Zusammenfassung
Chlamydien sind gramnegative, obligat intrazelluläre Bakterien, die zahlreiche Krankheitsbilder auslösen können. Die drei entscheidenden humanpathogenen Keime sind C. trachomatis, C. pneumoniae und C. psittaci. Bei C. trachomatis wird zwischen den Serovaren A–C, D–K und L1–L3 unterschieden. Die Serovare A–C befallen vor allem die Augen und lösen das Trachom aus. Die Serovare D–K sind für urogenitale Chlamydieninfektionen (z.B. Vaginitis, Urethritis) und das okuläre Paratrachom verantwortlich. Die Infektion mit C. trachomatis vom Typ L1–L3 führt zum sexuell übertragbaren Lymphogranuloma inguinale. C. pneumoniae und C. psittaci befallen in der Regel nur die Atmungsorgane, wobei C. psittaci der Erreger der Papageienkrankheit ist. Die obligat intrazellulären Erreger sollten alle mit Doxycyclin oder alternativ mit Makroliden behandelt werden. Bei den sexuell übertragbaren Infektionen sollten Geschlechtspartner stets mitbehandelt werden.
Allgemein
- Erregercharakteristika
- Gramnegatives Bakterium
- Obligat intrazellulär
- Charakteristischer Entwicklungszyklus
- Anheftung extrazellulär befindlicher Elementarkörperchen an Zielzellen (meist Epithel des Respirations- und des Urogenitaltraktes)
- Endozytose
- Entwicklung zu Retikularkörperchen im Endosom
- Vermehrung und Anhäufung vieler Retikularkörperchen im Endosom , das dann als Einschlusskörperchen bezeichnet wird
- Umwandlung der Retikularkörperchen zu Elementarkörperchen
- Lyse der Endosomen
- Freisetzung der Elementarkörperchen und Ausschleusung aus der Zelle
- Neubeginn des Zyklus
- Anzucht nur schwer möglich
- Therapie: Chlamydien besitzen nur eine Membran und kein Peptidoglykan, daher sind β-Lactam-Antibiotika nicht wirksam
- Tetracycline (v.a. Doxycyclin)
- Alternativ: Makrolide oder höhere Fluorchinolone (≥ Klasse 3, z.B. Levofloxacin, Moxifloxacin)
- Erreger und Krankheitsbilder
Erreger | Serovar | Organ | Infektionsweg | Krankheitsbild |
---|---|---|---|---|
Chlamydia trachomatis | A–C |
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D–K |
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L1–L3 |
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Chlamydophila pneumoniae (auch: Chlamydia pneumoniae) |
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Chlamydophila psittaci (auch: Chlamydia psittaci) |
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Erkrankungen der Atemwege
- Chlamydophila pneumoniae: Atypische Pneumonie, Bronchitis, Pharyngitis, Sinusitis
- Siehe auch: Therapie der Pneumonie
- Chlamydophila psittaci → Psittakose („Papageienkrankheit“ , Ornithose )
- Infektionsweg: Aerogene Übertragung → Erreger in Kot, Federstaub
- Betroffen sind v.a. Personen/Berufsgruppen mit häufigem Kontakt zu Vögeln (Reservoir): Anerkannt als Berufskrankheit (BK 3102)
- Mensch-zu-Mensch-Übertragung findet nicht statt
- Inkubationszeit: 1–4 Wochen
- Klinik: Der Verlauf kann sehr unterschiedlich sein
- Akutes Krankheitsbild mit grippeähnlichen Symptomen
- Atypische Pneumonie mit Reizhusten
- Oft Hepatosplenomegalie
- Diagnostik
- Goldstandard: Kultureller Nachweis durch Speziallabor
- Alternative:
- Nachweis von spezifischen Antikörpern gegen Chlamydophila psittaci im Serum
- PCR aus respiratorischen Proben oder Gewebe im Speziallabor
