- Klinik
HIV (Humanes Immundefizienz-Virus)
Abstract
Die Infektion mit dem humanen Immundefizienz-Virus (HIV) führt zu einer Immunschwäche, die ein komplexes Krankheitsbild zur Folge hat. Das HI-Virus wird sexuell, parenteral oder vertikal (peripartal von der Mutter auf das Kind) übertragen und befällt bevorzugt die T-Helferzellen. Dadurch wird eine zentrale Schaltstelle der zellulären Immunabwehr außer Kraft gesetzt, wodurch es zu einer generalisierten Immunschwäche kommt. Klinisch unterscheidet man drei Stadien.
Zum Stadium A werden die grippeähnliche, akute HIV-Infektion (3 - 8 Wochen nach Infektion), die generalisierten Lymphknotenschwellungen und die Latenzphase, bei der die Infizierten über Jahre symptomlos bleiben können, gezählt.
Im Stadium B sind vermehrt Infektionen zu erwarten, die als nicht-AIDS-definierend klassifiziert werden: äußere Candidose, orale Haarleukoplakie, chronische Durchfälle, Herpes Zoster und viele weitere.
Stadium C wird auch als AIDS (acquired immunodeficiency syndrome) bezeichnet und ist durch den Ausbruch von AIDS-definierenden Erkrankungen gekennzeichnet. Diese Erkrankungen sind entweder direkt vom HI-Virus ausgelöst oder es handelt sich um opportunistische Infektionen, an denen Immunkompetente in der Regel nicht erkranken: Parasitär (z.B. ZNS-Toxoplasmose), mykotisch (z.B. systemische Candidose), bakteriell (z.B. atypische Mykobakteriose) und viral (progressive multifokale Leukoenzephalopathie). Zudem gibt es zahlreiche Malignome, die aufgrund der Immunschwäche bevorzugt entstehen und ebenfalls als AIDS-definierend gelten, wie z.B. primäre ZNS-Lymphome, Burkitt-Lymphome und Kaposi-Sarkome.
Diagnostisch geben die CD-4-Zahl und die Viruslast Hinweise auf das vorliegende Stadium, die Infektiosität und Prognose. Zur Behandlung einer Infektion wird eine Kombinationstherapie aus mindestens drei Virostatika eingesetzt, was als cART-Schema bezeichnet wird (combined Anti-Retroviral Therapy). Durch die flächendeckende Anwendung von cART haben Patienten mit hoher Compliance inzwischen eine ähnliche Lebenserwartung wie die Allgemeinbevölkerung.
Epidemiologie
- Epidemiologische Schätzungen der WHO (2014) und des Robert Koch-Instituts (2010) zur weltweiten Bedeutung der HIV-Erkrankung
- In Deutschland sind ca. 80.000 Personen mit dem HI-Virus infiziert
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
Erreger [1]
- Humanes Immundefizienz-Virus (HIV-1 und HIV-2)
- Lymphotrope Lentiviren aus der Familie der Retroviridae
- Erregerreservoir: Mensch als einziges Reservoir
Infektionswege [1][2]
Horizontal
- Sexuell (häufigster Übertragungsweg)
- Ungeschützter Analverkehr: Übertragungsrisiko ca. 1%
- Übertragungsrisiko für den rezeptiven Sexualpartner ist höher als für den insertiven (1,43% vs. 0,62%)
- Ungeschützter Vaginalverkehr: Übertragungsrisiko ca. 0,1%
- Übertragungsrisiko höher für Frauen als für Männer
- Ungeschützer Oralverkehr
- Sehr geringes Übertragungsrisiko
- Koinfektionen (bspw. Genitalherpes, HPV-Infektionen, Syphilis, Gonorrhö) erhöhen das Infektionsrisiko
- Bei Männern senkt eine Zirkumzision das Infektionsrisiko
- Ungeschützter Analverkehr: Übertragungsrisiko ca. 1%
- Parenteral [2]
- Gemeinsame Verwendung von Injektionsnadeln: Übertragungsrisiko ca. 0,3%
- Kontaminierte Bluttransfusionen
- Nadelstichverletzungen: Übertragungsrisiko durch eine perkutane Verletzung bei gesichert positivem Indexfall ca. 0,3%
Das Übertragungsrisiko für HIV ist bei ungeschütztem rezeptivem Analverkehr am größten. Dabei spielt weder die sexuelle Orientierung noch das Geschlecht des rezeptiven Partners eine direkte Rolle!
