Abstract
Hirntumoren können wie alle Tumoren histologisch gut- oder bösartig sein. Bösartige Tumoren sind durch Infiltration von hirneigenem Gewebe rasch lebenslimitierend, aber auch gutartige Tumoren gehen nicht selten mit einer schlechten Lebenserwartung einher, da das Hirngewebe in seiner vorgegebenen Knochenschutzhülle (dem Schädel) dem Tumorwachstum nicht ausweichen kann. Folglich sind lebenslimitierende Einklemmungen aufgrund einer Erhöhung des Hirndrucks möglich. Erstsymptome stellen in der Regel diffuse Kopfschmerzen oder epileptische Anfälle dar. Die Lokalisation des Hirntumors bestimmt die klinischen Symptome; so können beispielsweise Tumoren des Frontalhirns durch psychische Veränderungen im Sinne einer vermehrten Reizbarkeit oder auffälliger Gedächtnisschwäche symptomatisch werden. Störungen des Bewusstseins und neurologische Ausfälle sind Spätsymptome oder Zeichen eines schnellen Tumorwachstums. Die Verdachtsdiagnose wird durch eine MRT bestätigt. Bei unklaren Befunden werden die Raumforderungen zunächst im Verlauf kontrolliert, Heilung verspricht jedoch nur die vollständige Entfernung des Tumors. Postoperativ kann mittels histologischer Differenzierung des Tumors in WHO-Grad I–IV eine grobe Prognose abgeschätzt werden. Ist der Tumor bösartig, folgt oftmals eine Bestrahlung u./o. Chemotherapie.
Epidemiologie
- Zweithäufigste maligne Tumorerkrankung des Kindesalters (ca. 20% der kindlichen Krebserkrankungen)
- Lokalisation: Zumeist intrakraniell (ca. 45% supratentoriell, ca. 52% infratentoriell), selten intraspinal (ca. 3%)
- Ca. 2% der Krebserkrankungen im Erwachsenenalter
- Lokalisation: Meist supratentoriell
Allgemeine Symptome von Hirntumoren
- Diffuse Kopfschmerzen
- Epileptische Anfälle
- Wesensänderung
- Fokal-neurologische Ausfälle (Paresen, Aphasie)
- Siehe auch: Hirndruckzeichen (Nüchternerbrechen, Vigilanzstörungen etc.)
Allgemeine radiologische Zeichen eines malignen Hirntumors
Bei klinischem Verdacht auf einen Hirntumor wird in erster Linie eine MRT mit oder ohne Kontrastmittel durchgeführt. Die folgenden radiologischen Zeichen sprechen für ein malignes Geschehen:
- Starke, inhomogene KM-Aufnahme (durch gesteigerte Vaskularisation)
- Nekrotische Areale innerhalb des Tumors
- Gefäßinfiltration
- Unregelmäßige Begrenzung
-
Infiltration der Liquorräume → Konsekutive Liquorzirkulationsstörung mit Hydrozephalus möglich
Klassifikation und WHO-Einteilung von Hirntumoren
Hirntumoren werden gemäß der „WHO-Klassifikation der Tumoren des zentralen Nervensystems“ eingeteilt. Dabei wird für jeden Hirntumor die passende Klassifikation und die passende Gradeinteilung (WHO-Grad) vergeben.
- WHO-Klassifikation für Hirntumoren
- Bezeichnet den Tumortyp ausgehend von der Tumorhistologie (d.h. vorliegendes Wachstumsmuster/Gewebsarchitektur, vorkommende Zelltypen)
- Berücksichtigt seit 2016 auch definierte genetische Abweichungen im Tumorgewebe (sog. molekulare Biomarker wie bspw. die IDH-Mutation)
- Beispiel: „Anaplastisches Astrozytom, IDH-mutiert“
- WHO-Gradeinteilung für Hirntumoren (WHO-Grad I–IV)
- Jeder klassifizierte Tumor hat seinen zugehörigen WHO-Grad, z.B. „Anaplastisches Astrozytom, IDH-mutiert (WHO-Grad III)“
- Der WHO-Grad basiert auf histologischen Malignitätskriterien (z.B. Zellkernatypien, mitotische Aktivität, invasiv-destruierendes Wachstum, Nekrosen)
- Ist eines von mehreren Kriterien, die Auskunft über die prognostizierte Überlebenszeit des Patienten geben
Einteilung gemäß WHO-Klassifikation
Aus Übersichtsgründen wird hier nur eine Auswahl der häufigsten Entitäten dargestellt.
