Zugang zu fachgebietsübergreifendem Wissen – von > 70.000 Ärzt:innen genutzt

5 Tage kostenfrei testen
Von ärztlichem Redaktionsteam erstellt & geprüft. Disclaimer aufrufen.

Generalisierte Epilepsien im Kindesalter

Letzte Aktualisierung: 23.3.2023

Abstracttoggle arrow icon

Die hier aufgeführte Einteilung folgt der Klassifikation der ILAE. Generalisierte Epilepsien im Kindesalter sind demnach zunächst einzuteilen in idiopathische (also ohne fassbare Ursache) und symptomatische (mit fassbarer organischer Ursache). Die Prognose unter Behandlung ist für erstere gut, für zweitere schlechter, da sie weniger auf die medikamentöse Therapie ansprechen. Die verschiedenen Epilepsien haben bestimmte Charakteristika bezüglich des Manifestationszeitpunktes sowie der Symptomatik, nach denen sie weiterhin eingeteilt werden.

Die generalisierten Epilepsien des Kindesalters werden nach ihrem Erkrankungsbeginn, ihrer klinischen Präsentation, dem EEG während des Anfalls und ggf. nach ihrer Ursache in die verschiedenen Epilepsiesyndrome unterteilt. Je nachdem, ob eine fassbare Ursache für das Anfallsleiden vorliegt oder nicht, werden diese Epilepsiesyndrome dann als idiopathisch oder symptomatisch bzw. kryptogen bezeichnet.

Besonders wichtig sind bei den idiopathischen, generalisierten Epilepsien die Absence-Epilepsien mit den typischen 3/s spikes and waves im EEG. Bei den symptomatischen und kryptogenen, generalisierten Epilepsien ist dagegen von besonderer Bedeutung das West-Syndrom, das eine Hypsarrhythmie im EEG zeigt und die typischen Blitz-Nick-Salaam-Anfälle des Säuglingsalters verursacht.

Eine generelle Übersicht gibt das Kapitel Epileptische Anfälle und Epilepsien.

Erkrankungsbeginn Klinik und Besonderheiten EEG Prognose
Idiopathische generalisierte Epilepsien
Pyknolepsie
  • 5.–8. Lebensjahr
  • 3/s spikes and waves
  • 80% Anfallsfreiheit unter Therapie
Juvenile Absence Epilepsie
  • 9.–12. Lebensjahr
  • Regelmäßige 3-4/s spikes and waves
  • Photosensibilität
  • 60% Anfallsfreiheit unter Therapie
Juvenile myoklonische Epilepsie
  • 12.–20. Lebensjahr
  • Bilateral symmetrische Myoklonien meist nach dem Aufwachen
  • 3-5/s spikes and waves
  • Poly-spikes-and-waves
  • Photosensibilität
  • Lebenslange Behandlung (hohes Rezidivrisiko)
Aufwach-Grand-mal-Epilepsie
  • 14.–20. Lebensjahr
  • Unregelmäßige spikes-and-waves
  • Poly-spikes-and-waves
  • 70% Anfallsfreiheit unter Therapie
Myoklonisch-astatische Epilepsie
  • 2.–6. Lebensjahr
  • 2-3/s spikes and waves

  • Sharp-waves

  • Theta-Rhythmus

Kryptogene und symptomatische generalisierte Epilepsien
BNS-Epilepsie
  • 3.–8. Lebensmonat
Lennox-Gastaut-Syndrom
  • 2.–5. Lebensjahr
  • Verschiedene Anfallsbilder nebeneinander (u.a. myoklonisch und astatisch)
  • Entwicklungsverzögerung
  • Multifokale sharp-and-slow-waves
Progressive Myoklonusepilepsie
  • 6.–15. Lebensjahr
  • Generalisierte Spike-Wave-Paroxysmen
  • Photosensibilität
  • Meist schwere körperliche Behinderung mit letalem Verlauf

Bei allen idiopathischen, generalisierten Epilepsiesyndromen ist Valproat das Medikament der 1. Wahl. Lediglich bei Absencen im Schulkindalter sollte Ethosuximid wegen besserer Verträglichkeit bevorzugt werden (siehe auch Therapie der Epilepsien)!

Wesentliches Charakteristikum dieser Epilepsien ist das Auftreten in typischen Altersstufen. Zusammengerechnet sind die idiopathischen, generalisierten Epilepsien die häufigsten des Kindesalters (25%). Therapie der Wahl ist i.d.R. Valproat als Monotherapie, lediglich bei Absencen im Schulkindalter sollte Ethosuximid wegen besserer Verträglichkeit vorgezogen werden. Die Prognose ist unter Behandlung gut.