Vertikal
- Übertragung einer Infektionskrankheit von einem Individuum auf sein Kind
- Während der Schwangerschaft (pränatal)
- Unter der Geburt (perinatal)
- Nach der Geburt durch Stillen (postnatal)
- Übertragungsrisiko
- Ohne Prophylaxe: 20–25% [2]
- Bei korrektem Einsatz aller Möglichkeiten (bspw. kein Stillen, Postexpositionseprophylaxe für das Neugeborene): <1% [1]
Kein Infektionsrisiko
- Bei sozialen Kontakten (bspw. gemeinsame Nutzung von Geschirr oder sanitären Anlagen)
- Durch Speichel, Tränenflüssigkeit, Tröpfcheninfektion, Insektenstiche, Nahrungsmittel oder Trinkwasser
- Bei Kontakt von virushaltigen Körperflüssigkeiten mit intakter Haut
Infektiosität [1]
- Lebenslange Infektiosität mit zwei Gipfeln: Höchste Infektiosität in den ersten Monaten nach Infektion und im AIDS-Stadium
- Infektiosität korreliert mit Viruslast im Blut und anderen Körpersekreten
- Anstieg der Viruslast mit konsekutiver Infektiosität auch unter erfolgreicher Therapie möglich
- Vorsichtsmaßnahmen (insb. Kondomgebrauch) weiterhin indiziert
- Superinfektion mit einer anderen HI-Virusvariante bei bestehender HIV-Infektion ohne effektive antiretrovirale Therapie möglich
Wird eine HIV-Infektion konsequent therapiert und liegt die Viruslast konstant unter der Nachweisgrenze, kann das Übertragungsrisiko deutlich gesenkt werden! Ein Kondom sollte trotzdem immer benutzt werden!
Pathophysiologie
- Befall und Zerstörung der CD4-positiven Immunzellen: Das HI-Virus befällt alle Zellen des menschlichen Körpers, die das Oberflächenantigen CD4 tragen. Dabei werden vor allem die T-Helferzellen (CD4-positiv) und die CD4-positiven-monozytären Zellen (Makrophagen, Monozyten, dendritische Zellen (bspw. Langerhans-Zellen), etc.) befallen und im Verlauf zerstört.
- Immunschwäche mit der Gefahr schwerer opportunistischer Infektionen
Symptome/Klinik
Verlauf
- Inkubationszeit: 1 - 3 Monate
- Verlauf
- Infektiosität: 2 Gipfel → Die Infektiosität ist in den ersten Monaten nach Infektion und im AIDS-Stadium am höchsten
Klinische Stadien
HIV Stadium A
- Akute HIV-Erkrankung: Grippeähnliche Symptome innerhalb der ersten 2 Monate nach Infektion (DD: Grippe, infektiöse Mononukleose)
- Latenzphase: Asymptomatischer Verlauf mit langsam progredientem Leistungsabfall über Monate bis Jahre
- Lymphadenopathie-Syndrom: Generalisierte Lymphknotenschwellung (mehr als zwei extrainguinale Lymphknotenstationen) für mehr als drei Monate
HIV Stadium B: Nicht-AIDS-definierende Erkrankungen
- Chronisch subfebrile Temperaturen
- Auffälligkeiten im Blutbild: Anämie, Neutropenie, HIV-assoziierte Thrombozytopenie
- Durchfälle
- Äußere Candidose: Mundsoor
- Orale Haarleukoplakie: Nicht-abstreifbare Beläge vor allem an den seitlichen Zungenrändern (Auslöser: Epstein-Barr-Virus)
- Herpes Zoster
- Weitere nicht-AIDS-definierende Erkrankungen
- Disseminierter Befall mit Molluscum contagiosum
- Symptomatische Listeriose
- Periphere Polyneuropathie (durch das HI-Virus)
Der Befall der Speiseröhre gilt nicht als äußere Candidose und somit nicht als HIV-Stadium B! Der Nachweis in der Speiseröhre muss als HIV Stadium C (AIDS) gewertet werden.
HIV Stadium C: AIDS-definierende Erkrankungen (AIDS)
- → siehe Komplikationen: AIDS
Stadien
CDC-Stadien (Centers for Disease Control and Prevention)
Die CDC-Stadien berücksichtigen die klinischen Stadien einer HIV-Erkrankung (A, B, C) in Verbindung mit der Anzahl an T-Helferzellen (CD-4-Zahl). Die Stadien geben einen guten prognostischen Überblick über den Verlauf der Erkrankung.
