. Hühnerei und Kuhmilch |
Eosinophile Ösophagitis | Viele | |
Eosinophile Gastroenteropathie | Viele | |
Typ IV: T-Zell-vermittelte verzögerte Reaktion, ggf. mit chronischem Verlauf | FPIES | Kuhmilch, Soja, Reis, Hafer, Fleisch |
Nahrungsmittelproteininduzierte Proktokolitis im Säuglingsalter | Kuhmilch , seltener Soja, Reis, Getreide, Fleisch und Gemüse | |
Allergische Kontaktdermatitis | Gewürze, Obst, Gemüse | |
Heiner-Syndrom | Kuhmilch |
Häufig finden sich Mischformen der Krankheitsbilder!
Nahrungsmittelproteininduzierte Proktokolitis im Säuglingsalter
Epidemiologie [1][4][5]
- Manifestationsalter: Typischerweise in den ersten Lebensmonaten
Ätiologie
- Typ-IV-Reaktion auf Kuhmilch oder seltener Soja, Reis, Getreide, Fleisch und Gemüse in Formulanahrung oder Muttermilch
Klinik
- Blutig-schleimige Stühle
- Guter Allgemeinzustand, selten kolikartige Bauchschmerzen
- Keine Dystrophie
Diagnostik
- Orale Provokation: Nach Eliminationsdiät
- Sonografie: Verdickung des Kolons
- Labor: Ggf. hypochrome, mikrozytäre Anämie
- In Ausnahmefällen Endoskopie: Lymphonoduläre Hyperplasie mit ödematöser, ggf. sezernierender Mukosa
Therapie
- Strenge Expositionskarenz
- Meiden entsprechender Nahrungsmittel durch die Stillende bei voll gestillten Kindern
- Ersatz der Mutter- oder Folgemilch durch extensiv hydrolysierte Formelnahrung (eHF) oder Aminosäureformelnahrung (AAF) bei Kindern
- die voll gestillt werden, aber eine Karenz der Stillenden nicht zur Symptombesserung führt
- die mit Formulanahrung ernährt werden
- mit multiplen Nahrungsmittelallergien
- Ernährungsberatung
FPIES (Food Protein Induced Enterocolitis Syndrome)
Ätiologie [4][5][10][11]
- Typ-IV-Reaktion, insb. auf Kuhmilch, Soja, Reis, Hafer, Fleisch
Klinik
- Leitsymptom: Rezidivierendes Erbrechen 1–4 h nach dem Essen
-
Fakultativ
- Lethargie und Blässe
- Diarrhö 5–10 h nach dem Essen
- Hypotension und Hypothermie bis zum Schock
- Verlauf
- Akut fulminant
- Chronisch rezidivierend
- Intermittierend Erbrechen und Diarrhö ohne ersichtlichen Zusammenhang mit den Mahlzeiten
- In der Folge: Gedeihstörung, Dehydratation
Diagnostik
- Labor
- Thrombozytose und/oder Leukozytose mit Neutrophilie
- Im Verlauf ggf. Azidose, Elektrolytentgleisung, Methämoglobinämie
- Typischerweise kein Nachweis spezifischer IgE-Antikörper
-
Eliminationsdiät
- Unter Karenz des verdächtigten Nahrungsmittels: Besserung innerhalb weniger Tage
- Bei Reexposition: Wiederauftreten bzw. Verschlechterung
- Oraler Provokationstest: Nur bei unklarer Diagnose oder zur Reevaluation im Verlauf
Die Diagnose kann ausschließlich klinisch gestellt werden und ist potenziell lebensbedrohlich!
Therapie
- Strenge Expositionskarenz
- Ernährungsberatung
- Verordnung eines Notfallsets und Ausstellen eines Notfallpasses
- Symptomatische Therapie [11]
- Monitoring von Vitalparametern und Elektrolythaushalt
- Flüssigkeitssubstitution mit NaCl 0,9% i.v.
- Prednisolon i.v.
- Ggf. Ondansetron i.v. (Off-Label!)