Absence-Epilepsie des Kindesalters (Pyknolepsie)

  • Epidemiologie
    • Beginn der Erkrankung: 5.–8. Lebensjahr
    • Geschlecht: >
  • Klinik: Absencen bis zu 100/Tag
  • EEG: 3/s spikes and waves über allen Hirnregionen (immer während des Anfalls, häufig auch im Intervall)
  • Prognose: Ca. 80% der Betroffenen werden unter Therapie anfallsfrei

Juvenile Absence-Epilepsie

  • Epidemiologie
    • Beginn der Erkrankung: 9.–12. Lebensjahr
    • Geschlecht: =
  • Klinik
  • EEG: Regelmäßige 3–4/s spikes and waves über allen Hirnregionen, Photosensibilität
  • Prognose: Ca. 60% der Betroffenen werden unter Therapie dauerhaft anfallsfrei

Juvenile myoklonische Epilepsie (Impulsiv-Petit-mal, Janz-Syndrom)

  • Epidemiologie: Beginn der Erkrankung: 12.–20. Lebensjahr
  • Klinik
  • EEG: 3–5/s spikes and waves und Poly-spikes-and-waves (unregelmäßiger im Vergleich zu den Absencen), Photosensibilität
  • Prognose: Lebenslange Behandlung wegen des hohen Rezidivrisikos notwendig

Epilepsie mit Aufwach-Grand-mal (Aufwach-Epilepsie)

  • Epidemiologie: Beginn der Erkrankung: 14.–20. Lebensjahr
  • Klinik: Generalisierte, tonisch-klonische Anfälle kurz nach Erwachen oder bei Entspannung (sog. Feierabend-Anfälle)
  • EEG: Unregelmäßige spikes-and-waves und Poly-spikes-and-waves
  • Prognose: Ca. 70% der Betroffenen werden unter Therapie dauerhaft anfallsfrei, teilweise ist keine medikamentöse Therapie nötig

Epilepsie mit myoklonisch-astatischen Anfällen (Doose-Syndrom)

  • Epidemiologie
    • Beginn der Erkrankung: 2.–6. Lebensjahr
    • Geschlecht: >
  • Klinik
  • EEG: 2–3/s spikes and waves, sharp-waves, Theta-Rhythmus
  • Prognose: Ca. 70% der Patienten Remission im Verlauf, bei ca. 30% ungünstige Prognose mit Status epilepticus und kognitiven Defiziten

Die Prognose bei diesen Epilepsien ist wesentlich schlechter als bei den idiopathischen, da sie häufig chronifizieren und das Ansprechen auf Medikamente viel geringer ist. Dies führt mitunter zu Verzögerungen der Entwicklung und Intelligenzminderung.

West-Syndrom (Blitz-Nick-Salaam-Epilepsie (BNS-Epilepsie))

Lennox-Gastaut-Syndrom

  • Epidemiologie
    • Beginn der Erkrankung: 2.–5. Lebensjahr
    • Geschlecht: >
  • Ätiologie: 50% strukturelle Hirnveränderungen, 50% wahrscheinlich gen. Prädisposition, kann aus West-Syndrom hervorgehen
  • Klinik
  • EEG: Multifokale sharp-and-slow-waves, pathologische Grundaktivität
  • Prognose
  • Therapie

Progressive Myoklonus-Epilepsie Typ Unverricht-Lundborg

  • Epidemiologie: Beginn der Erkrankung: 6.–16. Lebensjahr, selten
  • Ätiologie: Neurodegenerative Erkrankung mit autosomal-rezessivem, monogenem Erbgang
  • Klinik
  • EEG: Generalisierte Spike-Wave-Paroxysmen, Photosensibilität
  • Prognose: Schwere körperliche Behinderung (Verlust von Sprach-, Schluck- und Gehfähigkeit) und letaler Verlauf innerhalb von 5–20 Jahren nach Erkrankungsbeginn
  • Therapie: Valproat

In Kooperation mit Meditricks bieten wir durchdachte Merkhilfen an, mit denen du dir relevante Fakten optimal einprägen kannst. Dabei handelt es sich um animierte Videos und Erkundungsbilder, die auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend sind. Die Inhalte liegen meist in Lang- und Kurzfassung vor, enthalten Basis- sowie Expertenwissen und teilweise auch ein Quiz sowie eine Kurzwiederholung. Eine Übersicht aller Inhalte findest du im Kapitel „Meditricks“. Meditricks gibt es in unterschiedlichen Paketen – für genauere Informationen empfehlen wir einen Besuch im Shop.

Generalisierte Epilepsien im Kindesalter

Inhaltliches Feedback zu den Meditricks-Videos bitte über den zugehörigen Feedback-Button einreichen (dieser erscheint beim Öffnen der Meditricks).

Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.

  1. Masuhr, Neumann: Duale Reihe Neurologie. 6. Auflage Thieme 2007, ISBN: 978-3-131-35946-9 .