- Komplikationen
- ZNS-Befall mit Meningitis und hirnorganischem Psychosyndrom
- Herz: Myokarditis, Endokarditis
- Therapie: Doxycyclin für 10–21 Tage, alternativ Makrolide (z.B. Clarithromycin ) oder Chinolone ab Klasse 3 (z.B. Levofloxacin )
- Siehe auch: Therapie der Pneumonie
- Infektionsweg: Aerogene Übertragung → Erreger in Kot, Federstaub
Geschlechtskrankheiten
Urogenitale Chlamydieninfektion
- Erreger: Chlamydia trachomatis Serotypen D–K
- Erkrankungen: Urethritis, Epididymitis, Prostatitis, Infektionen der Cervix uteri, Salpingitis und Adnexitis („pelvic inflammatory disease“)
- Diagnostik
- PCR aus Abstrichmaterial entzündeter Areale: Nachweis von Chlamydien-DNA mittels PCR mit hoher Sensitivität und Spezifität (Goldstandard)
- Zellkulturen: Erreger ist nur schwer anzüchtbar (obligat intrazellulär) → Ergebnis frühestens nach 4 Tagen, aber hohe Spezifität
- Serologie: Antikörper gegen Chlamydien sind z.B. mit ELISA-Verfahren nachweisbar → Bei einer akuten Infektion sind diese zunächst negativ und werden erst nach einigen Tagen positiv
- Komplikationen
- Reaktive Arthritis
- Perinatale Übertragung der Infektion auf Neugeborenes möglich → Risiko der Entwicklung einer Konjunktivitis, Otitis media und/oder einer interstitiellen Pneumonie
- Fitz-Hugh-Curtis-Syndrom: Im Rahmen von Chlamydien- oder Gonokokkeninfektion auftretende Perihepatitis
- Klinik: Plötzlich einsetzende rechtsseitige Oberbauchschmerzen, die in die rechte Schulter ausstrahlen können
- Laparoskopischer Befund: Fibrinöse Verwachsungen zwischen Leberkapsel und Peritoneum (das Leberparenchym selbst ist wenig bis gar nicht betroffen)
- Therapie: Siehe antibiotische Therapie der Adnexitis (ggf. mit Adhäsiolyse) [1]
- Therapie: Doxycyclin systemisch über 7–20 Tage, alternativ Makrolide
- Mitbehandlung der jeweiligen Sexualpartner wie bei allen sexuell übertragbaren Infektionen [2]
Urogenitale Chlamydieninfektion – Differenzialtherapie nach Fokus
Die Therapieempfehlungen unterscheiden sich je nach Ort der Infektionsmanifestation insb. bzgl. der Therapiedauer.
- Therapie der asymptomatischen Chlamydien-Infektionen, Urethritis (♂ & ♀) und/oder akute Zervizitis (♀)
- 1. Wahl: Doxycyclin p.o. über 7 Tage
- 2. Wahl bzw. Alternative: Einmalgabe Azithromycin
- Therapie der Chlamydien-Prostatitis (und Vesikulitis) (♂)
- 1. Wahl: Doxycyclin p.o. über 7 Tage
- 2. Wahl bzw. Alternative: Ofloxacin p.o. über 14 Tage
- Therapie der Chlamydien-Epididymitis (♂)
- 1. Wahl: Doxycyclin p.o. über 14 Tage
- 2. Wahl bzw. Alternative: Ofloxacin p.o. über 14 Tage
- Therapie der Endometritis, Salpingitis und/oder Adnexitis: siehe Therapie der Pelvic inflammatory disease (♀)
- Therapie der urogenitalen Chlamydieninfektionen in Schwangerschaft und Stillzeit [3]
- 1. Wahl nach Abschluss der 14. SSW: Erythromycin p.o. (alle Formen außer Erythromycin-Estolat )
- 2. Wahl: Amoxicillin
- 3. Wahl: Azithromycin
Lymphogranuloma inguinale (Lymphogranuloma venereum)
Beim Lymphogranuloma inguinale kommt es zu schmerzlosen Ulzerationen im Genitalbereich, die sich innerhalb von 2 Wochen zurückbilden. Nach 2 Wochen folgen blau-rote Lymphknotenschwellungen, die zu Abszessbildung mit Eiterentleerung neigen. Ohne antibiotische Therapie kann es zur Chronifizierung mit Lymphödemen kommen.