CD-4-Zahl pro μl | HIV Stadium A | HIV Stadium B | HIV Stadium C (AIDS) |
---|---|---|---|
≥500 | A1 | B1 | C1 |
200 - 499 | A2 | B2 | C2 |
<200 | A3 | B3 | C3 |
Diagnostik
HIV-Test
- Such- bzw. Screening-Test mittels ELISA (HIV-Antikörper-Suchtest)
- Um möglichst alle Erkrankten zu erfassen, ist eine hohe Sensitivität erforderlich. Diese liegt beim ELISA-Test bei >99%.
- Zwar besitzt der Test auch eine nahezu genauso hohe Spezifität, allerdings sind falsch-positive Ergebnisse trotzdem möglich, so dass immer ein Bestätigungs-Test erfolgen muss!
-
Bestätigungs-Test mittels Western-Blot (HIV-Antikörper-Nachweis)
- Um möglichst alle falsch-positiven Ergebnisse des Suchtests zu erkennen, ist eine hohe Spezifität erforderlich. Diese liegt in Kombination mit dem vorherigen ELISA-Test bei praktisch 100%.
- Ein falsches Ergebnis aufgrund einer Probenverwechslung verbleibt als wahrscheinlichste Fehlerquelle, weshalb eine 2. Blutentnahme zur endgültigen Sicherung empfohlen wird!
Relevante Laborparameter
- Blutbild: Ggf. Lymphozytopenie
- CD-4-Zahl (CD-4-Count): Anzahl der T-Helferzellen → Eine erniedrigte CD-4-Zahl ist ein indirekter Hinweis auf eine HIV-Infektion
- Verfahren: Durchflusszytometrie nach Antikörpermarkierung
- Bedeutung: Verlaufsparameter, diagnostisches Kriterium für die CDC-Stadieneinteilung
- Bei CD4-Werten von <200/μl besteht ein hohes Risiko für lebensbedrohliche opportunistische Infektionen, so dass eine medikamentöse Prophylaxe indiziert ist
- Viruslast
- Verfahren: HIV-RNA-Bestimmung durch PCR
- Bedeutung: Ziel ist die Senkung der Viruslast unter die Nachweisgrenze
- Viruslast zur Einschätzung des Immunstatus: Bei mäßig erniedrigten CD4-Werten von 350-500/μl sollte die Viruslast zur Einschätzung des Immunstatus mit herangezogen werden; bei hoher Viruslast sollte frühzeitig mit einer antiretroviralen Therapie begonnen werden
- Die Viruslast dient als Verlaufsparameter und als Indikator für einen Therapieerfolg
- Leberenzyme: Kein primärer Befall durch das HI-Virus
Therapie
Antiretrovirale HIV-Therapie
Nach den Leitlinien zur antiretroviralen Therapie der HIV-Infektion sollte eine Behandlung stets als Kombinationstherapie durchgeführt werden. Die HIV-Therapie wurde bisher als "HAART" (Highly active antiretroviral therapy) bezeichnet. Aktuell wird "HAART" durch den Begriff "cART" (combined Anti-Retroviral Therapy) abgelöst, da dieser die Bedeutung der Kombination von Wirkstoffen treffender ausdrückt.
