- Klinik
Bösartige Knochentumoren
Abstract
Bösartige Knochentumoren können ossär oder als Metastase von einem Primärtumor eines anderen Organs entstehen. Klinisch können Schmerzen, Schwellung und Überwärmung - ähnlich einer Entzündungsreaktion - auffallen, manche Neoplasien werden jedoch auch erst durch pathologische Frakturen erkannt. Zu den häufigsten primär dem Knochengewebe entspringenden Malignomen gehören das Osteosarkom, das Ewing-Sarkom und das Chondrosarkom. Neben der charakteristischen Lokalisation und Altersverteilung gelingt die Differentialdiagnose der Tumorentitäten durch bildgebende Verfahren (u.a. Röntgen, CT) und vor allem bioptisch. In der Therapie kommen je nach Stadium eine radikale operative Entfernung und/oder chemotherapeutische Verfahren und Bestrahlung zum Einsatz.
Knöcherne Metastasen finden sich bevorzugt in der Wirbelsäule und sind bei Frauen häufig auf ein Mammakarzinom, bei Männern auf ein Prostatakarzinom zurückzuführen. Aufgrund der Schmerzhaftigkeit und der erhöhten Frakturgefahr ist eine Behandlung mit Analgetika, lokaler Bestrahlung, Gabe von Bisphosphonaten und eventuell operativer Stabilisierung notwendig.
Differentialdiagnose primäre bösartige Knochentumoren
Ewing-Sarkom | Osteosarkom | Chondrosarkom | |
---|---|---|---|
Klassifikation | Knochentumor | Knorpeltumor | |
Alter | Kinder/Jugendliche | Jugendliche/junge Erwachsene | Erwachsene |
Klinik | teilweise erst spät: Schwellung, Schmerzen, Bewegungseinschränkung | ||
Hauptlokalisation | Diaphysen langer Röhrenknochen, vor allem Femur und Tibia | Metaphysen der kniegelenkbildenden Knochen | Becken, proximales Femur |
Metastasierung | Hämatogen in die Lunge | ||
Malignitätszeichen im Röntgen | Osteolysen, unscharfe Begrenzung, Codman-Dreieck, Periostlamellierung, Spicula | ||
Sicherung der Diagnose | Biopsie | ||
Therapie | neoadjuvante Chemotherapie + radikale Resektion | radikale Resektion | |
5-Jahres-Überlebensrate | ca. 50% | ca. 50-70% | ca. 50% |
Besonderheit | BSG-Erhöhung (DD: Osteomyelitis) | strahlenresistent | strahlen- und chemoresistent |
Anamnese und Diagnostik
Anamnese
- Alter des Patienten
- Schmerzcharakter
- Dauer der Beschwerden
- Lokalisation
Diagnostik
- Laboruntersuchung: Entzündungszeichen, alkalische Phosphatase
- Bildgebung
- Konventionelles Röntgen
- Magnetresonanztomographie zur Beurteilung der Ausbreitung in Weichteile und Knochenmark
- Ggf. Computertomographie zur Einschätzung der knöchernen Stabilität
- Biopsie zur Sicherung der Diagnose
- Erweiterte Diagnostik
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Skelettszintigraphie
- Zeigt Knochenstoffwechsel von Knochenläsionen
- Dient der Metastasendetektion in Knochen
- Röntgen-Thorax oder CT-Thorax (Lunge ist der häufigste Metastaseort von malignen Knochentumoren)
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Skelettszintigraphie
Malignitätszeichen im konventionellen Röntgen
- Allgemein
- Zeichen des schnellen Wachstums
- Unscharfe Begrenzung des Tumors
- Mottenfraß: Ausgeprägte Osteolysen mit einzelnen Knocheninseln
- Periostreaktionen
- Kontinuierliche Periostreaktionen
- Solide Periostreaktion
- Periostlamellierung: Kann sowohl singulär als auch multilamellär (mitunter mit zwiebelschalenartigem Aspekt) auftreten
- Spicula: Senkrecht zum Knochen wachsende Knochenstrahlen
- Unterbrochene Periostreaktionen
- Diese entstehen dadurch, dass eine tumorbedingte kontinuierliche Periostreaktion wiederum durch den Tumor zerstört wird
- Sonderformen:
- Codman-Dreieck: Entstehung durch Destruktion einer singulären oder mehrerer Periostlamellen
- Periostsporn: Entstehung durch Destruktion einer soliden Periostreaktion
- Kontinuierliche Periostreaktionen
Osteosarkom
- Kurzbeschreibung: Bösartiger Tumor, der von polymorphen, knochenbildenden Zellen ausgeht
- Ätiologie
- Primäres Osteosarkom des Jugendlichen mit unklarer Genese
- Sekundäres Osteosarkom: M. Paget, Myositis ossificans
- Epidemiologie
- Alter: Häufigkeitsgipfel 16.-25. Lebensjahr
- Häufigster primär maligner Knochentumor
- ♂>♀
- Erhöhte Inzidenz bei Vorliegen eines Retinoblastoms. Das RB-Gen wirkt als Tumorsuppressor.