- Erreger: Chlamydia trachomatis Serotyp L1–L3
- Epidemiologie: Vermehrtes Vorkommen in tropischen und subtropischen Ländern
- Klinischer Verlauf
- Nach ca. 1 Woche: Schmerzlose herpetiforme Ulzera
- Nach ca. 3 Wochen: Schmerzhafte inguinale Lymphknoten mit Abszessbildung (Eiter)
- Therapie: Antibiotische Therapie mit verlängerter Therapiedauer, bevorzugt Doxycyclin , alternativ Makrolide (Azithromycin oder Erythromycin )
Lymphogranuloma inguinale (Erreger: Chlamydia trachomatis Serotyp L1–L3) darf nicht mit Granuloma inguinale (Erreger: Klebsiella granulomatis) verwechselt werden!
Meldepflicht
- Arztmeldepflicht
- Nach IfSGMeldeVO (nur in Sachsen ): Namentliche Meldepflicht bei Erkrankung und Tod an einer Psittakose (Ornithose mit Chlamydophila psittaci)
- Labormeldepflicht
- Nach § 7 IfSG: Namentliche Meldepflicht bei Erregernachweis von Chlamydophila psittaci
- Nach IfSGMeldeVO (nur in Sachsen ): Nicht-namentliche Meldepflicht bei Erregernachweis von Chlamydia trachomatis, wenn dieser auf eine akute Infektion hinweist
Prävention
- Aufklärung über sexuell übertragbare Erkrankungen [4]
- Safer Sex, insb. Verwendung von Kondomen
-
Chlamydienscreening mittels PCR aus Urinprobe
- Bei sexuell aktiven Frauen ≤25 Jahre
- Bei Schwangeren [3]
- Bei Frauen vor Schwangerschaftsabbruch
- Bei Infektion
- Keine Sexualkontakte bis Therapieende bzw. bis zum Abheilen der Läsionen
- Benachrichtigung aller Geschlechtspartner der letzten 2 Monate
- Bei Schwangeren: Erkennen und Behandeln einer genitalen Chlamydieninfektion
- Eine Untersuchung auf Chlamydien in der fortgeschrittenen Schwangerschaft ist leider kein obligater Teil der Vorsorge Bei Neugeborenen: Häufig Konjunktivitis oder gar lebensbedrohliche Pneumonie oder Sepsis durch Chlamydien
Jeder Schwangeren ab der 32. SSW sollte ein (erneutes) Chlamydienscreening angeboten werden!
Studientelegramme zum Thema
- One-Minute Telegram (aus unserer englischsprachigen Redaktion)
- One-Minute Telegram 101-2024-1/3: New CDC guidelines: doxy PEP for bacterial STI prevention
- One-Minute Telegram 90-2024-3/3: PEP challenges amid rising STIs
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Patienteninformationen
- Chlamydien-Infektion
Meditricks
In Kooperation mit Meditricks bieten wir durchdachte Merkhilfen an, mit denen du dir relevante Fakten optimal einprägen kannst. Dabei handelt es sich um animierte Videos und Erkundungsbilder, die auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend sind. Die Inhalte liegen meist in Lang- und Kurzfassung vor, enthalten Basis- sowie Expertenwissen und teilweise auch ein Quiz sowie eine Kurzwiederholung. Eine Übersicht aller Inhalte findest du im Kapitel „Meditricks“. Meditricks gibt es in unterschiedlichen Paketen – für genauere Informationen empfehlen wir einen Besuch im Shop.