- Indikation
- Symptomatische HIV-Infektion
- Asymptomatische HIV-Infektion
- CD-4-Helferzellzahl <350/μl
- CD-4-Helferzellzahl zwischen 350 und 500/μl
- Bei Vorliegen von Zusatzkriterien sollte eine Therapie erfolgen
- Keine Zusatzkriterien: Einzelfallentscheidung
- Empfehlungen unterliegen einem regelmäßigen Wandel, in amerikanischen und europäischen Leitlinien wird bereits die Behandlung aller HIV-Infizierten unabhängig von der CD-4-Helferzellzahl empfohlen (→ siehe Links & Tipps)
- Durchführung: Um Resistenzen zu vermeiden, wird eine Kombination aus mind. 3 Substanzen empfohlen
- Nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NRTI): z.B. Zidovudin, Lamivudin, Emtricitabin, Abacavir
- Wirkungsweise: Fungieren als falsche DNA-Bausteine und unterbrechen die reverse Transkription durch das HI-Virus
- Nebenwirkungen
- Knochenmarksuppression: Neutropenie und Anämie
- Lipodystrophiesyndrom: Umverteilung des Fettgewebes (klinisch sehr variables Erscheinungsbild)
- Verlust des Unterhautfettgewebes (Lipoatrophie) an Gesicht und Extremitäten
- Metabolische Veränderungen: Gestörte Glukosetoleranz, Hyperlipoproteinämie (Triglyceride↑, Gesamtcholesterin↑, HDL↓)
- Eventuell Fettakkumulation in Leber, Muskulatur, Bauchraum, Brüsten oder Nacken (Stiernacken)
- Nicht-nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NNRTI): z.B. Nevirapin, Efavirenz
- Wirkungsweise: Binden nicht-kompetitiv an die Reverse-Transkriptase und verringern deutlich ihre Aktivität
- Nukleotidanaloga : z.B. Tenofovir
- Protease-Inhibitoren (PI): z.B. Indinavir, Ritonavir, Nelfinavir, Lopinavir
- Integrase-Inhibitoren (INI): z.B. Raltegravir, Dolutegravir
- Wirkungsweise: Die Integrase ist eines der Schlüsselenzyme im HIV-1-Replikationszyklus. Durch Inhibition der Integrase wird die Integration der viralen DNA in ihre Wirtszelle verhindert und die Virusvermehrung gehemmt
- Nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NRTI): z.B. Zidovudin, Lamivudin, Emtricitabin, Abacavir
- Therapieschema nach aktuellen Leitlinien
Bei Koinfektion mit Hepatitis B oder C sind hepatotoxische Substanzen (z.B. Nevirapin) kontraindiziert!
Die meisten NRTI enden auf "in", die meisten NNRTI haben in der Mitte die Silbe "-vir-" und die meisten Protease-Inhibitoren enden auf "-avir".
Überblick über Therapieoptionen und Prophylaxe opportunistischer Infektionen
Erkrankung | Therapie | Prophylaxe | |
---|---|---|---|
Zerebrale Toxoplasmose | Pyrimethamin + Sulfadiazin + Folinsäure | Cotrimoxazol | |
Pilze | Kryptokokkus-Meningitis | Amphotericin B + Flucytosin/Fluconazol | (Fluconazol) |
Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie | Cotrimoxazol (+ Pentamidin-Inhalation) | Cotrimoxazol | |
Systemische Candidose | z.B. Fluconazol o. Itraconazol | - | |
Bakterien | Tuberkulose | Tuberkulosetherapie | Ggf. Isoniazid |
Atypische Mykobakteriose | Clarithromycin + Ethambutol (+ Rifabutin) | (Azithromycin) | |
Salmonellen-Septikämie | Ciprofloxacin | - | |
Viren | HSV-Enzephalitis | Aciclovir | (Aciclovir) |
CMV-Infektion | Ganciclovir | Valganciclovir | |
JC-Virus-Infektion | Optimierung der antiretroviralen Therapie | - |
Generell ist eine adäquate HIV-Therapie (cART) entscheidend um das Risiko opportunistischer Infektion zu minimieren!
Komplikationen
HIV Stadium C: AIDS-definierende Erkrankungen (AIDS)
Neben dem Wasting-Syndrom sind Infektionen mit opportunistischen Erregern AIDS-definierend, die bei Immunkompetenten zu keinen Symptomen führen. Nicht selten ist eine opportunistische Infektion die Erstmanifestation einer nicht erkannten HIV-Erkrankung. Die Pneumocystis-jiroveci-Pneumonie ist dabei in Deutschland die häufigste opportunistische Infektion (70% der primären AIDS-Manifestationen).