Prognose
- I.d.R. Toleranzentwicklung [12]
Eosinophile Ösophagitis und Gastroenteropathie
Eosinophile Ösophagitis [1][4]
Epidemiologie
- Prävalenz: 1–4:10.000
- Manifestationsalter: In jedem Alter möglich, Altersgipfel 20.–40. Lebensjahr
- Geschlecht: ♂ > ♀ (3:1)
Ätiologie
- Genaue Pathogenese unklar
- Wahrscheinlich kombinierte Typ-I- und Typ-IV-Reaktion, insb. auf Kuhmilch, Soja, Hühnerei, Erdnuss, Weizen
- Häufig Assoziation mit allergischem Asthma bronchiale und/oder Rhinoconjunctivitis allergica
Klinik
- Bei Säuglingen und Kleinkindern
- Rezidivierende Bauchschmerzen
- Erbrechen
- Irritabilität
- I.d.R. guter Allgemeinzustand
- Bei älteren Kindern und Erwachsenen häufig zusätzlich
- Übelkeit
- Regurgitation
- Dysphagie
- Retrosternales Brennen
- Bei chronischem Verlauf: Strikturen und Stenosen
Diagnostik
- Identifikation des Auslösers schwierig, da Symptomatik i.d.R. nicht im zeitlichen Zusammenhang
- Ösophagogastroskopie inkl. Biopsien
- Ösophagitis-Zeichen
- Ringförmige Schleimhautdefekte („Baumringaspekt“)
- Leicht blutende Mukosa („Krepppapier-Mukosa“)
- Histologisch eosinophile Granulozyten
- Kontrollendoskopie nach 6- bis 8-wöchiger PPI-Therapie: Keine Besserung
- Ösophagitis-Zeichen
- 24-Stunden-pH-Metrie
- Labor: Geringer Stellenwert
- Eosinophilie (ca. 50%)
- Erhöhung des Gesamt-IgE (ca. 70%)
- Diagnosekriterien
- Typische Klinik
- Histologisch eosinophile Granulozyten ≥15/HPF
- Ausschluss von Differenzialdiagnosen, insb. Reflux-Ösophagitis
Therapie
- Strenge Expositionskarenz
- Ernährungsberatung
- Symptomatische Therapie [1]
- Topische Glucocorticoide, bspw. Budesonid als Schmelztablette
- Montelukast p.o. (Off-Label Use)
- Ggf. Glucocorticoide p.o. (Off-Label Use)
- Ggf. endoskopische Dilatation (bei Strikturen)
- In Studien: Therapieversuch mit Anti-IL5-Antikörpern
Prognose
- Chronische Erkrankung, selten Spontanremission
- Ohne Expositionskarenz und antiinflammatorische Therapie häufig persistierende oder intermittierende Symptome mit Strikturen im Verlauf
- I.d.R. normale Lebenserwartung
Eosinophile Gastroenteropathie[1]
Epidemiologie
- Manifestationsalter: Meist Jugendliche und Erwachsene
Ätiologie
- Genaue Pathogenese unklar
- Wahrscheinlich kombinierte Typ-I- und Typ-IV-Reaktion gegen bestimmte Nahrungsmittel
- Häufig Assoziation mit allergischem Asthma bronchiale und/oder Rhinoconjunctivitis allergica
Klinik
- Nach Befallslokalisation
- Mukosal
- Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, häufig selbstlimitierend
- Durchfall, okkultes Blut
- Im Verlauf
- Muskulär
- Magenentleerungsstörung (Pylorusstenose)
- Intestinale Obstruktion mit kolikartigen Bauchschmerzen
- Serös: Aszites
- Mukosal
Diagnostik
- Identifikation des Auslösers schwierig, da Symptomatik oft nicht im zeitlichen Zusammenhang
- Endoskopie mit tiefen Biopsien aus unterschiedlichen Regionen, insb. Magen und Duodenum
- Uncharakteristischer, meist fokaler Befund
- Erythem, weiße Mukosaplaques, Erosionen, Ulzerationen, Faltenverdickung
- Schleimhautempfindlichkeit
- Lymphatische Hyperplasie
- Weitere mögliche Befunde: Eosinophilie im Blut in 20–80%, ggf. Serum-IgE↑
Differenzialdiagnose
- Bei zusätzlich Asthma bronchiale, Vaskulitis oder eosinophiler Myokarditis: Churg-Strauss-Syndrom → Rasche Immunsuppression erforderlich!