Trachom (Chlamydien-Infektion)
Paratrachom (Chlamydien-Infektion)
Urogenitale Chlamydien-Infektion
Psittakose (Chlamydien-Infektion)
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
Chlamydien-Infektionen, die vorwiegend durch Geschlechtsverkehr übertragen werden
- A55: Lymphogranuloma inguinale (venereum) durch Chlamydien
- Inklusive: Durand-Nicolas-Favre-Krankheit, Esthiomène, Klimatischer oder tropischer Bubo
- A56.-: Sonstige durch Geschlechtsverkehr übertragene Chlamydienkrankheiten
- Inklusive: Durch Geschlechtsverkehr übertragene Krankheiten durch Chlamydia trachomatis
- Exklusive: (jeweils durch Chlamydien) Konjunktivitis beim Neugeborenen (P39.1), Lymphogranulom (A55) durch Chlamydien Pneumonie beim Neugeborenen (P23.1), Zustände, die unter A74.- klassifiziert sind
- A56.0: Chlamydieninfektion des unteren Urogenitaltraktes (jeweils durch Chlamydien)
- A56.1: Chlamydieninfektion des Pelviperitoneums und sonstiger Urogenitalorgane (jeweils durch Chlamydien)
- A56.2: Chlamydieninfektion des Urogenitaltraktes, nicht näher bezeichnet
- A56.3: Chlamydieninfektion des Anus und des Rektums
- A56.4: Chlamydieninfektion des Pharynx
- A56.8: Durch Geschlechtsverkehr übertragene Chlamydieninfektion an sonstigen Lokalisationen
Sonstige Krankheiten durch Chlamydien
- A70: Infektionen durch Chlamydia psittaci
- Inklusive: Ornithose, Papageienkrankheit, Psittakose
- A71.-: Trachom
- A74.-: Sonstige Krankheiten durch Chlamydien
- Exklusive: Durch Geschlechtsverkehr übertragene Chlamydienkrankheiten (A55–A56), Konjunktivitis beim Neugeborenen durch Chlamydien (P39.1), Pneumonie beim Neugeborenen durch Chlamydien (P23.1), Pneumonie durch Chlamydien (J16.0)
- A74.0†: Chlamydienkonjunktivitis (H13.1*)
- A74.8: Sonstige Chlamydienkrankheiten
- Chlamydienperitonitis† (K67.0*)
- A74.9: Chlamydieninfektion, nicht näher bezeichnet
- Chlamydiose o.n.A.
- H13.-:* Affektionen der Konjunktiva bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
- H13.1*: Konjunktivitis bei anderenorts klassifizierten infektiösen und parasitären Krankheiten
-
Konjunktivitis (durch):
- Adenoviren, follikulär (akut) (B30.1†)
- Akanthamöben (B60.1†)
- Bei Zoster (B02.3†)
- Chlamydien (A74.0†)
- Diphtherisch (A36.8†)
- Gonokokken (A54.3†)
- Hämorrhagisch (akut) (epidemisch) (B30.3†)
- Herpesviren [Herpes simplex] (B00.5†)
- Meningokokken (A39.8†)
- Newcastle- (B30.8†)
-
Konjunktivitis (durch):
- H13.1*: Konjunktivitis bei anderenorts klassifizierten infektiösen und parasitären Krankheiten
- J16.-: Pneumonie durch sonstige Infektionserreger, anderenorts nicht klassifiziert
- J16.0: Pneumonie durch Chlamydien
- K67.-:* Krankheiten des Peritoneums bei anderenorts klassifizierten Infektionskrankheiten
- K67.0*: Chlamydienperitonitis (A74.8†)
- N51.-:* Krankheiten der männlichen Genitalorgane bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
- N51.1*: Krankheiten des Hodens und des Nebenhodens bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
- Chlamydien-:
- Epididymitis (A56.1†)
- Orchitis (A56.1†)
- Chlamydien-:
- N51.1*: Krankheiten des Hodens und des Nebenhodens bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
- N74.-:* Entzündung im weiblichen Becken bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
Chlamydien-Infektionen der Perinatalperiode
- P23.-: Angeborene Pneumonie
- Inklusive: Infektionsbedingte Pneumonie, in utero oder unter der Geburt erworben
- Exklusive: Pneumonie beim Neugeborenen durch Aspiration (P24.‑)
- P23.1: Angeborene Pneumonie durch Chlamydien
- P39.-: Sonstige Infektionen, die für die Perinatalperiode spezifisch sind
- P39.1: Konjunktivitis und Dakryozystitis beim Neugeborenen
- Konjunktivitis durch Chlamydien beim Neugeborenen
- Ophthalmia neonatorum o.n.A.
- Exklusive: Konjunktivitis durch Gonokokken (A54.3)
- P39.1: Konjunktivitis und Dakryozystitis beim Neugeborenen
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.