- Wasting-Syndrom
- Ursache: HI-Virus, atypische Mykobakterien, Kryptosporidien und weitere opportunistische Keime
- Symptome: Chronische Durchfälle, Malabsorption durch chronische Entzündung des Darmes, ungewollte Gewichtsabnahme von mind. 10% des ursprünglichen Körpergewichts
- Weitere primär durch das HI-Virus ausgelöste Erkrankungen
-
HIV-Enzephalopathie: Vigilanz- und Kognitionsbeeinträchtigungen (bis hin zur Demenz), Störungen der Stand-, Gang- und Feinmotorik, Depressivität
- Histopathologie: Mehrkernige, durch Fusion HIV-infizierter Monozyten entstandene Riesenzellen
- HIV-Demenz
-
HIV-Enzephalopathie: Vigilanz- und Kognitionsbeeinträchtigungen (bis hin zur Demenz), Störungen der Stand-, Gang- und Feinmotorik, Depressivität
Parasitäre und mykotische Infektionen
Zerebrale Toxoplasmose
- Epidemiologie: Häufigste neurologische Manifestation einer AIDS-Erkrankung
- Klinik
- Fokal-neurologische Symptome: Hemiparesen, Sensibilitätsstörungen, Aphasie, Ataxie, epileptische Anfälle
- Kopfschmerzen
- Vigilanzminderung und Wesensveränderung
- Diagnostik
- Nativ-cCT: Mehrere Nekrosen im Marklager
- Kontrastmittel-cCT: Läsionen mit typischem Kontrastmittel-anreicherndem Rand und unregelmäßiger Wanddicke ("asymmetric target sign")
- Serologie: Aufgrund der Immunsuppression können die Toxoplasmose-Antikörper trotz Infektion negativ ausfallen
- Pathologie
- Intrazelluläre Pseudozysten mit Toxoplasmose-Bradyzoiten und -Tachyzoiten in chronisch entzündetem oder nekrotischem Gliagewebe
- Therapie: Pyrimethamin + Sulfadiazin + Folinsäure
- Prophylaxe
- Adäquate HIV-Therapie (cART)
- Cotrimoxazol
Kryptokokkose (Kryptokokkus-Meningitis)
- Erreger: Cryptococcus neoformans (Hefepilz)
- Klinik
- Basale Meningitis, ähnlich einer tuberkulösen Meningitis
- Lungenbefall: Pneumonie
- Diagnostik
- Liquor: Leichte Eiweißerhöhung, leichte Zellzahlerhöhung mit vermehrten Lymphozyten
- Liquor und Blut: Erregernachweis (Kryptokokken besitzen eine Kapsel, die sich im Tuschepräparat nachweisen lässt), Kryptokokkus-Antigennachweis
- Therapie: Amphotericin B + Flucytosin/Fluconazol
Weitere
Die Pneumocystis-jiroveci-Pneumonie ist in Deutschland die häufigste opportunistische Infektion! Sie tritt vorwiegend bei HIV-Patienten mit fortgeschrittenem Immundefekt (CD4-Zellen <200/μl) auf!
- Candidose innerer Organe, insbesondere Speiseröhre, Trachea
- Weitere Parasiten: Kryptosporidiose (Cryptosporidium spec.) und Isospora belli sind zwei von zahlreichen Erregern
- Infektionsweg: In der Regel fäkal-oral durch verunreinigtes Trinkwasser
- Klinik: Chronische, wässrige Durchfälle
Bakterielle Infektionen
- Tuberkulose
- Atypische Mykobakteriose → Meist erst ab CD4-Zahl <50/μl
- Rezidivierende Salmonellen-Septikämien
Virale Infektionen
Herpes-Virus-Infektionen
- HSV-Enzephalitis
-
Zytomegalievirus
- Manifestation
- CMV-Retinitis: Visusverschlechterung bis zur Erblindung
- CMV-Pneumonie: Interstitielle Pneumonie
- CMV-Ösophagitis: Schluckbeschwerden, Blutungen
- CMV-Enzephalitis: Virale Meningoenzephalitis
- Therapie: Ganciclovir
- Manifestation
JC-Virus-Infektion
JC-Viren lösen das Krankheitsbild der progressiven multifokalen Leukoenzephalopathie (PML) aus
- Epidemiologie: Durchseuchung 50-90%
- Ätiologie: Die progressive multifokale Leukoenzephalopathie entsteht durch langanhaltende Suppression der zellulären Immunität (wie bspw. bei HIV )
- Klinik: Die Symptomatik ist abhängig von der Lokalisation der ZNS-Herde, wobei vielfältige motorische, sensorische und kognitive Störungen typisch sind
- Fokal-neurologische Symptome: Hemiparesen, Sensibilitätsstörungen, Aphasie, Ataxie
- Wesensveränderung
- Diagnostik
- Prognose: Hohe Letalität bei inadäquater antiretroviraler Therapie
- Therapie: Optimierung der antiretroviralen Therapie (zur Verbesserung des Immunstatus), evtl. Einsatz von Cidofovir
Malignome
Kaposi-Sarkom
- Definition: Maligner, multifokal auftretender, stark vaskularisierter Tumor, der in Zusammenhang mit einer Infektion des humanen Herpesvirus-8 (synonym Kaposi-Sarkom-Virus) auftritt
- Tumoreinteilung
- HIV-assoziiertes Kaposi-Sarkom
- Klassisches Kaposi Sarkom
- Endemisches Kaposi Sarkom
- Iatrogenes Kaposi Sarkom
- Klinik
- Diagnostik
- Hautbiopsie
- Röntgenaufnahme des Thorax, Sonographie des Abdomens und der Lymphknoten
- Therapie
- Therapie der Grunderkrankung(!)