- Klinik
- Keine Frühsymptome, später Schwellung und Schmerz
- Lokalisation: 60% kniegelenksnahe Metaphysen , theoretisch aber jeder Knochen möglich
- Metastasierung: Hämatogen! Erst Lunge, dann Skelett
- Konventionelles Röntgen
- Häufig Zeichen von Osteolyse und Osteosklerose nah beieinander
- Malignitätszeichen (siehe oben)
- Histopathologie
- Irreguläre netzartige Bildung eines primitiven Faserknochens durch atypische polymorphe mesenchymale Zellen ("Maschendrahtosteoid")
- Subtyp "Parossales Osteosarkom"
- Therapie
- Verschiedene Verfahren (Chemotherapie, OP) werden je nach Stadium ausgeschöpft
- Bei lokalisierten, hochmalignen Osteosarkomen: Perioperative Chemotherapie und Operation (radikale Resektion)
-
Histologische Aufarbeitung des Operationspräparats zur Evaluation des Erfolgs der neoadjuvanten Chemotherapie
- Bestimmung der Tumorregression
- Zusätzlich: Bestimmung von Tumorgröße und Graduierung
- Verschiedene Verfahren (Chemotherapie, OP) werden je nach Stadium ausgeschöpft
- Prognose: 5-Jahres-Überlebensrate ca. 50-70%
Das Osteosarkom ist strahlenresistent!
Ewing-Sarkom
- Kurzbeschreibung: Hochmaligner Knochentumor, der von undifferenzierten Mesenchymzellen des Knochenmarks ausgeht
- Epidemiologie
- Häufigkeitsgipfel 5.–15. Lebensjahr
- ♂ > ♀
- Klinik: Schmerzen, Überwärmung, Schwellung, Fieber
- Lokalisation
- Diagnostik
- Konventionelles Röntgen: Klassischerweise zwiebelschalenartige Abhebung des Periosts
- Labor: BSG↑, CRP↑, Leukozytose
- Biopsie
- Kleine, runde Tumorzellen mit PAS-positiven Glykogenablagerungen, meist CD99 positiv
- In ca. 90% chromosomale Translokation t(11;22)(q24;q12)
- Therapie
- Neoadjuvante Chemotherapie → Lokaltherapie (operativ (radikale Resektion) und/oder radiotherapeutisch) → adjuvante Chemotherapie
- Radiatio bei Inoperabilität oder mangelndem Ansprechen auf Chemotherapie (auch in kurativer Absicht)
- Prognose: 5-Jahres-Überlebensrate ca. 50%
Chondrosarkom
- Kurzbeschreibung: Knorpelbildender, aber nicht knochenbildender Tumor
- Ätiologie: Kann aus entarteten Enchondromen entstehen (sekundäres Chondrosarkom)
- Epidemiologie: Typischerweise Auftreten im Erwachsenenalter, kindliche Chondrosarkome sind äußerst selten
- Klinik: Langsam infiltrierendes Wachstum, daher oft erst späte Diagnose
- Lokalisation: Becken und proximales Femur, seltener auch Rippen und proximaler Humerus
- Bildgebung
-
Konventionelles Röntgen/CT:
- Verkalkungen
- Mottenfraßähnliche Osteolysen
- Durchbrechung der Kompakta mit Infiltration des Weichteilgewebes
- MRT: Bogenförmige Kontrastmittel-Anreicherung
-
Konventionelles Röntgen/CT:
- Histologie
- Einteilung in Grad I (lokal aggressiv wachsend) bis Grad IV (entdifferenziert)
- Zelldichtes, atypisches, nodulär aufgebautes Knorpelgewebe mit Einschluss nekrotischer Knochenbälkchen
- Therapie: Radikale Resektion. Die Wirksamkeit einer Chemo- und Strahlentherapie ist nicht sicher nachgewiesen und sollte deswegen nur im Einzelfall erwogen werden
- Prognose:
- 5-Jahres-Überlebensrate ca. 50%
- Rezidivneigung
Chordom
Sekundäre maligne Knochentumoren (Knochenmetastasen)