- Gliome (Neuroepitheliale Tumoren)
- Astrozytäre Tumoren
- Astrozytom Grad I–III
- Glioblastom (Astrozytom Grad IV: Häufigster maligner hirneigener Tumor)
- Oligodendrogliale Tumoren
- Ependymale Tumoren
- Astrozytäre Tumoren
- Embryonale Tumoren
- Meningeom: Zweithäufigster hirneigener Tumor
- Neurinom (hauptsächlich Akustikusneurinom)
- Hypophysenadenom
- Kraniopharyngeom
- Hirnmetastase
WHO-Grade der häufigsten Hirntumoren
WHO-Grad | Prognose bei Therapie | Häufigste hirneigene Tumoren |
---|---|---|
I |
| |
II |
| |
III |
| |
IV |
|
|
Differenzialdiagnose Hirntumor
- Hinweis: Astrozytom (inklusive Glioblastom) und Oligodendrogliom sowie Meningeom und Neurinom werden in eigenen Kapiteln behandelt.
Medulloblastom | Ependymom | Kraniopharyngeom | Hirnmetastase | |
---|---|---|---|---|
Kurzbeschreibung |
|
|
|
|
Alter |
|
|
|
|
Lokalisation |
|
|
|
|
Symptome |
|
|
| |
MRT/CT |
|
|
|
|
Additive Diagnostik |
|
|
|
|
Therapie |
|
|
|
|
WHO-Grad |
|
|
| |
Prognose |
|
|
|
|
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2023
- C70.-: Bösartige Neubildung der Meningen
- C70.0: Hirnhäute
- C70.1: Rückenmarkshäute
- C70.9: Meningen, nicht näher bezeichnet
- C71.-: Bösartige Neubildung des Gehirns
- Exklusive: Hirnnerven (C72.2–C72.5), Retrobulbäres Gewebe (C69.6)
- C71.0: Zerebrum, ausgenommen Hirnlappen und Ventrikel
- Supratentoriell o.n.A.
- C71.1: Frontallappen
- C71.2: Temporallappen
- C71.3 Parietallappen
- C71.4: Okzipitallappen
- C71.5: Hirnventrikel
- Exklusive: IV. Ventrikel (C71.7)
- C71.6: Zerebellum
- C71.7: Hirnstamm
- Infratentoriell o.n.A.
- IV. Ventrikel
- C71.8: Gehirn, mehrere Teilbereiche überlappend
- C71.9: Gehirn, nicht näher bezeichnet
- C72.-: Bösartige Neubildung des Rückenmarkes, der Hirnnerven und anderer Teile des Zentralnervensystems
- Exklusive: Meningen (C70.‑), Periphere Nerven und autonomes Nervensystem (C47.‑)
- C72.0: Rückenmark
- C72.1: Cauda equina
- C72.2: Nn. olfactorii [I. Hirnnerv]
- C72.3: N. opticus [II. Hirnnerv]
- C72.4: N. vestibulocochlearis [VIII. Hirnnerv]
- C72.5: Sonstige und nicht näher bezeichnete Hirnnerven
- Hirnnerven o.n.A.
- C72.8: Gehirn und andere Teile des Zentralnervensystems, mehrere Teilbereiche überlappend
- C72.9: Zentralnervensystem, nicht näher bezeichnet
- Nervensystem o.n.A.
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.