Therapie [1]
- Strenge Expositionskarenz: Häufig Besserung innerhalb von 2 Wochen
- Bei ausbleibender Besserung: Symptomatische Therapie
- Bei mukosalem Befallsmuster und Beschwerden: Cromoglicinsäure
- Bei Stenosen, Blutungen und anderen Komplikationen
- Immunsuppression mit Glucocorticoiden erwägen: Bspw. Prednisolon
- Insb. bei Blutungen PPI als Basismedikation zur Säurehemmung: Bspw. Pantoprazol
- Weitere
- Montelukast p.o.
- Ketotifen p.o.
Prognose
- Häufig Vollremission
- Chronisch-rezidivierende Verläufe mit schlechter Abheilungstendenz und hoher Komplikationsneigung möglich
Weizenabhängige anstrengungsinduzierte Anaphylaxie
Definition [5]
- Anaphylaktische Typ-I-Reaktion nach Verzehr von Weizen in Kombination mit körperlicher Belastung und ggf. weiteren Triggerfaktoren
- Form der Summationsanaphylaxie: Anaphylaxieform, bei der nur Symptome auftreten, wenn eine Kombination verschiedener Triggerfaktoren mit bestimmten, generell gut tolerierten Nahrungsmittelallergenen zusammentrifft
Die weizenabhängige anstrengungsinduzierte Anaphylaxie ist eine Summationsanaphylaxie!
Ätiologie
- Genauer Pathomechanismus unklar
- Hypothesen
- Körperliche Belastung → Unspezifische Mastzell-Aktivierung → Erhöhte Sensitivität der Mastzelle gegenüber IgE-vermittelter Reaktion
- Körperliche Belastung → Passagere Darmbarrierestörung → Erhöhter Kontakt der mukosalen Immunzellen mit Nahrungsmittelallergenen
Klinik
- Insb. gastrointestinale Symptomatik
- Übelkeit, Erbrechen, Reflux
- Bauchschmerzen, Meteorismus, Diarrhö
- Weitere Allergiesymptomatik
Diagnostik [13]
- Goldstandard zur Diagnosesicherung: Orale Provokation und anschließende Belastung auf dem Fahrradergometer
- Molekulare Diagnostik: IgE-Antikörpernachweis gegen Omega-5-Gliadin
- Häufig nicht wegweisend aufgrund niedriger Sensitivität und Spezifität
- Pricktest
- Spezifische IgE-Antikörper gegen Allergenextrakte
Therapie [13]
- Expositionskarenz weizenhaltiger Nahrungsmittel bis zu 6 h vor körperlicher Aktivität und/oder Alkoholgenuss/NSAR-Einnahme
- Ernährungsberatung
- Verordnung eines Notfallsets und Ausstellen eines Notfallpasses
- Symptomatische Therapie: Siehe Behandlungsschema bei Anaphylaxie
Prävention
Patienteninformationen
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2023
- K52.-: Sonstige nichtinfektiöse Gastroenteritis und Kolitis
- K52.2: Allergische und alimentäre Gastroenteritis und Kolitis
- Gastroenteritis oder Kolitis durch Nahrungsmittelallergie
- K52.2: Allergische und alimentäre Gastroenteritis und Kolitis
- L23.-: Allergische Kontaktdermatitis
- L23.6: Allergische Kontaktdermatitis durch Nahrungsmittel bei Hautkontakt
- Exklusive: Dermatitis durch aufgenommene Nahrungsmittel (L27.2)
- L27.-: Dermatitis durch oral, enteral oder parenteral aufgenommene Substanzen
- L27.2: Dermatitis durch aufgenommene Nahrungsmittel
- Exklusive: Dermatitis durch Nahrungsmittel bei Hautkontakt (L23.6, L24.6, L25.4)
- T78.-: Unerwünschte Nebenwirkungen, anderenorts nicht klassifiziert
- T78.0: Anaphylaktischer Schock durch Nahrungsmittelunverträglichkeit
- T78.1: Sonstige Nahrungsmittelunverträglichkeit, anderenorts nicht klassifiziert
- Exklusive: Bakteriell bedingte Lebensmittelvergiftungen (A05.‑), Dermatitis durch aufgenommene Nahrungsmittel (L27.2), Dermatitis durch Nahrungsmittel bei Hautkontakt (L23.6, L24.6, L25.4)
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.