- Kurzbeschreibung: Knochentumoren durch Metastasierung (v.a. hämatogen) aus anderen Organen
- Ätiologie
- Frauen: Meist Metastasen eines Mammakarzinoms (ca. 60%)
- Männer: Meist Metastasen eines Prostatakarzinoms (ca. 60%), oder Metastasen eines Lungenkarzinoms (ca. 25%)
- Weitere häufig ossär metastasierende Tumoren: Nierenzellkarzinom, Schilddrüsenkarzinom [1][2]
- Radiologische Klassifikation
- Überwiegend osteoblastische Metastasen → Anhebung der Röntgendichte: Prostatakarzinom
- Überwiegend osteolytische Metastasen → Abnahme der Röntgendichte: Nierenzellkarzinom, Schilddrüsenkarzinom, Kolonkarzinom
- Gemischt osteoblastisch-osteolytische Metastasen: Mammakarzinom, Bronchialkarzinom
- Klinik
- Radikuläre Symptome bei Kompression der Nervenwurzel durch Wirbelsäulenmetastasen → Ziehende Schmerzen
- Pathologische Frakturen: Alle Knochenmetastasen führen zu einer erhöhten Frakturgefahr
- Lokalisation: Meist Wirbelsäulenmetastasen (ca. 60%) → MRT: deutliches Kontrastmittel-Enhancement
- Therapie
- Lokale Strahlentherapie mit dem Ziel der Remineralisierung
- Bisphosphonate
- Analgesie
- Operative Stabilisierung
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2019
Bösartige Neubildungen des Knochens und des Gelenkknorpels (C40-C41)
- Exklusive: Knochenmark o.n.A. (C96.7), Synovialmembran (C49.‑)
C40.-: Bösartige Neubildung des Knochens und des Gelenkknorpels der Extremitäten
- C40.0: Skapula und lange Knochen der oberen Extremität
- C40.1: Kurze Knochen der oberen Extremität
- C40.2: Lange Knochen der unteren Extremität
- C40.3: Kurze Knochen der unteren Extremität
- C40.8: Knochen und Gelenkknorpel der Extremitäten, mehrere Teilbereiche überlappend
- C40.9: Knochen und Gelenkknorpel einer Extremität, nicht näher bezeichnet
C41.-: Bösartige Neubildung des Knochens und des Gelenkknorpels sonstiger und nicht näher bezeichneter Lokalisationen
- Exklusive: Knochen der Extremitäten (C40.‑), Knorpel: Extremitäten (C40.‑), Larynx (C32.3), Nase (C30.0), Ohr (C49.0)
- C41.0-: Knochen des Hirn- und Gesichtsschädels
- Knochen der Augenhöhle
- Oberkiefer
- Exklusive: Karzinom jeden Typs, außer intraossären oder odontogenen Ursprungs: Oberkieferzahnfleisch (C03.0), Sinus maxillaris (C31.0), Unterkieferknochen (C41.1)
- C41.01: Kraniofazial
- Knochen der Augenhöhle
- Os ethmoidale, frontale, occipitale, parietale, sphenoidale, temporale
- C41.02: Maxillofazial
- Gesichtsknochen o.n.A.
- Maxilla
- Nasenmuschel
- Oberkiefer
- Os nasale und zygomaticum
- Vomer
- C41.1: Unterkieferknochen
- Mandibula
- Exklusive: Karzinom jeden Typs, außer intraossären oder odontogenen Ursprungs: Unterkieferzahnfleisch (C03.1), Zahnfleisch o.n.A. (C03.9), Oberkieferknochen (C41.02)
- C41.2: Wirbelsäule
- C41.3-: Rippen, Sternum und Klavikula
- C41.4: Beckenknochen
- C41.8: Knochen und Gelenkknorpel, mehrere Teilbereiche überlappend
- Bösartige Neubildung des Knochens und des Gelenkknorpels, deren Ursprungsort nicht unter den Kategorien C40-C41.4 klassifiziert werden kann
- C41.9: Knochen und Gelenkknorpel, nicht näher bezeichnet
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2019, DIMDI.