- Symptomatische Therapie, keine kurative Therapie möglich
- Lokale Therapie: Chirurgische Exzision, Laser- oder Kryotherapie
- Systemische Therapie: Interferon-α-Therapie
- Prognose: Sehr variabler Verlauf
- Ohne Therapie ist beim HIV-assoziierten Kaposi-Sarkom ein meist rasch progredienter Verlauf zu erwarten
Weitere Malignome
- Non-Hodgkin-Lymphome: Insbesondere Burkitt-Lymphom und primäre ZNS-Lymphome
- Zervixkarzinom (HPV)
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Prognose
Die Prognose einer HIV-Infektion hängt wie kaum eine andere Erkrankung zum einen von der Verfügbarkeit von antiretroviralen Substanzen und zum anderen von der Compliance der Patienten ab. Seit der Einführung der antiretroviralen Therapie (HAART/cART) im Jahre 1992 gleicht sich die Lebenserwartung von HIV-Patienten in einigen Ländern immer weiter der der Normalbevölkerung an. Die Swiss HIV Cohort Study (1988 - jetzt) konnte z.B. zeigen, dass nur noch 9% der langjährigen HIV-Patienten an AIDS verstorben sind - im Vergleich dazu sind 24% an Karzinomen verstorben, die nicht in Verbindung mit HIV gebracht wurden.
Diese positiven Entwicklungen in vielen Ländern der Welt sind sehr zu begrüßen. Jedoch darf nicht vernachlässigt werden, dass es immer noch zahlreiche Länder gibt, die die antiretrovirale Therapie nicht ausreichend zur Verfügung stellen können. In diesen Nationen stellt HIV weiterhin ein nationales Risiko dar. Die "nackten" Zahlen (1,6 Mio. Menschen verstarben 2012 an AIDS) sind dabei nur die Spitze des Eisbergs, denn HIV lässt z.B. die Ausbreitung des Tuberkulose-Erregers weltweit steigen, das Versterben junger Eltern verstärkt die Armut und führt damit wiederum zu erhöhter Sterblichkeit etc.
Prävention
HIV-Postexpositionsprophylaxe
- Indikationen
- Verletzung mit oder genereller Gebrauch von HIV-kontaminierten Instrumenten bzw. Injektionsbestecken
- Benetzung offener Wunden und Schleimhäute mit HIV-kontaminierten Flüssigkeiten
- Ungeschützter Geschlechtsverkehr mit einer (vermutlich) HIV-infizierten Person
- Bei unbekanntem Serostatus der Indexperson: Wenn das Risiko der Indexperson für eine HIV-Infektion hoch ist, sollte die Postexpositionsprophylaxe nicht aufgrund des unbekannten Serostatus unnötig verzögert werden
- Medikamentöse Postexpositionsprophylaxe
- Beginn: Die HIV-PEP sollte so schnell wie möglich begonnen werden, bestenfalls Minuten bis Stunden nach Exposition
- Zeitraum: Die Gabe erfolgt i.d.R. über 28-30 Tage, dann sollten die Substanzen abgesetzt werden
- Substanzen: Ähnliche Therapieschemata wie bei cART
- Standard: Tenofovir + Emtricitabin + Raltegravir
- Effektivität: Vermutung durch Beobachtungsstudien, dass Transmissions-Wahrscheinlichkeit um > 90 Prozent reduziert werden kann
- Zum Ablauf nach Nadelstichverletzungen siehe: Vorgehen bei Nadelstichverletzung
Meldepflicht
Nach §7 IfSG ist der Nachweis von HIV-Erregern meldepflichtig. Der Nachweis ist nicht-namentlich zu melden.
Besondere Patientengruppen
HIV in der Schwangerschaft
Eine Übertragung von der Mutter auf das Kind ist präpartal theoretisch möglich, das größte Risiko besteht allerdings während der Geburt (perinatale vertikale Transmission). Das Risiko ist direkt abhängig von der Viruslast. Eine antiretrovirale Therapie (cART) wird während der gesamten Schwangerschaft empfohlen, zu bedenken ist jedoch, dass die meisten antiretroviralen Medikamente für die Anwendung in der Schwangerschaft nicht zugelassen sind und die begrenzten Erfahrungen bislang keine abschließende Nutzen-Risiko-Abschätzung gestatten.
Maßnahmen zur Risikoreduktion einer vertikalen Transmission
- Gleiche Behandlungsindikation wie für nichtschwangere Erwachsene (→ siehe HIV-Therapie) → Antiretrovirale Therapie richtet sich nach CD-4-Zahl
- Entbindungsart je nach Viruslast (VL)
- VL< 50 Kopien / ml: Vaginale Entbindung
- VL> 50 Kopien / ml: Elektive Sectio
- Zidovudin-haltige Postexpositionsprophylaxe für das Kind über 2-4 Wochen
- Stillen: Transmissionsrisiko 8 - 15%
- Stillen sollte in Ländern mit guter Ernährungslage und hygienisch einwandfreiem Zugang zu Baby-Nahrung (z.B. sauberem Trinkwasser) vermieden werden
- Diese Empfehlung wird nicht für Entwicklungsländer ausgesprochen, da Studien gezeigt haben, dass durch ein Stillverbot die Kinder gehäuft einem Nahrungsmangel unterliegen und die Prognose sich dadurch verschlechtert
- Stillen sollte in Ländern mit guter Ernährungslage und hygienisch einwandfreiem Zugang zu Baby-Nahrung (z.B. sauberem Trinkwasser) vermieden werden
Meldepflicht
Labormeldepflicht nach §7 IfSG: Nicht-namentliche Meldepflicht bei Erregernachweis
Klinischer Fall
Meditricks
In Kooperation mit Meditricks bieten wir dir Videos zum Einprägen relevanter Fakten an. Die Inhalte sind vielfach auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend. Viele Meditricks gibt es in Lang- und Kurzfassung zur schnelleren Wiederholung. Eine Übersicht über alle Videos findest du in dem Kapitel Meditricks.
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2019
HIV-Krankheit [Humane Immundefizienz-Viruskrankheit] (B20-B24)
- Inklusive: AIDS-related complex [ARC], Erworbenes Immundefektsyndrom [AIDS], Symptomatische HIV-Infektion
- Exklusive: Asymptomatische HIV-Infektion (Z21), Als Komplikation bei Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett (O98.7), Kontakt mit und Exposition gegenüber HIV (Z20.6), Laborhinweis auf HIV (R75)
- B20: Infektiöse und parasitäre Krankheiten infolge HIV-Krankheit [Humane Immundefizienz-Viruskrankheit]
- Exklusive: Akutes HIV-Infektionssyndrom (B23.0)
- B21: Bösartige Neubildungen infolge HIV-Krankheit [Humane Immundefizienz-Viruskrankheit]
- B22: Sonstige näher bezeichnete Krankheiten infolge HIV-Krankheit [Humane Immundefizienz-Viruskrankheit]
- Inklusive: Demenz, Enzephalopathie, Interstitielle lymphoide Pneumonie, Kachexie-Syndrom, Slim disease, Wasting-Syndrom
- B23.-: Sonstige Krankheitszustände infolge HIV-Krankheit [Humane Immundefizienz-Viruskrankheit]
- B23.0: Akutes HIV-Infektionssyndrom
- B23.8: Sonstige näher bezeichnete Krankheitszustände infolge HIV-Krankheit
- (Persistierende) generalisierte Lymphadenopathie
- B24: Nicht näher bezeichnete HIV-Krankheit [Humane Immundefizienz-Viruskrankheit]
Stadieneinteilung der HIV-Infektion (U60-U61)
- U60.-!: Klinische Kategorien der HIV-Krankheit
- U61.-!: Anzahl der T-Helferzellen bei HIV-Krankheit
- U61.1!: Kategorie 1
- 500 und mehr (CD4+‑)T-Helferzellen/Mikroliter Blut
- U61.2!: Kategorie 2
- 200 bis 499 (CD4+‑)T-Helferzellen/Mikroliter Blut
- U61.3!: Kategorie 3
- Weniger als 200 (CD4+‑)T-Helferzellen/Mikroliter Blut
- U61.9!: Anzahl der (CD4+‑)T-Helferzellen nicht näher bezeichnet
- U61.1!: Kategorie 1
Weitere HIV-assoziierte ICD-Codierungen
- U85!: Humanes Immundefizienz-Virus mit Resistenz gegen Virustatika oder Proteinaseinhibitoren
- Inklusive: HIV-1, HIV-2
- F02.-*: Demenz bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
- K13.-: Sonstige Krankheiten der Lippe und der Mundschleimhaut
- K13.3: Haarleukoplakie
- O98.-: Infektiöse und parasitäre Krankheiten der Mutter, die anderenorts klassifizierbar sind, die jedoch Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett komplizieren
- O98.7: HIV-Krankheit [Humane Immundefizienz-Viruskrankheit], die Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett kompliziert
- R75: Laborhinweis auf Humanes Immundefizienz-Virus [HIV]
- Inklusive: Nicht eindeutiger Befund des HIV-Tests beim Kleinkind
- Exklusive: Asymptomatische HIV-Infektion (Z21), HIV-Krankheit (B20-B24), HIV-Krankheit als Komplikation bei Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett (O98.7)
- Z11: Spezielle Verfahren zur Untersuchung auf infektiöse und parasitäre Krankheiten
- Inklusive: HIV [Humanes Immundefizienz-Virus] und andere Viruskrankheiten, Spezielle Verfahren zur Untersuchung auf: infektiöse Darmkrankheiten, Lungentuberkulose und andere bakterielle Krankheiten, Infektionen, die vorwiegend durch Geschlechtsverkehr übertragen werden, Protozoenkrankheiten und Helminthosen
- Z20.-: Kontakt mit und Exposition gegenüber übertragbaren Krankheiten
- Z21: Asymptomatische HIV-Infektion [Humane Immundefizienz-Virusinfektion]
- Inklusive: HIV-positiv o.n.A.
- Exklusive: HIV-Krankheit (B20-B24), HIV-Krankheit als Komplikation bei Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett (O98.7), Kontakt mit und Exposition gegenüber HIV (Z20.6), Laborhinweis auf HIV (R75)
- Z71: Personen, die das Gesundheitswesen zum Zwecke anderer Beratung oder ärztlicher Konsultation in Anspruch nehmen, anderenorts nicht klassifiziert
- Inklusive
- Beratung: in Bezug auf HIV [Humanes Immundefizienz-Virus], bei Konsanguinität, wegen Tabakmissbrauch
- Beratung und Überwachung wegen: Alkoholmissbrauch, Arzneimittel- oder Drogenmissbrauch
- Ernährungsberatung und -überwachung, Medizinische Beratung o.n.A., Konsultation zur Erläuterung von Untersuchungsbefunden, Person, die sich im Namen einer anderen Person beraten lässt, Person mit Furcht vor Krankheit, bei der keine Diagnose gestellt wird
- Exklusive
- Ärztliche Beobachtung und Beurteilung von Verdachtsfällen (Z03.‑), Beratung zur Kontrazeption oder Fertilisation (Z30-Z31), Besorgnis (normal) wegen einer kranken Person in der Familie (Z63), Sexualberatung (Z70)
- Rehabilitationsmaßnahmen bei: Alkoholismus (Z50.2), Arzneimittel- oder Drogenabhängigkeit (Z50.3), Tabakmissbrauch (Z50.8)
- Inklusive
C46.-: Kaposi-Sarkom [Sarcoma idiopathicum multiplex haemorrhagicum]
- C46.0: Kaposi-Sarkom der Haut
- C46.1: Kaposi-Sarkom des Weichteilgewebes
- C46.2: Kaposi-Sarkom des Gaumens
- C46.3: Kaposi-Sarkom der Lymphknoten
- C46.7: Kaposi-Sarkom sonstiger Lokalisationen
- C46.8: Kaposi-Sarkom mehrerer Organe
- C46.9: Kaposi-Sarkom, nicht näher bezeichnet
Opportunistische Infektionen
- B45.-: Kryptokokkose
- B45.0: Kryptokokkose der Lunge
- B45.1: Kryptokokkose des Gehirns
- Kryptokokkose der Hirnhäute und des Gehirns
- Meningitis durch Kryptokokkosen† (G02.1*)
- B45.2: Kryptokokkose der Haut
- B45.3: Kryptokokkose der Knochen
- B45.7: Disseminierte Kryptokokkose
- Generalisierte Kryptokokkose
- B45.8: Sonstige Formen der Kryptokokkose
- B45.9: Kryptokokkose, nicht näher bezeichnet
- A81.-: Atypische Virusinfektionen des Zentralnervensystems
- A81.2: Progressive multifokale Leukenzephalopathie
- Multifokale Leukenzephalopathie o.n.A.
- A81.2: Progressive multifokale Leukenzephalopathie
- B58.-: Toxoplasmose
- B58.2†: Meningoenzephalitis durch Toxoplasmen (G05.2*)
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2019, DIMDI.
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